Nicht der ehrgeizigste, aber der kölnischste Kölner Fotograf: Ein schöner Bildband stellt Eugen Coubillier und seine Welt vor.
Historisches KölnDer Fotograf Eugen Coubillier wird wieder entdeckt

Aufnahme von Eugen Coubillier aus dem Greven-Bildband
Copyright: Kölner Fotoarchiv
So jung hat man den Alten schon lange nicht mehr gesehen, was selbstredend daran liegt, dass Konrad Adenauer damals noch nicht Bundeskanzler, sondern frisch gewählter Kölner Oberbürgermeister war. Damals, im Jahr 1917 muss er noch kamerascheu gewesen sein, jedenfalls liegt in seinem Seitenblick eine etwas altväterliche Mischung aus Skepsis und Entschlossenheit. Ansonsten wirkt dieser „junge Wilde“ mit kurz geschorenen Haaren und stoppeligem Schnauzer wie ein Gegenentwurf zu all den ikonischen Kanzlerbildern.
Die Aufnahme stammt von Eugen Coubillier, einem Kölner Fotografen, der um 1917 in seiner Heimatstadt eher etwas bekannter gewesen sein dürfte als Mitbewerber wie August Sander und Hugo Schmölz. Offenbar stand die bessere Kölner Gesellschaft bei ihm Schlange, um sich in ehrwürdigen Posen verewigen zu lassen, und als 1909 ein Gesandter des Papstes in der Stadt weilte, gab ihm Coubillier ein Album seiner Kölner Kirchen für den Oberhirten mit. Für das Adenauer-Porträt muss er seinen Kriegsdienst unterbrochen haben. 1918 brachte er sich mit einer Zeitungsanzeige wieder in Erinnerung: „Aus dem Felde zurück, Werkstätte für Lichtbildkunst.“
Heute ist Coubilliers Ruhm selbst in seiner Heimatstadt verblasst
Heute ist Coubilliers Ruhm selbst in seiner Heimatstadt verblasst. Hier und dort findet sich sein Name in Bildbänden über das historische Köln, doch anders als Sander, Schmölz oder dem etwas jüngeren Werner Mantz war ihm kein kunsthistorisches Nachleben vergönnt. Das Wenige, was wir über Coubillier wissen, ist frischen Archivausgrabungen zu verdanken. Sie finden sich in einer jetzt im Greven Verlag erschienenen Coubillier-Monografie – der ersten seit 1923.
Geboren wurde Coubillier 1873 in Lothringen. 1888 kam er als Vollwaise nach Köln, vermutlich als Untermieter seines älteren Bruders, des Bildhauers Friedrich Coubillier, der hier studierte. Um 1890 ging er beim Fotografen Carl Scholz in die Lehre, 1906 ließ er sich als selbstständiger Porträtfotograf am Hohenstaufenring nieder, wo er seine Nebenberufung als Maler wohl endgültig ruhen ließ. Mit der Kamera widmete er sich jetzt ausschließlich den Kölner Bürgern, ihren Kindern und den pittoresken Seiten des Stadtbilds.
Als „Fotograf von Köln“, so der Titel des Greven-Bildbands, lichtete Coubillier die Sehenswürdigkeiten ab, die nicht nur der Papst von einer heiligen Stadt erwartete: Kirchen, Kirchen und nochmals Kirchen, und zwar aus allen Lagen, in Einzel- und Gruppenporträts. Dazu kamen die mittelalterlichen Gemäuer, von denen Köln damals noch viele hatte, und die stolzen Zeugnisse des gründerzeitlichen Bürgertums. Später gesellten sich die ersten Prachtbauten der Backstein-Moderne und des Neuen Bauens hinzu: Hansahochhaus, Messe, Bastei – und die Müllverbrennungsanlage in Niehl als stiller Höhepunkt des Bandes.
Eugen Coubillier war auf allen fotografischen Feldern aktiv, denen Köln heute seinen Ruhm verdankt: die Menschen des jungen 20. Jahrhunderts, die moderne Architektur und die historische Erinnerung der „heiligen Stadt“. Warum geriet er in Vergessenheit? Walter Filz, Autor des Greven-Bandes, führt es auf Coubilliers „sachlichen“ Blick zurück, der nach 1933 nicht mehr gut gelitten gewesen sei, auf den Verlust seiner gesamten Bildbestände beim „1000-Bomber-Angriff“ auf Köln und auf seinen „frühen“ Tod im Alter von 73 Jahren. „Zu früh, um gewürdigt zu werden. Zu früh, um überhaupt wahrgenommen zu werden – als einer der bedeutendsten Kölner Fotografen des 20. Jahrhunderts.“
Man stelle die Kamera vor das richtige Motiv und die Sache ist im Kasten
Diese Argumente überzeugen nicht wirklich. Wenn Coubillier unter den Nazis an Kundschaft verlor (was ihn grundsätzlich ehrt), dann nicht wegen seines angeblich sachlich-modernen Blicks (in Film und Fotografie waren die Nazis hochmodern). Der Wahrheit kommt Filz näher, wenn er Coubilliers Stil mit „Et kütt wie et kütt“ umschreibt. Coubillier habe die Kirchen fotografiert, „in der Überzeugung, dass sie ihre Wirkung entfalten – allein aus sich heraus, ohne dramatische Perspektive, ohne pittoreske Hinzufügungen“. Das ließe sich auf das gesamte Werk Coubilliers übertragen und als gelebte Stillosigkeit bezeichnen: Man stelle die Kamera vor das richtige Motiv und die Sache ist buchstäblich im Kasten.
Handwerklich war Coubillier zweifellos ein Könner, gleich ob er die Motive „impressionistisch“ verwischte oder, nachdem dieser Stil aus der Mode gekommen war, die Bilder scharf stellte. Und er fand mitunter erstaunlich frische Perspektiven auf Motive, die damals schon zu Tode fotografiert sein mussten. Aber von Schmölz und Mantz unterscheidet ihn der Wille, die Welt dem eigenen Blickwinkel zu unterwerfen, und von Sander der Spleen, ein größenwahnsinniges Projekt in Angriff zu nehmen. Coubilliers kölsche Nonchalance macht die besseren seiner Bilder umso sympathischer. Allerdings ist sie nicht gerade das, was einen posthum ins Museum bringt.
Eugen Coubillier war offenbar ein Fotograf ohne besonderen Ehrgeiz. Aber er machte das Beste daraus. Auf seinen Stadtbildern schnitt er Menschen die Beine und Kirchtürmen die Spitzen ab, wenn nur das Hauptmotiv gut zur Geltung kam. Ein Fotograf mit strengeren Kriterien hätte manches vielleicht aussortiert, was wir jetzt nicht mehr missen möchten. Sei es die herrlich freudlose Gasse, die zu St. Martin führt, oder der Knirps, der in seiner Lederhose wie ein Feldherr an der Kamera vorbeischaut. Coubillier mag nicht der bedeutendste unter den Kölner Fotografen gewesen sein. Aber der kölnischste unter ihnen war er gewiss.
Walter Filz, Wolfgang Vollmer: „Eugen Coubillier - Fotograf von Köln 1906-1943“, 144 Seiten, 110 Abbildungen, Greven Verlag, 30 Euro.