Glaube und CoronaIst der Papst ein Herrscher ohne Reich?

Finde den Papst: Franziskus leitete die Ostermesse statt vor Tausenden Pilgern im beinahe menschenleeren Petersdom.
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Köln – Als Stellvertreter Christi auf Erden ist man ohnehin der einsamste Mensch der Welt. Die Bürde des Amts kennen auch Politiker, aber nicht diejenige, von Sünden freisprechen zu können, unfehlbar zu sein und vor allem, sich vor niemanden verantworten zu müssen – außer, naja, Sie wissen schon.
In den letzten Tagen gab es viele Bilder, die diese Einsamkeit einfingen: Papst Franziskus auf den leeren Straßen Roms, in gefräßiger Finsternis bei der Karfreitagsmesse und schließlich am Ostersonntag im beinahe menschenleeren Petersdom. Selbst in Zeiten der Pest spendete der Papst den sündenlöschenden Segen Urbi et orbi vor einer riesigen Pilgerschar. Doch Corona macht ganz Rom zur verbotenen Stadt.
Der päpstliche Segen ist eine Geste der Macht
Die Massen der Gläubigen von der Benediktionsloggia herab zu segnen, gehört zu den ältesten und wichtigsten Demonstrationen päpstlicher Macht. Die Verlegung dieser Geste hinter die sicheren Mauern des Petersdoms könnte man also auch in Zeiten, in denen der Vatikan die digitalen Medien professionell bespielt, als Zeichen der Ohnmacht deuten. Als Demutsgeste gegenüber der säkularen Macht des italienischen Staates, dessen Ausgangssperren bis ins Innere der Vatikanstadt reichen; und als Eingeständnis, dass Franziskus zur Risikogruppe gehört und diesen Kelch so lange es geht an sich vorübergehen lassen will. Angesichts des leeren Petersdoms könnte man die Frage stellen, was der Papst ohne die Gegenwart der Gläubigen ist: ein Herrscher ohne Reich?
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Nicht ganz. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Im Bildprogramm des Papstes gehören Macht und Ohnmacht, Stärke und Schwäche, Gemeinschaft und Einsamkeit durchaus zusammen; mitunter bedingen sie einander. Sicher soll der Papst volksnah sein, aber eben wie ein Hirte seinen Schafen nahe ist. Er darf Schwäche zeigen, weil er wie Jesus menschlich ist, und wenn er dies tut, verwandelt sie sich in eine Stärke; unvergessen das lange Leiden des schwer erkrankten Johannes Paul II., dessen geistliche Autorität durch den körperlichen Verfall eher befördert wurde.
Auch in Coronazeiten sollte man Gott nicht auf die Probe stellen
Das Bild des einsamen Papstes führt zurück zu Jesus Christus, als dessen Stellvertreter auf Erden er weiterhin gilt. Auch den historischen Jesus sehen wir allein, wenn auch selten; meist folgen ihm die gläubigen Scharen oder wenigstens das Dutzend Jünger. In der Wüste leistete ihm der Teufel Gesellschaft, weshalb wir heute wissen, dass der Mensch nicht von Brot allein lebt und man den christlichen Gott weder in Coronazeiten noch irgendwann auf die Probe stellen soll. Kirchengeschichtlich heikler war die dritte Versuchung: Reichtum und Macht.
Im Garten Gethsemane suchte Jesus die einsame Zwiesprache mit seinem Schöpfer, was manchem Kleriker zwar verdächtig ist (ungestört mit Gott wurde so mancher Katholik zum Reformator), aber letztlich zum Kern des christlichen Glaubens gehört. Was mag Franziskus diese Ostern unter der prächtigen Kuppel des Petersdoms gefunden haben? Sicher keine neuen Einsichten. Aber vielleicht eine alte: Jeder stirbt für sich allein. Diese Bürde kann uns niemand nehmen. Auch der Papst nicht. Aber er kann sie verkörpern.