Die Kölner Galerie Buchholz zeigt neue Arbeiten der US-Künstlerin Frances Stark, in denen Worte auch schon mal Unsinn stiften.
Frances Stark in KölnManchmal kommen auch gute Mädchen überall hin
Auf dem Höhepunkt ihres Ruhms, also etwa zwischen 1938 und 1982, kannte die achtjährige Nancy in den USA nicht nur jedes Kind, sondern überhaupt jeder, der dort regelmäßig eine Tageszeitung aufschlug. Die aufgeweckte Comicheldin hatte ihren Stammplatz am Frühstückstisch aller Durchschnittsfamilien, und ihre Erkennungszeichen waren so eingängig wie später Lisa Simpsons Zackenkopf: Schleife im schwarzen Haar, dazu zwei dünne Bögen über Knopfaugen.
Berühmt wurde Frances Stark mit einem Trickfilm, der ihre Sexchats mit jüngeren Männern nacherzählt
Wie ihre gelbe Nachfahrin gehört die von Ernie Bushmiller erfundene Nancy zu jener Sorte braver Mädchen, die man jederzeit mit einem Wörterbuch in den Händen erwischen kann. Gerade das macht Nancy für die kalifornische Malerin Frances Stark offenbar unwiderstehlich, obwohl Stark im Kunstbetrieb eher zu den „bösen“ Mädchen gezählt wird; berühmt wurde sie mit einem Trickfilm, in dem sie mit Plastikfiguren ihre Sexchats mit sehr viel jüngeren Männern nacherzählt. Aber ihre wahre Leidenschaft gehört der Frage, wie sich die schöpferische Kraft von Worten in Bilder übertragen lässt.
Um Antworten auf diese Frage ist Frances Stark nie verlegen, aber sie führen selten auf geradem Weg ins Ziel. So zeigt sie in ihrer aktuellen Ausstellung in der Kölner Galerie Buchholz nicht nur eine großformatige Nancy mit Wörterbuch (die Fingernägel in den Pupillen machen das Gemälde zu einem maskierten Selbstporträt), sondern auch einen klassischen Baum des Wissens, wie er seit dem Mittelalter dazu dient, die Welt in Begriffe einzuteilen und diese in eine Ordnung zu bringen. Allerdings füllt Stark die Blätter ihres Gemäldes mit Blindtext und, darin versteckt, einem Zitat von Witold Gombrowicz, in dem es heißt, dass wir, obwohl wir über Unmengen an Wissen verfügen, so schlau sind wie zuvor.
Frances Stark spielt so lange mit Worten, bis sie etwas anderes sagen oder ihre brutale Autorität verlieren
Eine ähnliche Richtung schlägt Stark mit dem Riesengemälde eines aufgeklappten Buches ein, dessen Inhaltsverzeichnis sie als etwas verrutsche Fotokopie auf Leinwand malt. Wovon das Buch handelt, erschließt sich einem nicht, vermutlich von der menschlichen Existenz als Ganzes und in all ihren Erscheinungsformen. Jedenfalls fangen die aberwitzig kleinteiligen, von Geburt und Unsterblichkeit bis zu Tabak, Alkohol und Essig reichenden Kapitelüberschriften die ganze Absurdität, aber auch die schöne Maßlosigkeit eines solchen Unterfangens ein.
Worte tragen Bedeutung, sie sind Ausdruck von Macht und manchmal haben sie geradezu Befehlscharakter. Aber es lässt sich auch mit ihnen spielen. Also spielt Stark so lange mit Worten, bis sie etwas anderes sagen oder Unsinn reden oder ihre brutale Autorität verlieren. Einem staatlichen „Befehl zu töten“ (es geht um eine schädliche Insektenart) widersetzt sie sich, indem sie die Laternenträgerzikade in all ihrer Schönheit porträtiert, und aus einem Titelbild des „Life“-Magazins macht sich einen „File“. Anschließend greift sie diese Verwandlung des Lebens in Aktenordner mit einem Gemälde auf, das beschriftete Kartons mit privaten Erinnerungsstücken zeigt.
Auf diesem „Bankers Boxes“ betitelten Großformat laden ausnahmsweise nicht die gemalten Worte ihren Bildträger mit Bedeutung (oder bedeutendem Unsinn) auf. Stattdessen verleiht Stark den banalen Aufschriften („Frances, alt, unsortiert“) einen tieferen Sinn, weil wir ahnen, dass die Kartons ein ganzes Leben aufschließen. Letztlich verraten diese „white boxes“ zwar so wenig über ihren Inhalt wie ihre schwarzen Gegenstücke. Aber sie lassen sich immerhin beschriften.
„Frances Stark. Orders to Kill”, Galerie Buchholz, Neven-DuMont-Str. 17, Köln, Di.-Fr. 11-18 Uhr, Sa. 11-16 Uhr, bis 27. Juli.