Die 81. Golden Globes sollten den in Verruf geratenen Preis aus der Krise führen. „Oppenheimer“ räumte ab, bleiben wird etwas ganz anderes.
Golden Globes 2024Nur Gillian Andersons Vulva-Kleid wird uns in Erinnerung bleiben
Im Beverly Hilton Hotel wurden am Sonntagabend (7. Januar) die Golden Globes verliehen. Zu berichten gibt es nicht viel. Außer vielleicht, dass es schmerzhaft war, mitanzusehen, wie der Moderator der Sendung, der Stand-Up-Comedian Jo Koy, vor der versammelten Hollywood-Prominenz mit seinen generischen Witzchen durchfiel.
Mitten im Eröffnungsmonolog schob Koy erst seine extrem kurzfristige Berufung vor, gab dann seinen Autoren die Schuld. Kein kluger Schachzug, so kurz nach dem größten Autorenstreik seit Jahren. Schließlich versuchte der 52-Jährige die Situation mit einer Bemerkung über Taylor Swifts Dauerpräsenz in TV-Übertragungen der National Football League zu retten: Die Regie schnitt auf Swift, die mit verkniffenem Gesicht die Sektflöte zum Mund führte. Das war der Todesstoß.
Golden Globes: Gillian Anderson stiehlt Hollywood-Stars die Show
Ach, und Preise gab es natürlich auch noch: Die Globes markierten das Ende der Zweckgemeinschaft Barbenheimer. Während sich „Barbie“ mit Trostpreisen begnügen musste – einen Globe für Billie Eilishs Song „What Was I Made For?“, einen in der neuen, offensichtlich für ungeliebte Blockbuster reservierten Kategorie „Cinematic and Box Office Achievement“ – räumte „Oppenheimer“ bei den wichtigen Auszeichnungen ab: bestes Drama, Cillian Murphy als bester Hauptdarsteller, Robert Downey Jr. als bester Nebendarsteller, beste Regie für Christopher Nolan und beste Musik für Ludwig Göransson.
Vor zweieinhalb Jahren schienen die Golden Globes am Ende. Scarlett Johansson und andere Stars hatten zum Boykott der Preisverleihung aufgerufen, Tom Cruise seine drei Globes aus Protest zurückgegeben. Der Sender NBC erklärte, die Gala nicht mehr ausstrahlen zu wollen, Netflix, Amazon Studios, Warner Bros. und HBO beschlossen, die Zusammenarbeit mit der Hollywood Foreign Press Association (HFPA) vorerst auszusetzen. Die Gruppe, bestehend aus etwa 100 internationalen Journalisten, vergab seit 1944 die Film- und Fernseh-Preise.
Gerüchte über Korruption gab es von Anfang an. Doch als die „Los Angeles Times“ eine ganze Reihe von Unregelmäßigkeiten aufdeckte, von ethisch zumindest Fragwürdigem bis zu einem eklatanten Mangel an Diversität – unter anderem wurde bekannt, dass die Organisation kein einziges schwarzes Mitglied hat –, schien „Hollywoods Party des Jahres“ ausgefeiert zu haben. Da reichte auch die Ankündigung weitreichender Reformen von Seiten der HFPA nicht aus. Inzwischen hat sich die Gruppe aufgelöst und Dick Clark Productions hat die Marke übernommen. Der Fernsehkonzern produziert unter anderem auch die Country Music Awards und die American Music Awards. Die Live-Show ist nun auf CBS zu sehen, in Deutschland wurde sie nicht ausgestrahlt.
Die Stars bekommen Präsent-Taschen im Wert von 500.000 Dollar
Viel Aufsehen erregender als die – durchwegs verdienten – Gewinner in den anderen Kategorien oder die sich nur mit Mühe über die Länge der Ausstrahlung dahinschleppende Zeremonie, war einmal mehr das Schaulaufen über den roten Teppich. Über die Star-Dichte konnte man sich bei den wiederbelebten Golden Globes nämlich nicht beschweren.
Als Ausgehevent waren sie schon immer beliebt, gerade weil man sie nicht so furchtbar ernst nimmt. Wegen der offenen Bar, der günstigen und mit keinen weiteren Verpflichtungen verknüpften PR-Gelegenheiten und nicht zuletzt wegen der Präsent-Taschen, von denen jede Produkte und Leistungen im Gegenwert von 500.000 Dollar enthalten soll.
Es war aber weder Taylor Swifts glitzernd-mambagrünes Kleid oder Dua Lipas schwarzes Schwanzflossen-Ensemble mit knochenartigen Goldverzierungen, noch Margot Robbies Barbie-gemäßes Armani-Paillettenkleid samt Federboa in Hot Pink, das hier den Aufmerksamkeitspreis gewann. Auch nicht das wunderschöne Louis-Vuitton-Schleppenkleid mit tiefem V-Ausschnitt und aufgesticktem Pailletten-Blumenmotiv von Emma Stone, die später Robbie den Globe als beste Comedy-Darstellerin wegschnappte.
Vulva-Kleid von Gillian Anderson war der Hingucker bei den Golden Globes in Los Angeles
Sondern Gillian Andersons elfenbeinfarbenes, trägerloses Kleid von Gabriela Hearst. Das würde man auf den ersten Blick als klassischen Chic beschreiben, bei näherer Betrachtung fielen jedoch die aufgestickten Motive ins Auge: Andersons Robe zierten zahllose Vulven. Sie habe es aus so vielen Gründen getragen, orakelte die Schauspielerin auf Anfrage. Noch dazu sei es der Marke angemessen. Sie spielt zurzeit eine Sextherapeutin in der britischen TV-Serie „Sex Education“.
Wahrscheinlich weiß in einem Jahr niemand mehr, wer 2024 einen Golden Globe gewonnen hat, aber an das Vulva-Kleid wird man sich noch lange erinnern. Und hoffentlich auch noch an Lily Gladstones Rede. Die Hauptdarstellerin von Martin Scorceses „Killers of the Flower Moon“ gewann den Preis für die beste Schauspielerin in einem Kino-Drama. Sie bedankte sich zuerst in der Sprache der Blackfeet und erinnerte dann an die einst gängige Hollywood-Praxis, indigene Schauspieler ihren Text auf Englisch einsprechen zu lassen, um diesen rückwärts als pseudo-indigenes Kauderwelsch nachzusynchronisieren. Ein paar Dinge ändern sich also doch zum Besseren.