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Francis Fukuyama in Köln„Das westliche Modell wird den längeren Atem haben“

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Francis Fukuyama (rechts) in Köln

Köln – „Ich habe etwas gelernt aus den vergangenen Jahrzehnten“, gab Francis Fukuyama auf die Frage des Moderators zu, ob er noch immer an ein „Ende der Geschichte“ glaube. Dass wir mit dem globalen Sieg der liberalen Demokratie nach dem Zusammenbruch des Kommunismus ins Zeitalter des Posthistoire eingetreten seien – das war die steile These, die der Stanford-Politologe 1992 in seinem Wälzer „The End of History and the Last Man“ entwickelt hatte. Die auf einer Hegel-Interpretation des russisch-französischen Denkers Alexandre Kojève aufbauende Analyse überzeugte freilich schon damals nicht – heute tut sie es weniger denn je.

Fukuyama hat nichts von einem Propheten-Guru

An Fukuyamas Renommee kratzt das allerdings nicht, und so war auch jetzt der Große WDR-Sendesaal gut gefüllt, als Fukuyama mit Alexander Görlach über sein neues, auf deutsch unter dem Titel „Der Liberalismus und seine Feinde“ erschienenes Buch diskutierte. Der Gast hat übrigens im persönlichen Auftreten nichts von einem Propheten-Guru an sich; er ist freundlich, nüchtern, zurückhaltend und bescheiden.

Ja, gab er zu Protokoll, die liberale Demokratie befindet sich nach ihrem angeblichen Sieg in der Krise und in der Defensive. Und dies nicht nur gegen den Angriff von rechts, sondern auch denjenigen von links. Rechts seien die einschlägigen Demagogen unserer Tage von Trump bis Orbán am Werk, links die Vertreter einer kulturalistischen Identitätspolitik, die nicht etwa Individual-, sondern Gruppenrechte (für Minderheiten) einforderten und solchermaßen den für das Funktionieren von Demokratie unverzichtbaren überwölbenden („overarching“) Konsens gefährdeten.

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Der werde indes auch durch die technologische Entwicklung ausgehöhlt: Die demokratische Öffentlichkeit zersplittere in den sich gegeneinander abschließenden Teilöffentlichkeiten des Internets. Dies sei der Boden, auf dem Wissenschaftsfeindschaft, Verschwörungsmythen und Hassreden gediehen: „Viele Leute akzeptieren nur noch Wahrnehmungen, die zu den Meinungen passen, die sie eh schon haben.“ Toleranz, der notwendige Kitt einer demokratischen Gesellschaft auch im Sinne von vernünftiger Nicht-Übereinstimmung, büße solchermaßen ihre Bindekraft ein.

Trennen müsse man sich, so Fukuyama, auch von der alten liberalen Überzeugung, dass wirtschaftliche Freiheit sowie die mit ihr einhergehende Wohlstandsproduktion und demokratische Freiheit substanziell zusammenhingen. Das Beispiel China lehre, dass Wohlstand ohne Demokratie möglich sei. Trotzdem glaubt der Politologe nicht, dass das westliche Demokratiemodell in diesen Tagen an sein Ende kommt und der chinesischen Alternative die Zukunft gehört: „Es wird den längeren Atem haben und sich erholen, weil es die Menschen am ehesten überzeugt: Respekt, Achtung, Würde – das ist es, was sie letztlich haben wollen.“

Leider ging die Diskussion quer durch den Garten

Leider krankte die Diskussion daran, dass der Begriff „Liberalismus“ nicht ganz geklärt wurde: In den USA meint er so viel wie „Sozialdemokratie“, während „unser“ Liberalismus in Amerika als „libertarianism“ figuriert. Der Unterschied wird wichtig, wenn Themen wie das Verhältnis von Liberalismus und Demokratie oder Sozialstaat, positive und negative Freiheit diskutiert werden.

Außerdem ging es quer durch den Garten: China und Taiwan, das Verhältnis von Ideologie und Machtpolitik, Frauen im Iran, Demokratie und Immigration, kulturelle Liberalismus-Affinität – es war ein wenig zu viel. Mit der Folge, dass neben Bedenkenswertem auch banal Zustimmungsfähiges vom Podium kam.