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„Gewitter im Kopf“-YouTuberTim Lehmann geht jetzt auch seine eigenen Wege

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Tim Lehmann ist mit 2,26 Millionen Abos einer der erfolgreichsten YouTuber und schreibt und veröffentlicht jetzt auch Songs.

Köln – In einem anderen Leben ohne YouTuber, Influencer und schnellen Ruhm würde Tim Lehmann jetzt als Rettungssanitäter durch Bonn fahren. Ein Anfang-20Jähriger, der Rap mag und mit seinem Freund Jan abhängt – nichts Besonderes. Doch vor zwei Jahren fing Tim Lehmann an, zusammen mit eben diesem Freund Jan Zimmermann Videos bei YouTube hochzuladen. Schon drei Monate später hatten die beiden mit ihrem Kanal „Gewitter im Kopf“ eine Million Abonnenten. So schnell wird selten ein Kanal so groß. Und er wuchs immer weiter – heute haben mehr als zwei Millionen „Gewitter im Kopf“ abonniert.

Tim Lehmann: YouTube, Instagram, Buch und Single

Statt Rettungssanitäter ist Tim Lehmann jetzt also YouTuber und lebt einen Jungs-Traum mit allem Drum und Dran: auf Instagram machen die „Gewitter im Kopf“-Jungs Werbung für Burger-King, es gibt einen eigenen Merchandising-Shop, im Juni soll ein Buch über die beiden erscheinen. Und nun hat Tim Lehmann auch noch seine erste Solo-Single veröffentlicht.

Er dreht Videos mit bekannten Comedians und Rappern und längst wird er auch selbst auf der Straße erkannt: „Ich war früher schon Fan von einigen YouTubern, aber ich hätte nie gedacht, dass ich sowas mal selber machen würde. Klar als Jugendlicher denkt man sich: »Wäre voll cool, wenn das klappen würde«, aber kann sich das halt auch nicht vorstellen, dass es funktioniert“, erzählt er.

YouTuber als Berufs-Ideal

Tim Lehmann wurde 1999 geboren – in seiner Generation ist „YouTuber“ längst ein Berufs-Ideal wie „Profifußballer“.

Unser Gespräch findet in den Räumen seines Managements statt, Tim Lehmanns Song wird an diesem Tag um 23.59 Uhr veröffentlicht. Dem Zufall ist inzwischen nichts mehr überlassen.

Das war am Anfang ganz anders. Sie wollten eigentlich nur weiter über das Tourette-Syndrom aufklären, erzählt er. Das ProSieben Wissensmagazin „Galileo“ hatte eine Reportage über Jan Zimmermanns Erkrankung gesendet: „Wir haben gedacht, wir machen jetzt ein Video, wo wir ein paar Fragen beantworten und dann ist das Thema durch.“

„Gewitter im Kopf“: Erfolg war nicht kalkulierbar

Dass „Gewitter im Kopf“ dann so durch die Decke gegangen ist, konnte niemand kalkulieren. Die Videos zeigen Jan Zimmermanns körperliche Tics, seine Erkrankung äußert sich aber auch in offenbar unkontrollierten Ausrufen, Beleidigungen und Angriffen.

Er beißt seinen Freund, kippt ihm Ketchup über den Kopf. Ein kompletter Gegensatz zu seinem ansonsten ausgesucht höflichen Verhalten. Und das scheinen sehr, sehr viele interessant zu finden – und unterhaltsam.

Krankheit als Unterhaltung – ist das in Ordnung?

Ist das in Ordnung: Eine Krankheit als Unterhaltung? Eine Frage, mit der die beiden immer wieder konfrontiert werden. „Egal, warum jemand das Video anklickt: Wir haben es geschafft, dass derjenige sich mit dem Tourette-Syndrom auseinander setzt. Und das ist ja nur das Ziel, das wir mit dem Kanal erreichen wollen“, sagt Tim Lehmann und er sagt auch: „Uns wird ja oft vorgeworfen, wir würden das zu lustig darstellen, aber wir zeigen einfach nur unseren Alltag. Warum sollte Jan kein YouTube machen dürfen, nur weil er ein Tourette-Syndrom hat?“

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Es ist wohl auch die Geschichte ihrer Jungs-Freundschaft, die vielen so sympathisch ist: Zwei Kumpels, die zusammen halten und Spaß haben – trotz oder sogar mit Tourette. Die beiden kennen sich schon seit der fünften Klasse: „Die Leute feiern das einfach, wie lange wir schon befreundet sind und dass wir so aufeinander eingespielt sind.“  

Trotzdem geht Tim Lehmann jetzt also auch eigene Wege, jenseits von „Gewitter im Kopf“. Und veröffentlicht seinen ersten Solo-Song „Du fehlst“ über einem neuen YouTube-Kanal. Charts-tauglicher Pop-Rap, wie schon die zwei Singles, die er vorher mit Jan veröffentlicht hatte.

Zur Serie #Einflussreich

Wir sehen und hören sie jeden Tag: Auf Instagram, Twitter oder Youtube. Aber wer sind die Menschen hinter den Accounts, denen Zehntausende folgen? Warum posten sie Bikinifotos oder sprechen in Podcasts über intimste Details? Was treibt sie an, wie sieht ihr Arbeitsalltag aus?Das alles wollen wir in unserer Serie „Einflussreich“ herausfinden. Und dabei spannende Menschen kennenlernen.

„Du fehlst“: Ein Song über den Tod

Nur, dass er jetzt etwas sehr Persönliches thematisiert: Den Tod seines Opas. Ein sensibles Thema also, kein Ballermann-Hit. Das Marketing zum Song war allerdings weniger sensibel: So wurden die „Gewitter im Kopf“-Fans unter anderem im Unklaren gelassen, wer genau gestorben ist – viele machten sich deswegen erst einmal Sorgen um Jan Zimmermann. So geht größtmögliche Reichweite. Aber nicht: größtmögliche Sympathie.

Sogar „MontanaBlack“ kritisierte die Promo-Aktion in einem Video – ein YouTuber-Idol aus Tim Lehmanns Jugend, mit dem „Gewitter im Kopf“ auch schon zusammen gedreht haben.

Ziemlich zerknirscht entschuldigte Tim Lehmann sich dann auch – wiederum in einem Video, das er in einer schlaflosen Nacht aufnahm. So schnell kann ein Jungs-Traum auch mal zum Albtraum werden.

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„Es war mit Abstand die dümmste Aktion in meinem Leben“ schreibt er darunter und erklärt: „Weil man einfach zwei Jahre YouTube macht und sich immer noch nicht bewusst darüber ist, was das für Ausmaße hat, wenn man irgendwas hoch lädt oder postet.“ Auch dieses Video wurde inzwischen mehr als eine Millionen Mal aufgerufen.