AboAbonnieren

Grammy AwardsKim Petras gewinnt als erste trans Frau – und erste Kölnerin

Lesezeit 5 Minuten
Kim Petras (l.) und Sam Smith, Gewinner des Preises für die beste Pop-Duo/Gruppen-Performance für "Unholy", posieren im Presseraum bei der Verleihung der 65. Grammy Awards.

Kim Petras (l.) und Sam Smith, Gewinner des Preises für die beste Pop-Duo-Performance für „Unholy“

Kim Petras hat zusammen mit Sam Smith den Grammy für das beste Pop-Duo gewonnen. Es gab stehende Ovationen.

Beyoncé mag bei den 65. Grammy Awards mit nun insgesamt 32 Trophäen Sir Georg Soltis alten Rekord als meist ausgezeichneter Musiker gebrochen haben, in Köln konnte man sich indes über eine andere Auszeichnung ganz besonders freuen: Kim Petras, in Köln geborene Sängerin und der/die nicht-binäre britische Sänger/in Sam Smith wurden für ihren Clubhit „Unholy“ mit dem Grammy für das beste Pop-Duo ausgezeichnet. Die 30-jährige Deutsche ist damit der erste trans Mensch in der Geschichte der Grammys, der in dieser Kategorie gewonnen hat.

Der erste trans Mensch, der einen Grammy gewonnen hat, war die Elektronik-Pionierin Wendy Carlos für „Switched on Bach“ im Jahr 1970. Carlos lebte damals zwar bereits als Frau, das Album war allerdings noch unter ihrem vormaligen Namen Walter Carlos erschienen.

Wegen der historischen Dimension des Gewinns überließ Sam Smith Kim Petras generös die Dankesrede. Das Publikum in Los Angeles feierte sie mit einer Standing Ovation. „Ich will nur all den unglaublichen Transgender-Legenden vor mir danken, die diese Türen für mich geöffnet haben, damit ich heute Abend hier sein kann“, sagte Petras. „Ich bin an einer Autobahn mitten im Nirgendwo in Deutschland aufgewachsen [für Ortskundige: Uckerath, dazu gleich mehr]. Und meine Mutter hat mir geglaubt, dass ich ein Mädchen bin. Ohne sie wäre ich nicht hier.“

Kim Petras aus Köln bedankt sich bei Grammys auch bei Madonna

In ihrer Rede bedankte sich Petras auch bei Madonna, die sich immer für LGBTQ-Rechte eingesetzt habe und erinnerte an ihre Freundin Sophie. Die trans Frau aus Glasgow galt als visionäre Pop-Produzentin. Sie starb vor zwei Jahren nach einem Balkonsturz in Athen.

Kurz darauf performten Petras und Smith „Unholy“ dann auf der rot glühenden Grammy-Bühne – Sam Smith als gehörnter Teufel, Kim Petras in einem Raubtierkäfig, von ebenfalls teuflisch kostümierten Tänzerinnen und Tänzern bewacht.

„Unholy“ führte im Herbst 2022 zuerst die britischen und eine Woche später auch die US-amerikanischen Charts an - und schrieb Geschichte: Denn Sam Smith war die erste nicht-binäre Person und Kim Petras die erste trans Person an der Spitze der Billboard-Charts. Smith war zwar Chart-Erfolge gewöhnt, seit 2014 führte er/sie achtmal die Charts im heimischen Großbritannien an, in den USA hatte es zuvor jedoch nur zum 2. Platz gereicht, 2014 mit der Single „Stay With Me“. 2015 sang Smith den Titelsong des James-Bond-Films „Spectre“, 2017 outete er/sie sich als nicht-binär. In den Hitparaden war es um Smith vor „Unholy“ eher ruhig geworden.

Grammy Awards: Kim Petras seit geraumer Zeit als Geheimtipp gehandelt

Die deutsche Sängerin und Songschreiberin Kim Petras wird bereits seit geraumer Zeit als Geheimtipp gehandelt, in LGBTQ-Kreisen ist sie mit ihrem Hyperpop freilich längst ein Star. Petras wurde 1992 als Junge geboren, begann jedoch bereits im Alter von zwei Jahren bevorzugt Mädchenkleidung zu tragen. Mit fünf Jahren, so hat es sie es in einem Interview mit der „Zeit“ erzählt, sei sie mit einer Schere durch ihr Zimmer gerannt, um sich von dem Geschlechtsmerkmal zu befreien, mit dem sie sich nicht identifizieren konnte.

Ihre Eltern zeigten von Anfang an Verständnis für die Wünsche ihres Kindes, ihre Umgebung, von konsultierten Ärzten bis zu den Mitschülern, eher nicht. Auf dem Pausenhof wurde Petras gemobbt – und flüchtete sich früh in die Popmusik.

Kim Petras ist in Köln geboren und im Hennefer Stadtteil Uckerath aufgewachsen

Der Erfolg mit „Unholy“ bedeutet für sie die Erfüllung eines langgehegten Traums. Auch für die Menschen aus Köln und Umgebung markieren die Nummer-Eins und ein historisches Datum: Kim Petras ist in Köln geboren, aufgewachsen ist sie im Hennefer Stadtteil Uckerath. Kein Mensch aus Köln stand je zuvor an der Spitze der Billboard-Charts.

„Unholy“ ist nicht der erste Hit mit NRW-Beteiligung: Kraftwerk aus Düsseldorf erreichten 1975 mit „Autobahn“ Platz 25 (in den Album-Charts sogar Platz 5), Nena aus Hagen schaffte es 1983 mit „99 Luftballons“ sogar bis zur Nummer 2. Zuletzt war das in Köln gegründete Trio AnnenMayKantereit mit einer Coverversion von Susan Vegas „Tom’s Diner“ in die amerikanischen Charts eingestiegen, auf Platz 78.

Kim Petras glänzt mit glänzendem Plastik-Pop

Als Kind, sagte Petras gegenüber der BBC, hätte sie es gerne gesehen, wenn eine trans Frau oder ein trans Mann Nummer Eins geworden wären, aber nicht für möglich gehalten. „Unholy“ ist nun ein echter Überraschungserfolg, ein sexuell aufgeladener Club-Banger, theatralisch, kitschig, schwul. Und viel näher an Kim Petras‘ Verständnis von glänzendem Plastik-Pop, als an Smiths verletzlicher Balladenkunst.

Schon vergangenen August hatte Smith erste Teaser auf TikTok veröffentlicht. Ein Video, das Smith am Mischpult mitsingend und Petras hinter ihm durchs Studio tanzend zeigt, wurde inzwischen 123 Millionen Mal gesehen. Das offizielle Video der Regisseurin Floria Sigismondi – die unter anderem für Clips von David Bowie, Katy Perry, Rihanna und Dua Lipa verantwortlich zeichnet – kommt sehr viel opulenter daher, es zeigt einen betrügerischen Ehemann, dem in einem queeren Cabaret-Club genüsslich der Prozess gemacht wird.

Kim Petras mit 13 Jahren schon bei „Stern TV“

In Deutschland erlangte Kim Petras bereits als 13-jährige Fernsehruhm, als sie zusammen mit ihren Eltern bei „Stern TV“ auftrat und ihre Hormonbehandlung beschrieb. Im darauffolgenden Jahr konnte man sie in der Vox-Reportage „Mann oder Frau?“ sehen. Im November 2018 gab Petras auf ihrem Blog bekannt, geschlechtsangleichend operiert worden zu sein. Damit galt sie als die weltweit jüngste Transsexuelle, die sich dieser Behandlung unterzogen hatte.

Kurz zuvor hatte sie ihre erste Single „Fade Away“ in Deutschland veröffentlicht. Doch deutsche Musikmanager fanden ihren Stil zu Pop-lastig, woraufhin Petras 2011 nach Los Angeles umzog, zuerst als Songschreiberin erste Erfolge fand und bald auch ihre ersten Singles, EPs und Alben unter eigenem Namen herausbrachte. Mit einem Cover von Kate Bushs „Running Up That Hill“ war sie dieses Jahr schon einmal in die Hot 100 eingestiegen.

Auf „Unholy“ soll bald ihre Solo-Single „If Jesus Was A Rockstar“ folgen, produziert hat die Max Martin, der erfolgreichste Hitmacher aller Zeiten. Die Chancen für die Grammy-gekrönte gebürtige Kölnerin, bald erneut die US-Charts anzuführen, stehen also nicht schlecht.