Nach fünf Tagen ist am Sonntag die c/o Pop in Köln zu Ende gegangen. Drei Highlights des Events, das zum Glück kein zweites Reeperbahn-Festival geworden ist.
Highlights der c/o popEhrenfelder Nächte – Gut, dass es sie gibt

Der kenianische Künstler Kabeaushé riss den Club Bahnhof Ehrenfeld bei seinem Auftritt sprichwörtlich ab.
Copyright: Kevin Goonewardena
Auch im 21. Jahr des Bestehens präsentieren auf dem mehrtägigen Showcase-Festival vor allem noch unbekannte Künstlerinnen und Künstler ihren Entwurf experimenteller, elektronischer, alternativer und urbaner Popmusik.
Nur wenige etablierte Acts, etwa Sängerin Alli Neumann und die Rockband Die Nerven ergänzen das Musikprogramm.Eine der Entdeckungen dieses Jahres: der Kenianer Kabeaushé.
Verweigert die Kategorisierung: Kabeaushé
Dessen Pop-Entwurf, der sich irgendwo zwischen Avantgarde, Elektronik und Rap ansiedelt, entzieht sich jeglicher Kategorisierung.Der Künstler, der im vergangenen Jahr gleich zwei Alben, darunter das großartig betitelte „Hold on to deer life, there's a black boy behind you!“ auf dem Label Monkeytown der Berliner Rave-Ikonen Modeselektor veröffentlicht hat, inszeniert seine Shows als hybriden Mix zwischen Theateraufführung und ekstatischer Abriss-Party. Als im Club Bahnhof Ehrenfeld am Donnerstagabend das Licht anging, sah man durchgeschwitzte Körper und beseelte, strahlende Gesichter.
Trotz der starken Verbindungen hierzulande nach Berlin, so hielt Kabeaushé eine Co-Residency der dortigen Branchenvertretung Music.Board und gab ein konzeptuelles Konzert an der Komischen Oper, und europaweiten Festivalauftritten, unter anderem beim Sonar in Barcelona und der Fusion, läuft Kabeaushé noch unter dem Radar: Gerade einmal 8000 Instagram-Follower und 18.000 monatliche Hörer auf Spotify. Alle anderen sollten Kabeaushé endlich auch nicht mehr verpassen.
Schwedischer Post-Grunge
Mit den Ehren einer Grammy-Nomination kündigten die Veranstalter den schwedischen PoC-Artist Boko Yout an. Unter dem Künstlernamen firmiert Paul Adamah live als Sänger einer fünfköpfigen Afro-Grunge-Band, so beschreibt der Promoter den Stil der Stockholmer.Die Bühne des Artheaters entern die Musiker im uniformierten Pfadfinder-Look, optisch und performativ könnte der Unterschied kaum größer sein.
Adamah ist das, was man eine Rampensau nennt. Er trägt Band und Performance. Immer wieder verlässt er die Bühne, tanzt und schreit vor der ersten Reihe, bahnt sich einen Korridor durchs Publikum – die Assoziationen zu Punk/HC-Konzerten in Kellern kleiner Jugendclubs erwecken. Die vier Instrumentalisten, die, die stereotypische Vorstellung eines Nerds bedienen, kommen kaum über die Rolle als stoische Mucker hinaus. Im Gesamtbild geben die konträren Pole nicht nur Sinn, die Unterschiede lassen die Band erst funktionieren, deren Musik und Show von den Konzertbesuchern begeistert aufgenommen wird.

Die schwedische Band Boko Yout um ihren Sänger Paul Adamah (Mitte) bei ihrem Auftritt im artheater während der c/o Pop 2025
Copyright: Kevin Goonewardena
Was auch immer die Afro-Einflüsse sein sollen, mal davon abgesehen, dass Promo-Beipackzettel nur so vor absurden Wortschöpfungen und blumigen Formulierungen strotzen und alleine deswegen nicht wirklich ernst genommen werden können, ist live davon nichts zu hören.Der Post-Grunge und die Performance lassen niemanden im Saal stillstehen, die Songs jedoch klingen gewöhnlich, wenig ausdifferenziert, erst recht nicht überraschend – anders als erwartet und anders als auf den digitalen Plattformen, auf denen die Stücke bisher erschienen sind.Auch die mehrschichtige künstlerische Figur Adamahs wird, bei der Performance im Artheater, nicht im Ansatz dem gerecht, was im Internet über Künstler und Werk zu finden ist.
Falsche Wimpern, echte Party
Das Hamburger all-female Kollektiv Bangerfabrique rappt über falsche Wimpern („Fake Lashes“) und lange Partynächte, über den Morgen danach, ihre Heimatstadt und Antifaschismus, über Männer, über das Dasein als Frau und deren Selbstermächtigung und davon, dass bei allem immer der Spaß nicht zu kurz kommen darf. Der Ansatz ist gewiss nicht neu, zahllose weibliche Rapperinnen der letzten Jahre folgen dieser Maxime. Das jedoch wertet weder Musik noch Performance per se ab.
Wer sagt denn, dass das musikalische Rad immer wieder neu erfunden werden muss? Bangerfabrique treffen den Nerv ihrer Generation, vor allem aber auch den des Publikums im Yuca, das mit ohrenbetäubendem Jubel nicht nur Zeilen wie „Ich fasse dich nicht an und hab dich trotzdem an den Eiern“ quittieren. Das bei ihrem Auftritt in Köln halbierte Sextett wird wie Pop-Stars gefeiert – so sehr, dass der immer wieder aufbrausende Jubel, beim Bericht über das Konzert Erwähnung finden wird.
Und sonst? Wie immer wird das Festival begleitet von einem umfangreichen Programm aus Panels und Workshops der Musikbrache, Convention genannt. Dazu ein Markt auf der (teilgesperrten) Venloer Straße, Performances, After-Parties, kleinen und großen Möglichkeiten zu entdecken, zu versinken, aufzugehen, mal mit, mal ohne Festivalticket zugänglich.
c/o pop – Gut, dass es sie gibt
Die c/o pop ist eine Bereicherung für Köln. Für Ehrenfeld, wo in den letzten zehn Jahren so viel kulturelle Infrastruktur kaputtgegangen ist, für die jungen Menschen, denen die Corona-Pandemie Jahre genommen hat, die erst jetzt so langsam das Nachtleben entdecken – es ist erst die dritte Post-Corona-Ausgabe.
Als Jenny, Gerrit Starczewski und ich am Donnerstag vor dem Bumann & Sohn stehen, sagt Gerrit, die c/o pop hätte bei entsprechender Förderung werden können, was das Reeperbahn-Festival in Hamburg heute ist – nämlich mit rund 500 Konzerten, etwa 850 Programmpunkten und rund 5500 Fachbesuchern ein wahnsinnig aufgeblähtes Instrument des Stadtmarketings.Gut, dass es nicht so gekommen ist.