Eliahu Inbal und Elisabeth Leonskaja begeisterten das Publikum beim Gürzenich-Abokonzert in der Kölner Philharmonie.
Gürzenich-KonzertEin Statement im Sinn der klassischen Werksubstanz

Elisabeth Leonskaja war in der Kölner Philharmonie zu Gast.
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„Zu guter Letzt“ – dieser Rahmentitel für das jüngste Gürzenich-Abokonzert war missverständlich und daher auch etwas unglücklich gewählt. Letzte Werke? Nun ja, Schostakowitschs 15. Sinfonie steht chronologisch am Ende eines Oeuvres, Beethovens fünftes und in der Tat letztes Klavierkonzert aber keineswegs. Oder wollte man auf das Alter des illustren Gastdirigenten hinweisen – Eliahu Inbal wird im kommenden Jahr 90 und befindet sich damit unstrittig im Herbst seiner Karriere? Eine solche Interpretation wäre indes nicht nur uncharmant, sondern ginge auch in der Sache fehl, denn die aktuelle Performance des israelischen Maestro gab keinerlei Anlass, über altersbedingt nachlassende Gestaltungskraft Klage zu führen. Von großzügig-mildem Gewährenlassen konnte angesichts der hellwachen und detailgenauen Direktiven vom Pult aus keine Rede sein.
Der begeisterte Beifall verteilte sich gleichmäßig auf beide Stars
Das eröffnende Tutti des Beethoven-Konzerts kam wuchtig und glänzend bei forciertem Einsatz von Pauken und Trompeten. Aber wer sich darob auf eine etwas schwerfällig sinfonische Breitwand-Darstellung aus der Vergangenheit der Beethoven-Deutung einstellen wollte, wurde kurz darauf und dann immer wieder aufs Neue durch ein wunderbar leises und delikates, auch rhythmisch sehr präsentes Motivspiel der Instrumentengruppen positiv überrascht.
Ebenso bekam nach der Pause der Schostakowitsch ein unverwechselbares Klangsiegel aufgedrückt. Beträchtliche Virtuosität der vielfach solistisch geführten Orchesterinstrumente – die Spieler agierten, jedenfalls in der Aufführung am Montagabend, allesamt auch höchstem Niveau – wird hier mit einer gespenstischen Auszehrung des Geschehens kombiniert. Man hat als Hörer keinerlei Anlass, der scheinhaften Munterkeit froh zu werden, auch nicht derjenigen in Gestalt des Rossini-Zitats im ersten Satz. Tatsächlich ist sie zum Heulen, aber ein gutes Dirigat muss davon auch mehr als nur eine Ahnung herüberbringen. Das gelang jetzt aufs Nachdrücklichste, gerade der vierte Satz mit seinem Xylophon-Gewitter – Herzklabaster oder Knochentanz? – wuchs hier in die Reihe der tragischen Finallösungen der Musikgeschichte hinein, Tschaikowskys „Pathétique“ genauso nahe wie Mahlers neunter Sinfonie.
Mit Elisabeth Leonskaja am Flügel war eine Solistin eingekauft worden, deren legendärer Ruf den des Sparringpartners am Pult möglicherweise noch übertrifft. Wie auch immer, der begeisterte Beifall des Publikums verteilte sich legitimerweise gleichmäßig auf beide Stars. Die Linie von Leonskajas Beethoven-Interpretation zeigte sich gleich in den die Es-Dur-Kadenz umspielenden Introduktionstakten noch vor der Orchesterexposition. Andere Solisten genehmigen sich da, den vermeintlichen Improvisationscharakter herauskehrend, viele rhythmische Freiheiten. Die in Österreich ansässige Russin hingegen spielte sie klar, konzise und ziemlich a tempo – ein Statement im Sinn der klassischen, nicht romantischen Werksubstanz (die Romantik kam dann noch in der Zugabe, dem schwebend-melancholisch gespielten Chopin-Nocturne opus 27/2 gebührend zur Geltung). Genau modellierender Zugriff (etwa in den Oktavkaskaden der Durchführung im ersten Satz), plastische Konturen, gelegentlich ein explosiver Neueinsatz oder die Betonung einer Takt-Eins, alles technisch souverän und streng werkbezogen ohne subjektivistische Allüren – es war im Resultat eine wahrhaft inspirierte Beethoven-Interpretation. Und dass eine klassizistische Orientierung nicht Poesiearmut bedeutet, zeigte berückend die kantable Beseelung des langsamen Satzes.