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Gastspiel derHat der Kapitalismus der Demokratie die Scheidung eingereicht?

Lesezeit 3 Minuten
"Kaputt" Studiobühne Köln

Alice Janeczek, Isabella Kolb, Carmen Konopka, Katharina Rettich und Jan van Putten der Studiobühne Köln

Klug und humorvoll debattiert ein Quartett der Studiobühne Köln in der Vorhölle über das Ende des Kapitalismus - der sich von der Demokratie zu verabschieden droht.

„Macht kaputt, was euch kaputt macht“, sang schon 1970 Rio Reiser. Jetzt erwies sich allerdings der Kapitalismus als zäher Geselle, weshalb mehr als 50 Jahre später Autor Tim Mrosek sich in „Kaputt“ noch immer mit dem Ende des Kapitalismus herumschlagen muss. Zum Abschluss seiner Trilogie „Words don't come easy“ über Sprache und ihre politischen Folgen wird zwar die aktuelle globale Lage behandelt, Ort und Akteure in diesem Stück sind aber nicht mehr von dieser Welt.

Die vier schillernden Gestalten müssen auf einer fernen Insel, in unbestimmter geografischer Lage, als Tote im Schwebezustand des Limbo verharren. Jetzt weiß keiner von den „Gestrandeten“, wann und wohin danach die Reise weitergeht und so bleibt dem scheinbar wahllos zusammengewürfelten Quartett nur der Schlaf und sophistische Streitgespräche über – nein, nicht Gott, der ist tabu – die Welt.

Im metaphysischen Debattierclub

Da ist Dora, die verschollene Zwillingsschwester von Don Draper, dem Werbepapst aus „Mad Men“ und als ihr politischer Gegenpart, die Pfarrerstochter Gudrun E., die sich hier nach ihrem Ende in Stammheim nur „Smutje“ nennt, dritte Frau im metaphysischen Debattierclub ist Post-Monarchistin Betty Le Mack, die aus düsteren Shakespearedramen entstiegen ist, und nun mit hochgereckter Nase die Diva in der Runde gibt. Ein launiger Killer im Hawaiihemd namens Marcus Caligula komplettiert als einziger Mann die illustre Runde. Das Quartett wird jetzt aber durch einen geheimnisvollen Neuzugang kräftig aufgemischt. Mani, heißt die Neue und ist als Sängerin laut eigener Aussage in Italien weltberühmt.

Ungebremste Spielfreude, klug gefüttert mit dem Text von Tim Mrosek

Die Neue wird einerseits von den Limbo-Veteranen in die Regeln auf der Insel eingeweiht, kann dafür aber die von der Welt abgeschnittenen Insulaner mit Neuigkeiten zur Lage der Lebenden versorgen. Paulina Triebs, die bei dieser Produktion der Studiobühne Regie führt, lässt die fünf Akteure auf der Bühne in der Comedia an der langen Leine. Alice Janeczek, Isabella Kolb, Carmen Konopka, Katharina Rettich und Jan van Putten danken ihr den gewährten Freiraum mit ungebremster Spielfreude. Klug gefüttert mit dem Text von Tim Mrosek entwickelt sich eine dynamische Diskussion über den Kapitalismus, der gegenwärtig Anstalten macht, sich aus der langjährigen Lebens- und Wertegemeinschaft mit der Demokratie zu verabschieden.

Da sitzt man nun im Publikum wie ein Scheidungskind, das ahnt, dass die Zukunft ungemütlich werden könnte. Nur gut, dass Tim Mrosek, wie schon bei den ersten beiden Teilen „Dreckstück“ und „Total“, nicht mit klugem Humor, und originellen Verweisen auf die Pop-Kultur geizt.


„Kaputt: Kapital, Psychose und das große Andere“, 20. bis 23. Februar, Comedia Theater, Tickets unter comedia-koeln.de.