George Benjamin hat in der Philharmonie das Gürzenich-Orchester dirigiert. Seine Werke rahmte er mit französischen Kompositionen ein – ein erhellender dramaturgischer Bogen.
Konzert in KölnStardirigent George Benjamin spielt eigene Werke mit Gürzenich-Orchester
Jahrhunderte lang brachten Komponisten ihre Werke selbst zur Aufführung. Die professionalisierte Arbeitsteilung in allen Bereichen, so auch in der Musik, hat aus dieser selbstverständlichen Praxis eine Seltenheit gemacht. Insofern war der Auftritt des Komponisten und Dirigenten George Benjamin mit dem Gürzenich-Orchester etwas Besonderes. Und auch das Programm bot einen erhellenden dramaturgischen Bogen. Der 1960 geborene Brite verortete seine Musik zwischen Werken von französischen Vorgängern seines Lehrers Olivier Messiaen.
Erst jüngst wurde Benjamin mit dem Ernst von Siemens Musikpreis ausgezeichnet, einem der am höchsten dotierten Kunstpreise weltweit. Er wird von manchen als einer der bedeutendsten Musiker der Gegenwart gehandelt. Doch wonach bemisst sich diese Bedeutung? In seinem Fall sicher nach der Vielseitigkeit und Fülle seines Schaffens.
Er komponiert für verschiedenste Gattungen und Besetzungen vom Solostück bis zu großen Orchesterwerken, Konzerten und abendfüllenden Opern. Hinzu kommen seine Tätigkeiten als Pianist, Lehrer und vor allem Dirigent. Doch hat er etwas Neues in die Musik gebracht?
George Benjamin dirigiert Gürzenich-Orchester mit eigenen und französischen Werken
Die Aufführung eigener Werke rahmte Benjamin zu Anfang mit Paul Dukas „Der Zauberlehrling“. Die ungemein gestische und vielfarbige Musik von 1897 erzählt Goethes bekannte Ballade vom verzauberten Besen, der immer wilder Wasser vergießt und umherfegt, rein klanglich. Ein munter tändelndes Motiv der Fagotte steigert sich zum bedrohlichen Orchestertutti, bis am Ende der heimkehrende Meister den Spukt beendet und das zwischenzeitlich gespenstisch-monströse Orchester wieder in sanfte Ruhe verfällt.
Den Abschluss bildeten die symphonischen Fragmente aus Maurice Ravels Ballettmusik „Daphnis et Chloé“ von 1912. Flötistin Alja Velkaverh-Roskams entführte mit wunderbar artikuliertem Solo in das arkadische Hirtenidyll. Und das mit jeweils vierfachen Bläsern, zwei Harfen, Celesta, zehn Schlagzeugern und großem Streicherapparat kraftvoll und vielfarbig besetzte Orchester entfachte einen überwältigenden Klangrausch, ozeanisch, gewaltig, erhaben, begeisternd.
George Benjamins „Concerto for Orchenstra“: dunkle Blechbläser gegen flirrende Streicher
George Benjamins „Concerto for Orchestra“ von 2021 stellte dunkle Blechbläser und flirrende Streicher und Holzbläser einander gegenüber, die als konzertierende Stimmgruppen ihr Material vertauschten und schließlich zu statischen Klangflächen verschmolzen. Die Musik klingt moderat und gefällig. Mit britischem Unterstatement tut sie niemandem weh, sagt und packt aber auch wenig, als bedeute die dem Komponisten zugeschriebene „vollendete Meisterschaft“ bloß vornehme Gediegenheit oder Langeweile.
An Topoi der Romantik und impressionistischen Moderne orientiert sich auch sein 2015 vollendeter Zyklus „Dream of the Song“ nach Texten der altgranadischen hebräischen Dichter Ibn Gabirol und HaNagid des 11. Jahrhunderts und von Federico García Lorca. Neben aufgewühltem Agitato und klagendem Oboensolo über weichem Streicherteppich bietet diese Partitur auch ungewöhnliche Klangeffekte und Verschmelzungen von acht Frauenstimmen (Chorwerk Ruhr) mit dem Orchester und dem solistischen Conutertenor (Cameron Shahbazi). Höflicher Beifall.