AboAbonnieren

HörfunkWie der WDR die Reduzierung von Kulturangeboten als Ausbau verkauft

Lesezeit 4 Minuten
Der WDR weitet seine aus dem Fernsehen bekannte Marke „Westart“ ins Radio aus

Der WDR weitet seine aus dem Fernsehen bekannte Marke „Westart“ ins Radio aus

Der WDR legt mehrere Kulturformate der Hörfunkwellen WDR 3 und WDR 5 zusammen und nennt das einen Ausbau des Angebots.

Wer sich für Kulturberichterstattung im WDR-Hörfunk interessiert, hat aktuell die Chance, zur Mittagszeit gleich zwei Kultursendungen zu hören: Bei WDR 3 läuft montags bis freitags von 12.10 Uhr bis 13 Uhr „Kultur am Mittag“, von kurz nach 14 Uhr bis 15 Uhr sendet WDR 5 „Scala“. Mit dieser Vielfalt ist allerdings bald Schluss. Ab dem 17. Februar werden die beiden Sendungstitel verschwinden, beide Wellen senden dann das Kulturmagazin „Westart“.

In der Ankündigung des WDR zu diesen Änderungen heißt es, der Sender baue „sein Literatur- und Kulturangebot weiter aus“. Das ist eine interessante Lesart, der sich viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch Hörerinnen und Hörer wohl kaum anschließen werden. Denn statt eigenständiger Formate gibt es nun auf beiden Wellen dasselbe, nur zeitversetzt. „Fürs Radio sind zwei Stunden eine Ewigkeit. Wenn man tagesaktuell denkt, ist das fürs Programmmachen Gift“, sagt ein Mitarbeiter. Die große Stärke des Radios, schnell auf Ereignisse reagieren zu können, werde dann zur Schwäche. Früher eigenständige Formate würden zudem zu einer Abladestadion für bereits gesendete Inhalte.

Der WDR sieht das anders. In den bisherigen Kulturmagazinen „WDR 3 Kultur am Mittag“ und „WDR 5 Scala“ sei es zur Mittagszeit immer wieder zu inhaltlichen Dopplungen gekommen, teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit. Vor dem Hintergrund „einer Perspektive für neue digitale Kulturangebote“ haben man sich daher für ein „gemeinsames, aktuelles Kulturmagazin“ entschieden: „Sollte zwischen ‚Westart‘ in WDR 3 und ‚Westart‘ in WDR 5 im Bereich der Kultur etwas Relevantes geschehen, wird die Sendung in WDR 5 angepasst; darüber hinaus gibt es in ‚Westart‘ in WDR 5 immer eine Aktualisierung der Kulturnachrichten.“ Der Umfang der Kulturangebote bleibe in der Summe gleich.

Vielfalt geht verloren

Der Umfang mag gleich bleiben, aber die Vielfalt geht verloren. So berichten freie Journalistinnen und Journalisten, die für die bisherigen Formate tätig waren, dass ihnen bereits gesagt wurde, dass es künftiger weniger Aufträge geben werde. Der WDR betont hingegen, im WDR Hörfunk gebe es mit „WDR 3 Mosaik“, „WDR 3 und WDR 5 Westart“ und „WDR 3 Resonanzen“ vier werktägliche Magazinflächen mit insgesamt fast sieben Stunden Sendezeit, die sich ausschließlich der aktuellen Kulturberichterstattung widmeten.

Auch die Frage, wie man die Musikfarbe des mittäglichen Kulturmagazins für unterschiedliche Umfelder und Hörerinteressen angleichen will, bleibt offen. Der WDR sagt, den Hörern von WDR 3 sei die Musikfarbe des neuen Kulturmagazins aus den WDR 3 Resonanzen vertraut. „Dort senden wir diese Mischung schon seit langem – ohne Irritationen beim Publikum.“

Für Irritation bei den Radiomachern sorgt indes auch, dass mit „Westart“ eine Fernsehmarke auf den Hörfunk übertragen wird. „Darüber freuen wir uns natürlich sehr, wenn uns eine Marke übergestülpt wird, mit der wir nichts zu tun haben“, fasst es ein Mitarbeiter sarkastisch zusammen. „Mit dem Ausbau unserer Kulturmarke ‚Westart‘ machen wir eine zeitgemäße crossmediale Markenführung unserer Kulturmagazine möglich“, sagt hingegen der WDR.

Der Unmut verstärkt sich bei vielen noch, weil die Marke nicht nur auf die Mittagsmagazine, sondern auch auf zwei Literaturformate übertragen wird. Aus „Gutenbergs Welt“ bei WDR 3 und „WDR 5 Bücher“ ist bereits „Westart Lesen“ geworden, auch da wurde aus zwei eins gemacht. Beim WDR klingt das so: „Durch unser neues Literaturmagazin ‚Westart Lesen‘ entstehen Kapazitäten für weitere digitale und lineare Angebote aus der Literatur: Ein Beispiel ist der Literatur-Podcast ‚Zwei Seiten‘ mit Christine Westermann und Mona Ameziane, den es seit dem 2. Februar wöchentlich gibt - und jeden Sonntag auch als Radiosendung bei WDR 5.“ Warum das ein Mehrwert fürs Publikum sein soll, erschließt sich allerdings nicht, denn „Zwei Seiten“ war ja auch bisher schon für alle Interessierten auf allen Plattformen zu hören.

Der WDR will auf jeden Fall nichts hören von Einsparungen bei einem Kernauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: „Grundsätzlich gilt: Kultur ist uns wichtig.“ Vielleicht hat er einfach eine merkwürdige Art, das zu zeigen.