- Der Programm-Kalender der Kölner Philharmonie ist gut gefüllt, doch der Saal ist es bei weitem nicht. Obwohl es deutlich weniger Sitzplätze gibt, sind diese längst nicht besetzt.
- In der Philharmonie herrscht angesichts des dramatischen Besucherrückgangs Alarmstimmung. Wie sieht es bei der Oper und im Schauspiel Köln aus?
- Lesen Sie hier die Hintergründe.
Köln – „Mau nennen Sie das?“, fragt Sebastian Loelgen, Pressesprecher der Kölner Philharmonie, rhetorisch zurück: „Das ist vornehm ausgedrückt, ich würde es katastrophal nennen.“ Es ist die schwache Auslastung der philharmonischen Konzerte in der soeben angelaufenen neuen Saison, die das Management um Intendant Louwrens Langevoort in Alarmstimmung versetzt.
Langevoort ergriff denn auch am Sonntagabend angesichts der leeren Sitzblöcke beim Liederabend von Julian Prégardien die Gelegenheit, eindringlich an die Anwesenden – nur rund 300 von 1000 möglichen Plätzen waren besetzt – zu appellieren: „Sagen Sie Ihren Freunden und Bekannten: Die Philharmonie ist wieder da, steht offen für Sie, und es gibt tolle Konzerte.“
Es ist eine Saisoneröffnung im Zeichen der fortwirkenden Corona-Krise, und deren Auswirkungen schlagen nach wie vor voll auf den Konzertbetrieb durch – übrigens in allen Konzerthäusern, wie Loelgen zu berichten weiß. Kölns Philharmonie ist da keine Ausnahme. Nun mag ein schwach besuchter Liederabend noch keinen Anlass für Panik liefern, aber die Aussichten – sprich: der Vorverkauf für die kommenden Konzerte – sind eben auch schlecht. Und dabei geht es nicht nur um die Kammermusik-Abende des Minguet- und des Artemis-Quartetts, sondern auch um einen Spitzentermin wie das Gastspiel der Münchner Philharmoniker unter Valery Gergiev samt der illustren Solistin Janine Jansen am kommenden Samstag.
Das könnte Sie auch interessieren:
„Etwa 70 Prozent der Kunden haben“, stellt Loelgen auch unter Hinweis auf anderweitige Erhebungen fest, „konkrete oder diffuse Corona-Ängste“ – trotz der Abstandsregeln, der Maskenpflicht während der Konzerte und anderer Vorsichtsmaßnahmen. Vielleicht schreckt auch gerade die Aussicht, einen kompletten Abend mit Maske in der Philharmonie zu sitzen, etliche ab? „Auch das mag sein“, antwortet Loelgen, „obwohl wir auch Rückmeldungen haben, dass das Maskentragen gar nicht so schlimm wie vielleicht befürchtet ist“. Für möglich hält der Pressesprecher, dass manche den organisatorischen Aufwand mit Online-Anmeldung und Registrierung scheuen. Wie sieht es an der Abonnentenfront aus? „Die Abos mit den großen Orchestern haben wir ja aufgelöst, und bei den Lieder- und Kammermusik-Abos bekommen wir zu hören: Wir haben zwar ein Abo, lassen den nächsten Termin aber trotzdem ausfallen.“
Selbstredend tut die Philharmonie viel, um dem Trend entgegenzusteuern: „Wir machen das mit Kunden-Videos und Presse-Statements oder auch, wie am vergangenen Freitag, mit einem Video von Langevoort, dem WDR-Chefdirigenten Christian Măcelaru und Gürzenich-Kapellmeister François-Xavier Roth, in dem die drei auch noch einmal direkt dazu einladen, wieder in die Philharmonie zu kommen.“ Außerdem sei eine Kampagne geplant, die die Einmaligkeit des Live-Erlebnisses und die Sicherheit der Besucher herausstellt. Und es gebe Special-Veröffentlichungen sowie werbende Texte und Filme auf der Homepage.
Ganz anders sieht es bei den städtischen Bühnen aus. Ein Zögern der Besucher beim Vorverkauf könnte sie überhaupt nicht feststellen, sagt etwa Jana Lösch, die Pressesprecherin des Schauspiel Köln. „Die Zuschauer sagen uns eher, wie sehr sie sich darüber freuen, dass wir wieder da sind.“ Viele Vorstellungen seien bereits ausverkauft.
Drastisch reduzierte Kapazitäten
Was freilich auch an den zum Teil drastisch reduzierten Kapazitäten liegt (und den Vergleich mit der Philharmonie erschwert). Die ändern sich von Produktion zu Produktion: Zum Spielzeitauftakt mit „Warten auf Godot“ wurde das Publikum über die gesamte Bühnenfläche des Depot 1 auf 120 Plätze verteilt, das Stück fand derweil auf der Zuschauertribüne statt. Auch die zweite Premiere im Depot 2 verzichtete auf den üblichen Zuschauerraum, auf der Bühne verteilten sich 75 Vorstellungsbesucher an den vier Seiten der rechteckigen Spielfläche über jeweils zwei Reihen.
Wenn Intendant Stefan Bachmann kommenden Samstag die deutsche Erstaufführung von Elfriede Jelineks Stück „Schwarzwasser“ zeigt, werden diese sogar nur 42 Personen verfolgen können. „Schwarzwasser“ war die erste Kölner Premiere, die in der vergangenen Spielzeit wegen Corona abgesagt werden musste. Nun hat Bachmann seine Inszenierung zum Stationendrama umgearbeitet. Gespielt wird gleichzeitig an sechs Orten in und um das Depot (aber nicht auf den Bühnen) vor jeweils sieben Zuschauern, die vom einen zum anderen Spielort defilieren, es herrscht Maskenpflicht.
Ende des Monats bringt Ersan Mondtag mit „Wut“ gleich das nächste Jelinek-Stück zur Aufführung, im Depot 1 stehen 130 Plätze zur Verfügung. Eine andere Lösung hat Haus-Choreograph Richard Siegal für seinen „New Ocean Sea Cycle“ gefunden. Er hat sein Werk zur sechsstündigen Installation umgeformt, Besucher werden im Dreiviertelstundentakt eingelassen, höchstens 50 dürfen sich gleichzeitig im Depot 1 aufhalten.
Zufrieden mit den Anmeldezahlen ist auch die Oper, wo als erste Neuproduktion am 3. Oktober „Die Zauberflöte“ an den Start geht. Die Premiere im Saal 1 des Staatenhauses (coronabedingte Kapazitätsbeschränkung auf 300 Zuschauer, wie im Saal 2) ist laut Pressesprecherin Silke Ufer „nahezu ausverkauft“, und auch bei den 20 Folgeaufführungen sehe es gut aus. Allerdings müssten die Interessenten ihre bisherigen Reservierungen noch in tatsächliche Ticketkäufe umsetzen.