Hape Kerkeling wird 60 Jahre alt und spricht im Interview über seine Karriere, private Schicksalsschläge und die Angst um unsere Demokratie.
Hape Kerkeling wird 60Köln ist eine „besonders tolerante Stadt in Deutschland“
Herr Kerkeling, in dem Dokumentarfilm über Sie, den die ARD an Ihrem Geburtstag ausstrahlt, sprechen Sie davon, unverschämtes Glück in Ihrer Karriere gehabt zu haben. Wie viel Talent, Fleiß und Ausdauer bracht es für Erfolg und wie viel Glück?
Man muss der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein. Das muss sich fügen. Ich glaube, das ist bei jeder Karriere so. 51 Prozent des Ganzen ist Glück und der Rest sind Talent, Fleiß und Disziplin.
Bei allem Glück und allem Fleiß - was ist Ihr größtes Talent, was können Sie besser als andere?
Ich bin ehrlich gesagt nie besonders karriereversessen gewesen. Ich wollte schon, dass es kontinuierlich weiter geht, und mich künstlerisch ausdrücken, aber dazu hätte mir auch eine Radiosendung gereicht oder ein Sendeplatz um 23.15 Uhr. Ich hätte nicht zwingend in die Primetime gemusst. Im Gegenteil, ich dachte sogar mal zwischendurch, Anfang der 90er, super, jetzt bist du in der zweiten Reihe der Showmaster, hier bleibst du. Lass die anderen mal schön in der Schusslinie stehen. Hier moderiert es sich gut bis zur Rente durch. Bis ich dann feststellte, vor mir ist keiner mehr, ich stehe in der ersten Reihe – darüber war niemand überraschter als ich.
Und wenn Sie zurückblicken, was waren die Wegmarken, die Ihre Karriere bestimmt haben?
Immer wenn ich irgendwo rausgeflogen bin, war das die entscheidende Wegmarke. Als ich beim WDR 1986 rausflog, stand ich da und musste mich völlig neu erfinden. Mit 22 eine Karriere zu beenden, ist ein bisschen früh. Ich wollte mich nicht so leicht geschlagen geben und dachte, ein bisschen Musik ist da vielleicht noch drin. Dann habe ich es erst bei Radio Bremen probiert, dann beim Bayerischen Rundfunk. Und so ging's weiter.
Hape Kerkeling: Ich habe immer gezweifelt
Haben Sie gezweifelt in diesen Momenten oder waren Sie sicher, dieser Schritt muss sein?
Ich habe immer gezweifelt. Es gehört dazu, sich zu hinterfragen. Wir sehen das bei Formaten wie „Deutschland sucht den Superstar“. Die mit dem großen Selbstbewusstsein, die glauben, sie treffen jeden Ton, sind leider meistens auch diejenigen, die daneben singen. Deswegen ist für mich das Zweifeln Bestandteil einer jeden Kunst.
Ich habe immer Ihren Mut bewundert, sich in Situationen wie den Beatrix-Staatsbesuch zu werfen. Vielen Menschen wäre das schrecklich unangenehm, bei Ihnen wirkt das aber ganz leicht. Hat Sie das Überwindung gekostet?
Ja, klar. Ich ticke doch völlig normal. Wenn mich das keine Überwindung kosten würde, hätte ich ja nicht alle Latten am Zaun. Das soll so aussehen, als fiele mir das leicht, sonst wäre es ja auch nicht unterhaltsam.
Sie haben gesagt, dass oft die Nummern erfolgreich geworden sind, von denen Sie es gar nicht unbedingt erwartet haben, zum Beispiel eben diese Beatrix-Nummer. Ist es schwer einzuschätzen, was beim Publikum gut ankommt?
Die Sketche werden ja erst komisch durch die dazugehörigen Lacher. Ich habe diese Filme geschnitten gesehen, ohne dass jemand vorher draufgelacht hat. Da sehe ich mich und denke, da sag ich aber ein paar Mal zu oft „lecker Mittagessen“. Warum ist mir da nichts Besseres eingefallen? Das wurde dann aber der Running Gag. Bis heute höre ich das noch von Fans. In der Einfachheit lag der Schlüssel zum Erfolg
Gab's denn auch Sketche, bei denen Sie sicher waren, dass sie super ankommen, und das Gegenteil war der Fall?
Ja, wir haben bei „Total normal“ zum Beispiel ganz am Anfang Sketche gedreht, die ich super fand, zum Brüllen komisch. Da hat der Sender gesagt, das senden wir nicht, das ist nicht gut, wir senden nur das Beste.
Sie haben Ihre Karriere in den 1980er Jahren gestartet und berichten davon, wie viel Homophobie Sie in der Unterhaltungsbranche erleben mussten. Haben Sie manchmal überlegt, aufzuhören, wenn man Sie nicht so akzeptiert, wie Sie sind?
In Teilen war das natürlich sehr homophob. Ich wage zu behaupten, das ist an einigen Stellen auch heute noch so. Aber ich hatte damals ja keine Alternative. Es gab für mich kein anderes Land, keine andere Welt, keine andere Dimension, in die ich hätte gehen können. Also musste ich mich zurechtfinden in diesem Dilemma. Ich kannte das ja nicht anders. So traurig es ist, man gewöhnt sich daran. Ich finde es eigentlich erst im Rückblick schlimm, dass diese Homophobie damals ganz normal war.
Hape Kerkeling: „Toleranz liegt in den Genen des Rheinländers“
Sie sind mit Ihrem Mann vor einigen Jahren von Berlin nach Köln gezogen und haben das auch damit begründet, dass Homophobie in Berlin zugenommen habe. Ist Köln anders? Ist die Stadt also wirklich so offen, wie sie es selbst glaubt?
Wir sprechen über zwei völlig andere Lebensmodelle, sowohl klimatisch als auch geographisch. In Berlin sind die Winter eiskalt, und der Frühling kommt viel später als in Köln. Hier sind wir im rheinischen Becken, hier wächst Wein um die Ecke, das ist alles etwas leichtfüßiger. Berlin hat vom Code Napoleon wenig gehört, in Köln wurde das gelebt. Das heißt, eine gewisse Toleranz, leben und leben lassen, liegt in den Genen des Rheinländers. Kulturell trägt das sicher dazu bei, dass das Leben hier insgesamt leichter genommen wird. Das macht Köln zu einer besonders toleranten Stadt in Deutschland.
In Ihrem neuen Buch erzählen Sie auch von Ihren damaligen Lebensgefährten, der sehr jung an Aids starb. Wie haben Sie es ausgehalten, auf der einen Seite diese private Tragödie zu erleben und auf der anderen Seite Unterhaltung zu machen? Hat Sie das abgelenkt oder hat es Sie zerrissen?
Das war sowohl das eine als auch das andere. Diese Ablenkung, zum Beispiel eine Radiosendung, die ich damals moderiert habe, hat gutgetan. Es war gut, den Kopf zumindest für Stunden ein bisschen freizubekommen. Diese Routine und Disziplin waren hilfreich.
Hape Kerkeling hat sich gegen die AfD positioniert
Sie haben sich irgendwann entschieden, über den Suizid ihrer Mutter zu sprechen. Jetzt haben Sie die Geschichte Ihres Freundes erzählt, das sind ja tiefe Einblicke in Ihr Privatleben. Ist Ihnen die Entscheidung, das mit der Öffentlichkeit zu teilen, schwergefallen?
Sehr schwer, das kostet eine enorme Überwindung. Aber ich habe ja dann immer noch die Möglichkeit zu einem späteren Zeitpunkt zu sagen, nein, ich veröffentliche es nicht. In der Regel habe ich mich aber immer dafür entschieden, es zu veröffentlichen, weil ich glaube und manchmal auch weiß, dass es anderen Menschen eine Hilfe und Unterstützung ist.
Sie wollten nie politisches Kabarett machen. Nun waren Sie aber kürzlich in Sandra Maischbergers Talk und haben sich da sehr klar gegen die AfD positioniert. Haben Sie das Gefühl, wir befinden uns an einem Punkt, an dem man, wenn man prominent ist und Gehör findet, etwas sagen muss?
Ja, die Chance sollte jeder nutzen, denn in dem Moment, in dem wir unsere Stimme deutlich erheben, beweisen wir, dass dieses Land eine Demokratie ist.
Wie düster sehen Sie denn für die Zukunft dieses Landes?
Die Kräfte, die diese Demokratie gerne verschwinden lassen möchten, sind so stark wie noch nie. Und sie sind wild entschlossen. Ich frage mich, sind wir auf der anderen Seite genauso wild entschlossen, unsere Demokratie zu bewahren? Sind wir das nicht, geht es in die Hose. Es ist ganz einfach.
Bei vielen Ihrer Kollegen habe ich das Gefühl, sie tun sich mit dem Älterwerden schwer und bedauern, dass man heute nicht mehr einfach so alles raushauen darf. Ihnen scheint das keine Kopfschmerzen zu bereiten.
Ich finde ja die viel verteufelte Wokeness, dass man mehr über das nachdenkt, was man sagt und wie man sich verhält, gesund. Einfach mal darüber nachdenken, ob unter Umständen etwas Antifeministisches oder Rassistisches in dem, was ich sage, mitschwingt. Auch dass es eine Quote zum Beispiel für Gleichberechtigung und Diversität bei Film und Fernsehen gibt, sehe ich positiv. Am Anfang habe ich gedacht, muss das sein? Aber ja, es bewirkt und verändert etwas. Wir sollten uns diesem Prozess ganz offen stellen, der will ja etwas Positives.
Sie haben sich sehr konsequent von der großen Bühne verabschiedet. Aber könnten Sie dich doch noch eine Rückkehr vorstellen oder ein anderes großes Projekt?
Eine Rückkehr zur großen Fernsehshow schließe ich aus. Das sollen andere manchen. Aber es wird sehr, sehr wahrscheinlich einen Horst-Schlämmer-Film geben.
Hape Kerkeling wird an diesem Montag, 9. Dezember, 60 Jahre alt. Er begann 1984 beim Fernsehen zu arbeiten. Es folgte eine Vielzahl erfolgreicher Live-Auftritte sowie TV-Shows und -Serien. Sein Buch „Ich bin dann mal weg“ stand 100 Wochen auf Platz 1 der Spiegelbestsellerliste, auch sein aktuelles Buch „Gebt mir etwas Zeit“ (Piper, 24 Euro) ist ein Bestseller.
Das Erste zeigt den Dokumentarfilm „Hape Kerkeling - Total normal“ am 9. Dezember um 20.15 Uhr. Im Anschluss läuft Caroline Links Verfilmung von Hape Kerkelings Autobiografie „Der Junge muss an die frische Luft“ und nach den „Tagesthemen“ um 23.55 Uhr ein „Best of“ seiner Sketche.