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Heiner Wibernys 80. GeburtstagRauschendes Jazzkonzert feiert den Saxofonisten

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Heiner Wiberny

Heiner Wiberny

Der Musiker konnte sich im Stadtgarten über zahlreiche Weggefährten und besondere Gäste freuen.

Wieder einmal hatte Saxofonist Paul Heller zu einer Geburtstagsfeier eingeladen, und wieder einmal wurde es ein rauschendes Jazzkonzert. Auf der Bühne des ausverkauften Stadtgartens, wo Heller bereits früher Jubilare wie Klaus Doldinger oder Gerd Dudek empfing, stand am Montagabend mit Heiner Wiberny ein weiterer Jazz-Saxofonist mit beeindruckender Karriere und beachtlicher stilistischer Bandbreite auf der Bühne. Elf Tage nach seinem 80. Geburtstag am 10. Oktober nahm Wiberny sichtlich erfreut die Ovationen des Publikums entgegen und versprach fröhlich: „Wir haben heute schon miteinander geprobt, Ihr könnt Euch freuen!“

Womit er uneingeschränkt recht behielt. Heller, der mit Wiberny einige Jahre bis zu dessen Pensionierung im Saxofon-Satz der WDR Big Band zusammenspielte, hatte im Rahmen seiner Reihe „Invites…“ das ganz große Besteck aufgefahren und dem ehemaligen Weggefährten seine eigene Big Band zur Seite gestellt. Mit Präzision, kraftvollem Groove und etlichen solistischen Glanzlichtern feierte die Paul Heller Big Band Wiberny als ihren Ersten Altisten, der vorrangig Eigenkompositionen als markante Wegetappen ausgewählt hatte. Im zweiten Konzertteil kamen diverse Special Guests hinzu, darunter Wolfgang Niedecken, der Wiberny mit dem Song „Nix wie bessher“ gratulierte. Den hatte sich das Geburtstagskind gewünscht, weil er es an zwei entscheidende Momente in seinem Leben erinnert: einmal als Wiberny zum ersten Mal überhaupt Jazz hörte, dann als er seine Frau Ulla kennenlernte.

Ungebrochen vitales Spiel

25 Jahre nach Wibernys Konzert „Heiner’s Music“, mit dem er 2009 am selben Ort seinen Abschied vom offiziellen Arbeitsleben mit der WDR Big Band feierte, kamen auch diesmal weder nostalgisch verklärende noch gar wehmütig sentimentale Gefühle auf. Ganz im Gegenteil: Es war das reine Vergnügen, Wibernys ungebrochen vitalem, varianten- und klangfarbenreichem Spiel zu lauschen, während er in seinen hellen, eleganten Ton melodische Improvisationen sowie etliche Einflüsse der Weltmusik einwebte.

Vor allem in der ersten Konzerthälfte bekam man „Wiberny pur“ im Big-Band-Kontext geboten, sozusagen als Verbeugung vor seinem musikalischen Kerngeschäft. 1974 war Wiberny als Lead-Altsaxophonist zum WDR gestoßen, spielte in der Harald Banter Media Band, bevor er 1981 festes Mitglied der WDR Big Band wurde und ihr drei Jahrzehnte lang in zahllosen Konzerten sowie auf mehr als 60 Alben seinen Stempel aufdrückte. Nicht annähernd lassen sich Wibernys solistische Beiträge aufzählen, doch allein, wer ihn im Rahmen des Projekts „The World of Duke Ellington“ (1994) hört, weiß, dass er schon damals dem großen Phil Woods als dem eigentlichen Star-Solisten des Konzerts in nichts nachstand. Wibernys Altsaxofon in „The Star-Crossed Lovers“ ist ein Ganzstück innerhalb der von Bill Dobbins dirigierten Suite „Such Sweet Thunder“. Genau dieser Titel hätte auch über dem Geburtstagskonzert stehen können, das spätestens mit „A Night in Tunesia“ von Dizzy Gillespie, mit dem Wiberny ebenfalls zusammenspielte, prächtigen „sweet thunder“ bot.

Er hat sich nie nur auf sein Saxofon verlassen

Wer Wibernys gesamte „Spielwiese“, seine Klangkunst ebenso wie seine Offenheit gegenüber Stilen und Formen erkennen möchte, sollte ihm in kleineren Ensembles lauschen. Auch dafür bot das Konzert wunderbare Anregungen, sowohl im Spiel mit Wolfgang Niedecken als auch im Trio mit Klaus dem Geiger und dem Gitarren-Virtuosen Marius Peters, das mit „Song for my Parents“ eine der einfühlsamsten Wiberny-Kompositionen interpretierte, um gleich danach das fröhliche Trinklied „Hills of Scotland“ zu intonieren. Noch weiter hinaus in die Welt ging es dank Wibernys Weggefährten Mike Herting. Der Pianist, Komponist und Arrangeur steuerte zwei Stücke bei, aufgeführt von ihm selbst, Wiberny, dem Perkussionisten Pape Samory Seck und der Kontrabassistin Caris Hermes. Dabei griff Wiberny zu Sopransaxofon und Querflöte und zauberte zwei der stimmungsvollsten Momente des Abends.

Ohnehin hat sich Wiberny nie ganz auf sein Altsaxofon verlassen. So gehört auch die Klarinette zu seinen Instrumenten, die er beispielsweise im Part „Dixie Bop“ der Kurt-Weill-Komposition „Moon Faced, Starry Eyed“ (1990) bei einem Konzert der WDR Big Band erstrahlen ließ. Und gleich zu Beginn seiner Karriere griff er für das epochale Album „Rock Around The Cock“ der Fusion-Band Association P.C. gar zum Tenorsaxofon sowie zum „quengelnden“ Bassetthorn, um zum heftig brodelnden Jazz-Rock-Klanggebräu beizutragen.

Vor allem hier kann man sich vorstellen, wie bedeutsam die frühen 1970er-Jahre für Wiberny gewesen sein müssen, als er beruflich wie privat entscheidende Weichen stellte. Welch großen Stellenwert dabei seine Familie eingenommen hat, bezeugten im Jubiläumskonzert Eigenkompositionen wie „Charou“ (für den wilden Siam-Kater der Familie), „Here Comes Julian“ (für seinen Sohn) und das große Finalstück „Ulla in Africa“ (für seine Frau), das in einem Arrangement von Peter Herbolzheimer das Konzert emotional beendete.

Was fehlte, war eine sehr besondere Komposition Wibernys: „Wolkentanz“. Auch von ihr gibt es etliche Versionen, die nachdrücklichste entstand im Duett mit dem Kirchorganisten und Bonner Kantor Marc Jaquet, eine Meditation zwischen erhabenem Choral und spiritueller Fantasie – knapp neun Minuten pure Schönheit, die Heiner Wiberny als warmherzigen, einfühlsamen und gefühlvollen Wolkentänzer ausweist. So kann man uneingeschränkt in den Geburtstagskanon einstimmen, zu dem Klaus der Geiger das Publikum animierte: „Viel Glück und viel Segen, auf all deinen Wegen, Gesundheit und Freude, sei auch mit dabei.“