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Gefälschte KunstKölner Museum Ludwig schreibt 22 Gemälde ab

Lesezeit 4 Minuten
Museum Ludwig

Das Museum Ludwig in Köln

  1. Im Vorfeld geriet das Kölner Museum Ludwig für seine geplante Ausstellung über mutmaßliche Fälschungen in der eigenen Sammlung unter Beschuss.
  2. Jetzt ist die Schau zu sehen: Das Museum schreibt 22 Gemälde der Russischen Avantgardekunst ab - aus guten Gründen, wie es scheint.
  3. Die Kuratorinnen führen vor, wie Fälscher arbeiten und wie man ihnen auf die Schliche kommt.

Köln – Um mit den Fälschern Schritt zu halten, müssen sich auch Kunsthistoriker etwas einfallen lassen. So kam etwa Elena Basner, Expertin für Russische Avantgardekunst, auf die Idee, auf Gemälden nach Spuren der zwischen 1945 und 1955 durchgeführten Atombombentests zu suchen. Seit den nuklearen Versuchsreihen findet sich in Erde, Wasser und Pflanzen ein erhöhter Wert an bestimmten radioaktiven Isotopen, und Basner zeigte, dass sich ein Hauch davon auch in pflanzlichen Bindemitteln von Ölfarben nachweisen lässt. Ein Bild mit besagten Isotopen kann unmöglich vor 1945 gemalt worden und damit auch kein Werk der Russischen Avantgardekunst sein.

Ein El Dorado für Fälscher

Mit ihrer Idee stieg Basner zum Star ihres Fachgebiets auf, das schon lange als El Dorado der Fälscher gilt. Nach dem Zerfall der Sowjetunion strömte eine wahre Flut an Werken russischer Künstler wie El Lissitzky, Wassily Kandinsky oder Kasimir Malewitsch in den Westen, darunter viele zuvor unbekannte Werke aus zuvor unbekannten Quellen. Das ließ sich stets mit den Verwüstungen des Stalinismus erklären, doch nach etlichen aktenkundig gewordenen Fälschungsfällen ist die Lage dermaßen desolat, dass ein hochrangiger deutscher Kunsthändler im kleinen Kreis erklärte, sein Haus würde aus privater Hand keine Arbeiten russischer Avantgardekünstler mehr akzeptieren. Ein Grund dafür: Bei den Experten wisse man nicht, wem man vertrauen kann. Dazu passt, dass auch Elena Basner 2015 von einem Sammler wegen Betrugs angezeigt wurde und vor Gericht kam. Sie wurde freigesprochen. Aber irgendetwas bleibt immer hängen.

Ein Original: Malewitschs „Supremus Nr. 38“

Man kann daher verstehen, warum das Kölner Museum Ludwig seit zehn Jahren keine große Ausstellung mit Russischer Avantgardekunst mehr gezeigt hat, obwohl es eine der bedeutendsten Sammlungen dieser für die Entwicklung der abstrakten Malerei so wichtigen Kunstbewegung besitzt. Schließlich kann es sich kein Museum, das etwas auf sich hält, leisten, Bilder zu zeigen, von denen es nicht weiß, ob sie echt, gefälscht oder falsch zugeordnet worden sind. Allerdings ist es auch keine Lösung, wie Ludwig-Direktor Yilmaz Dziewior betont, solche Verdachtsfälle in den Keller zu stellen und kein Wort mehr darüber zu verlieren. Und so macht das Ludwig jetzt das genaue Gegenteil: Es hat einen Teil seiner russischen Sammlung wissenschaftlich durchleuchten lassen und präsentiert die Ergebnisse dreijähriger Forschung im Rahmen seiner Ausstellung „Original und Fälschung“. Wobei nicht jedes Bild, das nicht echt ist, eine Fälschung ist. Es kann auch eine Verwechslung vorliegen, weshalb das Museum seine Problembilder lieber „nicht authentisch“ nennt. Auch Betrugsvorwürfe erheben die beiden Kuratorinnen Petra Mandt und Rita Kersting nicht.

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Die russische Sammlung des Kölner Museums stammt aus dem Besitz von Irene und Peter Ludwig, die bereits in den 70er Jahren begannen, die hinter dem Eisernen Vorhang lange vergessene russische Avantgarde zu kaufen. Bei den Untersuchungen hat sich das Haus auf die 100 Gemälde der rund 600 Werke umfassenden Bestände konzentriert und zunächst 49 Bilder von Künstlern wie El Lissitzky, Ljublow Popowa und Nikolai Suetin überprüft. Beinahe die Hälfte, nämlich 22, hält das Museum für nicht authentisch, was, würde man das Verhältnis auf alle 600 Werke oder auch nur die Gemälde hochrechnen, geradezu verheerend wäre. Allerdings habe man bewusst, so Kersting, mit den verdächtigen Arbeiten begonnen. Es besteht also begründete Hoffnung, dass nicht mehr allzu viele Abschreibungen hinzu kommen.

Wohl gefälscht: El Lissitzkys „Proun“

Bei seinen Analysen kooperierte das Museum mit Experten in Köln, London und Chicago und schöpfte das Arsenal der kunsthistorischen Kriminalistik weitgehend aus – auch wenn es nicht nach Isotopen forschte. Die Gemälde wurden mit Röntgenstrahlen oder Infrarot durchleuchtet, Leinwände und Farbpigmente auf ihre Zusammensetzung hin analysiert, Stilvergleiche mit gesicherten, nachweislich echten Werken angestellt und die Geschichte der Vorbesitzer so weit möglich rekonstruiert. Die Befunde taugen, so weit man das nach Sichtung der Ausstellung beurteilen kann, zu Schulbuchbeispielen der Fälscherlehre: Ein Gemälde, das angeblich 1913 entstanden ist, wurde auf einer polyesterhaltigen Leinwand gemalt (künstliches Polyester kam erst in den 20er Jahren auf den Markt); in der unteren, durch Restaurierungen unberührten Farbschicht fanden sich Pigmente, die es zur überlieferten Entstehung des Werkes noch nicht gab; und ein abstraktes Motiv wurde für eine „Nachschöpfung“ einfach spiegelverkehrt gemalt.

Die Ausstellung ist ein Augenöffner

Nicht immer sind die Beweise stichfest. Auch das Museum Ludwig kann oft nur Indizien zu Ketten reihen, aber die scheinen schlüssig und werden an den Museumswänden überaus anschaulich mit einem Karteikartensystem und gelegentlichen Gegenüberstellungen vorgeführt. Für den interessierten Laien dürfte „Original und Fälschung“ ein Augenöffner sein, während die Fachwelt nur milde lächelnd zur Kenntnis nimmt, dass den Ludwigs offenbar selbst plumpere Fälschungen mit Unbedenklichkeitserklärung ins Haus geliefert wurden.

Im Vorfeld der Ausstellung hatte Peter Ludwigs Hauptlieferant für Russische Avantgardekunst gegen das Museum geklagt und dem Haus die Sachkenntnis abgesprochen. Aber vielleicht ist ein Mangel an klassischer „Expertise“ in diesem Fall sogar von Vorteil.

„Russische Avantgarde im Museum Ludwig – Original und Fälschung“, Museum Ludwig am Dom, Köln, Di.-So. 11-18 Uhr, bis 3. Januar 2021. Katalog: 25 Euro