Warum die Berliner Opernkompanie Novoflot mit einer Schönberg-Gala in der Kölner Philharmonie für Verwirrung sorgte.
Schönberg-Gala in der PhilharmonieWas bringt es, den Zerstörer zu zerstören?
Eine „Schönberg-Gala“, das ist ein Widerspruch in sich selbst – auch wenn der Begründer der Zwölftonmusik in diesem Jahr seinen 150. Geburtstag feiert. Der Mann, der „publikumsabgewandte“ Kunst machte und ausweislich der überlieferten Fotodokumente niemals lachte, als zentrale Figur eines Unterhaltungsabends? Das geht nicht mit rechten Dingen zu. Sollte es auch in diesem Fall gar nicht.
Zur Uraufführung ihrer „Schönberg-Gala“ hatte die Berliner freie Opernkompanie Novoflot (Regie und Konzept: Sven Holm) in die Kölner Philharmonie geladen. Das war der Abschluss ihres viertägigen Kölner Schönberg-Zyklus „Die Harmonielehre“ mit Aufführungen auch im WDR Funkhaus und im Wallraf-Richartz-Museum. Nicht ganz der Abschluss: Auf die Gala folgte noch auf dem Heinrich-Böll-Platz eine „Wüstenmusik“ – mögliche Epiloge zu Schönbergs unvollendeter Oper „Moses und Aron“ aus der Feder junger Komponisten und Komponistinnen.
Nahezu durchgehend verkehrte sich Realität in Fiktion
Der Clou der Veranstaltung war ein universaler Fake-Modus, bei dem sooft um die Ecke gedacht und gespielt wurde, sich nahezu durchgehend Realität in Fiktion verkehrte, dass sich beim Zuhören und Zuschauen leichte Schwindelgefühle einstellen konnten. Vielleicht waren die Fakes ja auch noch gefaked. Aufgedrehte Moderatoren, deren Namen nicht stimmten (die es also gar nicht gab), ein falscher Tennisspieler von der ATP-Weltrangliste als „Stargast“, eine sinistre Patronin der Gala namens Marianne Kübler-Kleff, jede Menge Falschinformationen etwa dergestalt, dass die Kölner Philharmonie in Schönberg-Arena umgetauft worden sei, Teilnehmer des Bühnengeschehens aus dem „Publikum“, die indes zur Performance selbst gehörten – es war ein Saltomortale der Uneigentlichkeit.
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Dazu gehörten auch fünf Paare der „Tanzakademie Schönberg“, die mit „purer Präzision“ auf Wiener Opernball machten, und ein „MenschenSinfonieOrchester“, das eine merkwürdige rap-nahe Fassung von Schönbergs Chorkomposition „Friede auf Erden“ ablieferte. Höhepunkt der Groteske: Eine Auktion, bei der unter anderem ein Wutausbruch von Schönberg versteigert wurde und eine Wiederherstellung seiner Originalfrisur bei der Vollendung der Gurre-Lieder.
Na, wenigstens waren die Sängerinnen Peyee Chen und Rosemary Hardy echt. Echt waren auch das Kölner Asasello-Quartett, das Ensemble dissonArt, das Ensemble ColLab Cologne und das Jugendblasorchester der Rheinischen Musikschule. Da kam einiges an Personal zusammen auf der mit Goldglitzerpapier geschmückten Bühne, teils konnte man an eine Karnevalsrevue denken.
Was sollte das alles?
Echte Schönberg-Musik gab es zum Teil und sei es in Auszügen auch noch: das berühmte zweite Streichquartett, das Lied opus 1/1, das Brettl-Lied „Nachtwandler“, das Lied „Erwartung“ (opus 2/1). Das waren allesamt Kompositionen aus der spätromantischen Phase, der Hardcore-Schönberg blieb den Zuhörern erspart. Schön und gut, aber eine simple Frage konnte weder ausbleiben noch am Ende befriedigend beantwortet werden: Was sollte das alles?
Irgendwie schien sich da viel Energie ans falsche Objekt zu verausgaben: Schönberg war selbst ein großer Zerstörer – der Tonalität und damit der Usancen von 300 Jahren europäischer Musikgeschichte. Was soll das bringen, wenn man den Zerstörer seinerseits ironisch zerstört? Es kann natürlich sein, dass der Schreiber dieser Zeilen irgendetwas nicht richtig mitbekommen hat – das will er keineswegs ausschließen. Vielleicht hat er ja auch keinen Humor – was zweifellos noch viel schlimmer wäre. Für diesen Fall müsste er sich gleichsam im Vorgriff für sein Missbehagen entschuldigen.