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„Hat mir das Leben gerettet“Hazel Brugger spricht über depressive Phase

Lesezeit 4 Minuten
Hazel Brugger steht bei einer Show auf der Bühne und schaut ins Publikum.

Hazel Brugger musste einen Auftritt in Stuttgart absagen, der Grund machte sie traurig.

Die Kabarettistin Hazel Brugger saß am Mittwoch in einem ICE, der auf der Strecke einen Mann erfasste. Brugger nahm das Unglück zum Anlass, über ihre eigene Depression zu sprechen und Betroffenen Mut zu machen.

Die Kabarettistin und Slam-Poetin Hazel Brugger hat am Mittwochabend aufgrund einer mehrstündigen Verspätung mit der Bahn ihre Show in Stuttgart absagen müssen. Grund für die enorme Verzögerung war mutmaßlich ein Suizid.

Ein Mann hatte sich im Bereich eines Bahnhofs in der Gemeinde Muldestausee auf den Gleisen der Bahnstrecke von Berlin nach München befunden, teilte die Polizei in Dessau am Mittwochabend mit.

Hazel Brugger twittert aus verunglücktem ICE

Statt über die Strapazen ihrer Reise sowie die notgedrungene Absage ihrer Show zu klagen, wandte sich Hazel Brugger mit einer ganz anderen Botschaft aus dem ICE an ihre Followerschaft. Die Wahlkölnerin nutzte die traurigen Umstände, um auf das Thema Depressionen aufmerksam zu machen. Dabei wählte sie nicht nur eindringliche Worte, sondern schilderte auch ihre eigenen Erfahrungen mit depressiven Episoden.

„Heute um 20 Uhr habe ich einen Auftritt in Stuttgart und das ist leider weit von dem Ort entfernt, wo ich gerade bin“, beginnt sie ihren Thread auf dem Kurznachrichtendienst. „So ätzend und anstrengend das ist, in einem Zug festzustecken, ist so ein kaputter Reisetag natürlich nichts im Vergleich zum Verlust des Lebens der Person, die durch das Unglück umgekommen ist.“

Hazel Brugger wendet sich an Suizidgefährdete und nennt Hilfsangebote

Brugger nimmt den Vorfall zum Anlass, auf Hilfsmöglichkeiten für Suizidgefährdete aufmerksam zu machen. Sie ermutigt Betroffene, bei der Telefon-Seelsorge anzurufen. „Auch wenn es einem vielleicht albern vorkommt, ist es alles andere als peinlich oder unnormal, Hilfe zu brauchen“, so Brugger.

In der Folge schildert die gebürtige US-Amerikanerin, warum sie die Ereignisse an diesem Mittwoch so berühren. „Vielleicht, weil ich selber das Gefühl habe, seit ein paar Wochen endlich aus einer Phase der großen Antriebs- und Aussichtslosigkeit raus zu sein“, findet die schweizerisch-deutsche Stand-up-Comedian einen Erklärungsansatz. Vor einigen Monaten habe sie selbst noch gedacht, „nie wieder wirklich Freude empfinden“ zu können. Brugger hatte sich wegen gesundheitlicher Probleme auch beruflich eine Auszeit genommen. Inzwischen habe sie aber wieder Lebensfreude gefunden und „immer öfter das Gefühl, ‚Herrin der Lage‘ zu sein“.

Hazel Brugger macht depressiven Menschen Mut: „Schämt euch nicht“

Pauschale Tipps will die 28-Jährige wegen der individuellen Krankheitssymptome bei Depressionen nicht geben. Einen Rat möchte Hazel Brugger aufgrund ihrer eigenen Krankheitserfahrung aber weitergeben: „Wenn ihr das Gefühl habt, nicht mehr ihr selbst zu sein oder andere euch irgendwie nicht mehr wiedererkennen, geht zum Arzt. Und wenn es erst mal nur der Hausarzt ist. Der kennt euch in der Regel am besten und oft tut es schon gut, überhaupt mal mit einer neutralen Person zu sprechen. Schämt euch nicht. Schämt euch weder dafür, ‚zu kleine‘ Probleme zu haben, noch für ‚zu große‘ Probleme“, so Brugger.

In ihrem eigenen Fall habe ihr Kölner Hausarzt die Ernsthaftigkeit ihrer Erkrankung nicht erkannt. Ihr Ehemann Thomas Spitzer, mit dem sie seit 2020 verheiratet ist, habe ihr dann Monate später „ein bisschen gegen meinen Willen“ ärztliche Hilfe organisiert – und Hazel Brugger damit nach eigener Aussage „auf lange Sicht das Leben gerettet“. Sie appelliert daher, dass Familie und Freunde Menschen mit Depressionen „hartnäckig“‚ ‘und dauerhaft unterstützen.


Beratung und Seelsorge in schwierigen Situationen

Kontakte | Hier wird Ihnen geholfenWir gestalten unsere Berichterstattung über Suizide und entsprechende Absichten bewusst zurückhaltend und verzichten, wo es möglich ist, auf Details. Falls Sie sich dennoch betroffen fühlen, lesen Sie bitte weiter:Ihre Gedanken hören nicht auf zu kreisen? Sie befinden sich in einer scheinbar ausweglosen Situation und spielen mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen? Wenn Sie sich nicht im Familien- oder Freundeskreis Hilfe suchen können oder möchten – hier finden Sie anonyme Beratungs- und Seelsorgeangebote.Telefonseelsorge – Unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erreichen Sie rund um die Uhr Mitarbeiter, mit denen Sie Ihre Sorgen und Ängste teilen können. Auch ein Gespräch via Chat ist möglich. telefonseelsorge.deKinder- und Jugendtelefon – Das Angebot des Vereins „Nummer gegen Kummer“ richtet sich vor allem an Kinder und Jugendliche, die in einer schwierigen Situation stecken. Erreichbar montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr unter 11 6 111 oder 0800 – 111 0 333. Am Samstag nehmen die jungen Berater des Teams „Jugendliche beraten Jugendliche“ die Gespräche an. nummergegenkummer.de.Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention – Eine Übersicht aller telefonischer, regionaler, Online- und Mail-Beratungsangebote in Deutschland gibt es unter suizidprophylaxe.deBeratung und Hilfe für Frauen – Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen" ist ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben. Unter der Nummer 08000 116 016 und via Online-Beratung unterstützen werden Betroffene aller Nationalitäten rund um die Uhr anonym und kostenfrei unterstützt.Psychische Gesundheit – Die Neurologen und Psychiater im Netz empfehlen ebenfalls, in akuten Situationen von Selbst- oder Fremdgefährdung sofort den Rettungsdienst unter 112 anzurufen. Darüber können sich von psychischen Krisen Betroffene unter der bundesweiten Nummer 116117 an den ärztlichen/psychiatrischen Bereitschaftsdienst wenden oder mit ihrem Hausarzt Kontakt aufnehmen. Außerdem gibt es in sehr vielen deutschen Kommunen psychologische Beratungsstellen.