Warum man diesen Kinofilm am besten nicht mit knurrendem Magen besucht.
Geschmackvolles Drama„Geliebte Köchin“ mit Juliette Binoche kommt in die Kölner Kinos
Kleine Vorwarnung: Bitte keinesfalls mit knurrendem Magen in diesen Film gehen! Es dürfte kaum auszuhalten sein, wenn all diese Köstlichkeiten mit frischesten Zutaten zubereitet werden. Knusprig gegartes Lammkarree aus dem Ofen! Steinbutt im Milchbad! Flusskrebse auf Gemüse! Man meint, die Speisen zu riechen, so appetitlich wird in der Küche eines französischen Anwesens Ende des 19. Jahrhunderts gebrutzelt, gebacken, gewürzt und auch angerichtet (gedreht wurde auf einem Schloss in Anjou).
Allein der Anblick der knirschgrünen Erbsenschoten, wunderbar ausgeleuchtet, lässt einem das Wasser im Mund zusammenlaufen. Wenn Köchin Eugénie (Juliette Binoche) am frühen Morgen im Garten die knackigsten Salatköpfe schneidet, möchte man nie wieder das schlappe Gemüse im Supermarkt anrühren. Und wenn ihr Chef Dodin (Benoît Magimel), ein zurückgezogen lebender Gastronom, ein Hühnchen mit Trüffel füllt, verzichtet man sofort auf das leidende Federvieh im Massenstall. Gekocht wird hier nur für eine Runde Freunde mit bestem Geschmackssinn.
Das Historiendrama „Geliebte Köchin“ des aus Vietnam stammenden und schon lange in Frankreich lebenden Regisseurs Tran Anh Hung („Der Duft der grünen Papaya“) ist ein sinnliches Fest für alle, die gern essen, aber auch für jene, die sich am wertschätzenden Umgang mit Lebensmitteln – und auch Menschen – erfreuen. Vegetarier und Vegetarierinnen dürften sich allerdings ausgeschlossen fühlen bei diesem fleischlastigen Genuss. Freunde des Fast Foods sowieso. Die Zubereitung der Speisen wird so detailgenau vor unseren Augen zelebriert, dass man unvermittelt nach eingeblendeten Rezepten zu fahnden beginnt. Jeder dampfende Topf ein Stillleben, jedes Kerzenensemble ein Lichterfest und jedes Blumengebinde ein Deko-Highlight (Kamera: Jonathan Ricquebourg).
Oft zeigt die Kamera uns die Speisen in Großaufnahme, von den Menschen dagegen nur die Arme und den Bauch. Verwundert es, dass gerade die Franzosen mit diesem Film ins Rennen um den Auslands-Oscar starten? Regisseur Tran Anh Hung würdigt diese Nation dafür, die Gastronomie gewissermaßen erfunden zu haben – von der Zusammenstellung eines Gerichts bis zum Tischgedeck. Der mit Michelin-Sternen überhäufte Koch und Berater Pierre Gagnaire hat mit seinem Team sämtliche Speisen am Set zubereitet.
Hier wird nichts Künstliches aufgetischt, so wie es oft schon aus Praktikabilitätsgründen der Fall ist. Gelegentlich sollen die Schauspieler und Schauspielerinnen einfach weitergegessen haben, wenn die Kamera längst wieder ausgeschaltet war. Und doch überrascht die Oscar-Entscheidung: Als Alternative hätte sich „Anatomie eines Falls“ angeboten, jener französische Gerichts- und Ehethriller, der seit Monaten auf den Gewinnerlisten sämtlicher Filmpreise ganz oben auftaucht und in dem die Deutsche Sandra Hüller brilliert. „Anatomie eines Falls“ spielt oben mit im Oscar-Rennen, „Geliebte Köchin“ ist abserviert. Letztlich stellt sich auch die Frage, ob die Geschichte dieses Kino gewordenen, zweistündigen Gourmet-Traums ebenso in den Bann schlägt wie die kulinarischen Attraktionen. Zwischen Eugénie und Dodin – Spitzname: „Napoleon der Kochkunst“ – auf ihrem Landsitz köchelt eine genauso zarte wie tragische Liebesgeschichte, sozusagen sous-vide gegart. Er liebt sie, und sie liebt ihn auch.
Doch lehnt Eugénie seine Heiratsanträge beharrlich ab und sperrt manchmal auch ihre Schlafzimmertür zu. Eugénie ist es viel wichtiger, seine Köchin zu sein als seine Ehefrau. Es dauert, bis Dodin dies erkennt. Wenn er seine Freunde zum abendlichen Schmaus um sich versammelt, bleibt sie in der Küche. „Ich spreche mit Ihnen doch durch die Gerichte“, sagt sie, wenn die reine Herrenrunde in ihrem Reich auftaucht, um ihre Kunst lobzupreisen. Dann erkrankt Eugénie. Nun kocht Dodin nur für sie, so als würde gutes Essen nicht nur sprichwörtlich Leib und Seele beisammenhalten, sondern auch ein sich unmerklich verflüchtigendes Leben retten können.
„La Passion de Dodin Bouffant“ heißt der Film denn auch im Original, eine Verfilmung des 1924 erschienenen Romans des Schweizer Schriftstellers Marcel Rouff. Leidenschaft, Liebe, Essen: Das hat auch im Kino schon immer zusammengehört. Hier sickert eine Traurigkeit ein, die sich mit keiner noch so kostbaren Weinbegleitung runterspülen lässt. Etwas aber stört den Sehgenuss: Auch bei noch so vielen Gängen bleibt diese Küche stets vorzeigbar. Eugénie und Dodin sehen wie aus dem Ei gepellt aus. Wann wird hier aufgeräumt? Streckenweise fühlt man sich in einen Kurs „Schöner Kochen mit Binoche“ versetzt, würde sich nicht dann und wann ein wehmütiges Lächeln um Eugénies Lippen legen.
Infos zum Film
Geliebte Köchin, Regie: Tran Anh Hung, mit Juliette Binoche, Benoît Magimel, 136 Minuten, FSK 6