Händel hört Led ZeppelinCountertenor Valer Sabadus in der Kölner Rufffactory
Köln – Die Hardcore-Klassik geht brutal fremd und covert Led Zeppelin – wär hätte das gedacht? Aber die Corona-Krise zeitigt offensichtlich nicht nur kulturelle Flurschäden, sondern treibt auch, was Agenda und Formate von Veranstaltern und Künstlern anbelangt, üppige Fantasieblüten. Das war jetzt beim Konzert der Reihe „zamus: unlimited“ zu erleben, letztlich einem Nachholtermin des im Frühjahr ausgefallenen Kölner Festes der Alten Musik: Zusammen mit dem aus Sankt Petersburg stammenden vorzüglichen Originalklang-Ensemble Ludus Instrumentalis um seinen Konzertmeister Evgeni Sviridov brachte der gefeierte Counter Valer Sabadus Perlen seines Metiers zu Gehör und darunter neben Dowland, Händel, Porpora und Mozart am Schluss eben auch „Stairway to Heaven“ in einem eigens für die Formation erstellten Arrangement zu Gehör.
Led Zeppelin im Barockgewand mit Streichern, Cembalo und Theorbe – das ist schon ziemlich gewöhnungsbedürftig. Immerhin überließ sich Sabadus mit spürbarer Ekstase dem Höhenrausch des Repetitiven. Seine Stimme ist sicher kein Rock-Organ, er kann seine Herkunft nicht verleugnen. Aber in ihrer großartigen Leuchtkraft und Reinheit ist sie so oder so herrlich anzuhören, die Problematik der Genrekreuzung kann man als Zuhörer darüber glatt vergessen.
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Led Zeppelin war indes nicht das einzige Ungewöhnliche an diesem Abend. Location war die Rufffactory in der Ehrenfelder Marienstraße, eine frühere Fabrikhalle, die erst im März ihren Einstand als Konzert-Ort gefeiert hatte. Mit 75 auf Abstand sitzenden Zuhörern bei weitem nicht gefüllt, wartet sie mit einer ausgezeichneten Akustik auf: Stimmen und Instrumente ertrinken nicht im Nachhall, werden aber auch nicht geschluckt und ausgedörrt. Für solche Kammerkonzerte ein nahezu idealer Raum.
Darüber hinaus betätigte sich Sabadus recht gewinnend als Moderator eines Gesprächskonzerts, in dem er Technisches zum Counter-„Ziergesang“ beisteuerte und einen informativen Streifzug durch dessen Geschichte (teils mit zugespielten Beispielen von Kollegen) unternahm – von der ausgehenden Renaissance bis hin zur Popsphäre des 20. Jahrhunderts. So erfuhr man zum Beispiel, dass die Counters schon lange vor den Kastraten „da“ waren. Ursprünglich für Kastraten bestimmte Partien der Barockzeit sind heute ebenfalls ein reiches Betätigungsfeld der Altisten – jetzt, wie erwähnt, dargestellt anhand von Arien der Londoner Opernkonkurrenten Händel und Porpora.
Die Hosenrollen der Opernliteratur locken die Altisten gleichfalls an, wobei sich – hier im Fall des Cherubin aus dem „Figaro“, den Sabadus mit „Voi che sapete“ vorstellte – eine bemerkenswerte dreifache Illusionsstaffelung ergibt: Ein Mann singt die Partie einer Frau, die ihrerseits einen Mann darstellt. Hier wie dort bewies der Deutschrumäne in Sachen Verzierungskunst, Dissonanzbewusstsein, gestische Eindringlichkeit und hochartifizielle, aber sehr natürlich herüberkommende Stimmschönheit wieder einmal, dass er zu den Besten seines Metiers gehört.