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Paul Schraders „Master Gardener“Schuld und Sühne im Paradiesgarten eines Neonazis

Lesezeit 4 Minuten
Joel Edgerton and Quintessa Swindell sehen einander in die Augen.

Joel Edgerton und Quintessa Swindell in „Master Gardener“ von Paul Schrader

Paul Schrader hat einen Film über einen Aussteiger der „Proud Boys“ gedreht. Vergebung scheint für ihn nichts Verwerfliches mehr zu sein.

Vermutlich kommen die Männer in Paul Schraders Filmen bereits schuldig auf die Welt. Wenn wir ihnen begegnen, gibt es für sie jedenfalls längst keine Hoffnung mehr. Schrader brachte diese private Erbsünde mit dem für Martin Scorsese geschriebenen „Taxi Driver“ nach Hollywood, und auch in seinem jüngsten Film „Master Gardener“ scheint sich das Schicksal mit der Unabwendbarkeit einer antiken Tragödie zu vollziehen. Schuld ohne Sühne, das wäre für Schrader der wahre Sündenfall.

Joel Edgerton spielt den titelgebenden Gärtner: ein zugeknöpfter Mann mit strengem Scheitel und stocksteifem Gang. Er haucht seine botanischen Weisheiten mit heiserer Stimme und scheint vollends in seinem Metier aufzugehen, um von sich selbst abzulenken, um sich in dieser nicht ganz passenden Existenz verlieren zu können. Schraders Gartenbauexkurse erfüllen hier den gleichen Zweck, wie die Welt des professionellen Glücksspiels in „The Card Counter“, seinem vorherigen Film. Sie bieten ein Versteck, betäuben die Erinnerung – und fordern das Schicksal damit heraus.

Seit einigen Jahren ist Paul Schrader wieder auf der Höhe seiner Kunst

In „Master Gardener“ trägt das Schicksal die Kleider einer Frau. Maya ist die Großnichte von Narvel Roths Arbeitgeberin, eine Südstaaten-Dame von altem, rassistischem Schlag, die sich der verwaisten jungen Frau mit der Herzlichkeit einer Eisprinzessin annimmt. Sie sei „gemischt“ und habe einige falsche Lebensentscheidungen getroffen, mehr weiß sie nicht über Maya zu sagen und mehr scheint sie auch nicht zu interessieren. Roth soll sie zur Gärtnerin ausbilden, und tatsächlich lässt sich Maya (Quintessa Swindell) die Monologe über Böden, Samen, Ordnung und Wildwuchs erstaunlich gerne gefallen. Aber auch sie hat eine Vergangenheit und die holt sie in ihrer blühenden Zuflucht ein.

Anfang der 1980er Jahre, nach „Ein Mann für gewisse Stunden“, galt Paul Schrader als große Regiehoffnung in Hollywood. Bereits mit „Katzenmenschen“, seinem nächsten Film, hatte sich das erledigt, aber zwischen eher unglücklichen Auftragsarbeiten fand Schrader immer wieder Geldgeber für seinen Schuldkomplex. Mit seinen letzten drei Filmen, meisterhaften Kammerspielen mit kleiner Besetzung und seltenen Ortswechseln, zeigte er sich wieder auf der Höhe seiner Kunst. Und es gelang ihm, seine privaten Obsessionen mit den Geißeln der amerikanischen Gegenwart zu verbinden.

Sigourney Weaver betrachtet lüstern Hakenkreuze auf nackter Haut

In „First Reformed“ vermaß Schrader die enge Welt der religiösen Fundamentalisten, in „The Card Counter“ widmete er sich den Lügen und Verbrechen des Irakkriegs und jetzt in „Master Gardener“ den rechtsextremen Milizen, die den Sturm aufs Capitol anführten. Seine Hauptfigur Narvel Roth ist ein Aussteiger, der, wie er selbst sagt, solange sehr gut darin war, zu hassen, bis er, der Rassist und Mörder, seine eigene Familie verriet. Als Hüter von Gracewood Gardens fand er ein neues Leben, aber keine Ruhe. Seine Vergangenheit trägt er mit Hakenkreuz-Tätowierungen und Runen am Körper, wie eine alte Scham und als Erinnerung an seine Schuld.

Man könnte „Master Gardener“ als Garten-Eden-Version seines Vorgängerfilms bezeichnen, des düsteren, in weißen Zimmern spielenden „The Card Counter“. Erneut gelingt es Schrader, mit wenigen Strichen eine ausweglose Lage zu skizzieren, das Südstaaten-Grün ist ebenso ein Gefängnis wie die fensterlosen Säle der Glücksspielindustrie. Sigourney Weaver spielt Roths Arbeitgeberin mit einer Herrschaftsattitüde, die einen beim „Master Gardener“ sogleich an „Master Race“, das Wunsch- und Zerrbild einer eingebildeten „Herrenrasse“ denken lässt. Wenn Weaver mit lüsternem Schaudern den entblößten Oberkörper ihres Gärtners mustert, weiß man nicht, was sie mehr erregt: das nackte Fleisch oder die Hakenkreuze darauf?

Anders als „The Card Counter“ hat „Master Gardener“ keinen deutschen Kinoverleih; er findet seine Nische seit dieser Woche in Streaming-Angeboten und auf Bluray und DVD. Das kann viele Gründe haben, vielleicht sogar den, dass Schrader seit „The Card Counter“ offenbar altersmilde, um nicht zu sagen, fromm geworden ist. Man sieht es den vergleichsweise uninspirierten Rückblenden in Roths mörderische Vergangenheit an, seinen eher schwachbrüstigen Gegenspielern und einer gewissen Leichtfertigkeit, mit der ihn Maya (und er sich selbst) von seinen Sünden freispricht. Vergebung ist für Paul Schrader nichts Verwerfliches mehr. So weit ist es mit der Welt gekommen.


„Master Gardener“, USA 2022, 111 Minuten, Regie: Paul Schrader, mit Joel Edgerton, Sigourney Weaver, Quintessa Swindell. Auf Amazon, Sky, Apple TV und Google Play. Bluray und DVD.