Kölner Podcaster erzählenWie sich Rassismus anfühlt
Köln – „Kahvehanes sind Cafés, in denen ausschließlich Männer mit Migrationshintergrund unter Leuchtstoffröhren-Licht genüsslich ihren Çay trinken, Okey spielen und über Alltagsthemen sprechen.“ So schreibt es das multikulturelle Online-Magazin „renk.“ über seinen Podcast – und der heißt genau so: „Kahvehane“.
Damit zeigen die beiden Kölner Podcaster Fatima Remli und Erdal Erez auch gleich, wo sie stehen: Sie fühlen sich ihrer Kultur eng verbunden. Aber deswegen müssen sie nicht jeden Quatsch mitmachen. Das Ausschließen von Frauen in solchen Runden, beispielsweise.
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Ihre Kultur? Erdal Erez, 39, kommt aus Bielefeld, Fatima Remli, 36, aus Wermelskirchen. Beide sind dort geboren, aufgewachsen, zur Schule gegangen. In einer perfekten Welt könnte der Artikel hier enden, es gäbe es auch den Podcast nicht. Denn dann wäre es völlig egal, woher die Eltern der beiden kommen. Dann müssten sie nicht ständig erklären, warum sie aussehen, wie sie aussehen, heißen, wie sie heißen.
Der Wunsch, irgendwann unsichtbar zu sein
Aber perfekte Welt? Naja. „Tatsächlich ist das meine Wunschvorstellung, irgendwann unsichtbar zu sein. Zu sagen: »Ich bin Deutscher – und damit ist es gut.« Aber ich werde ja andauernd damit konfrontiert, in dem ich gefragt werde, woher ich komme, was meine Wurzeln sind“, sagt Erdal Erez.
Und deswegen hat er zusammen mit Fatima Remli beschlossen, offensiv mit dem Thema Kultur und Rassismus umzugehen. Und ihre Erfahrungen, ihre Gedanken dazu öffentlich zu machen. Als Autoren für das „renk.“-Magazin. Und eben als Podcaster.
Zum Magazin renk.
Das Magazin „renk.“ erscheint online und wurde 2013 von Melisa Karakus vor allem als deutsch-türkisches Kulturmagazin gegründet. Heute beschreibt sich „renk.“ als Magazin mit Perspektiven von und für „People of Color“ – schließlich bedeutet „renk.“ ja auch Farbe.
Spannend dabei ist, dass zwar beide aus Familien kommen, die in den 60er und 70er Jahren nach Deutschland gezogen sind. Aber Erdal Erez’ Eltern stammen aus der Türkei, die von Fatima Remli aus Marokko.
Und so haben sie zwar dieselben nervigen und niederschmetternden Erfahrungen mit Rassismus gemacht. Aber wenn sie beispielsweise in einer Podcast-Folge über Bräuche und Traditionen sprechen, staunen sie auch gegenseitig über die Kultur des anderen.
Als säße man in einem kleinen Café
Dieser Podcast fühlt sich tatsächlich ein wenig so an, als säße man am Nebentisch in einem kleinen Café und dürfte zufällig einer Unterhaltung lauschen. „Kahvehane“ ist keine anti-rassistische Nachhilfestunde (dabei ist Erdal Erez sogar Lehrer, Fatima Remli studiert Sozialpolitik).
Der Ansatz ist sehr offen und persönlich, die beiden sprechen über alles, was sie gerade bewegt. Sie sind beinahe Nachbarn in Köln-Nippes und haben sich vor ein paar Jahren über das „renk.“-Magazin kennen gelernt.
Inzwischen sind sie ein gut eingespieltes Team: „Wenn wir uns unterhalten und merken: „Wow, das ist jetzt gerade eine extrem gute Dynamik und das ist auch ein wichtiges und vielfältiges Thema, dann machen wir dazu eine Folge“, sagt Erdal Erez. Inspiration dazu bekommen sie aus der „renk.“-Redaktion, aber auch von ihren Hörern und Hörerinnen.
Zum Beispiel reden sie darüber, wie es sich anfühlt, als Kind mit Migrationshintergrund an deutschen Schulen und Universitäten abgestempelt zu werden. Und Erdal Erez erzählt in der Folge, dass ihn das Thema sogar noch als Lehrer verfolgt.
Aber es geht auch um: toxische Männlichkeit, Alltagsrassismus, Schamgefühl und Sexualität. „Durch uns bekommen alle eine Stimme, die über Sexualität mal ganz offen und ungeschönt reden wollen, aber nicht können – weil sie in einem komischen Freundeskreis haben oder zuhause nicht darüber gesprochen wird“, sagt Erdal Erez.
Keine eingefahrene Agenda
„Superwichtig“ finden die beiden es aber auch, dass ihr Podcast für Hörer und Hörerinnen spannend ist, die keinen Migrationshintergrund haben. „Die sagen dann vielleicht nach der Folge: „Krass, das hätte ich so nicht erwartet“, sagt Fatima Remli.
Sie legt Wert darauf, keine eingefahrene Agenda zu verfolgen: „Wir wollen emotional an die Leute ran und lassen sie teilhaben an unseren Gefühlen und unseren Erfahrungen und hoffen, damit eine Debatte auslösen zu können.“
Gemeinsamkeiten statt Unterschiede
Und das ist auch der Ansatz des „renk.“-Magazins: Die Gemeinsamkeiten verstärken, statt die Unterschiede in den Fokus zu rücken.
Wie kritisch die beiden dabei sich selbst gegenüber sind, zeigt die Folge über die Bräuche. „Die war teilweise auch von mir ein bisschen zu romantisierend“, gibt Erdal Erez zu. Darum haben sie jetzt für die zweite Staffel noch mal über das Thema gesprochen: „Die dunkle Seite der Bräuche“.
Außerdem geplant ist eine Folge über queere Migranten und Migrantinnen. Und die beiden wollen über ihre Erfahrungen mit der Dating-Szene erzählen.
Das ist lustig und unterhaltsam – aber nicht nur das. Wie wichtig ein solcher Podcast ist, hat gerade der WDR mit seiner Sendung „Die letzte Instanz“ bewiesen, in der Promis erschreckend unbedarft über Rassismus witzelten. Es gibt noch viel zu tun für Fatima Remli und Erdal Erez – leider.
Zur Serie #Einflussreich
Wir sehen und hören sie jeden Tag: Auf Instagram, Twitter oder Youtube. Aber wer sind die Menschen hinter den Accounts, denen Zehntausende folgen? Warum posten sie Bikinifotos oder sprechen in Podcasts über intimste Details? Was treibt sie an, wie sieht ihr Arbeitsalltag aus?Das alles wollen wir in unserer Serie „Einflussreich“ herausfinden. Und dabei spannende Menschen kennenlernen.