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Ausstellung zu Honig in der KunstWas wir vom Superorganismus der Bienenvölker lernen können

Lesezeit 4 Minuten
Ein gezeichneter Kopf aus sechseckigen Waben.

Hede Bühls „Wabenkopf“ aus der Honig-Ausstellung in Bergisch Gladbach

Das Kunstmuseum Villa Zanders in Bergisch Gladbach zeigt eine Ausstellung zu Honig und Bienen bei Joseph Beuys und anderen.

Als das Kollektiv noch hoch im Kurs stand, erfand der Künstler Timm Ulrichs eine ebenso günstige wie „demokratische“ Arbeitsteilung. Er hängte einen Keilrahmen, in den Maler ihre Leinwände spannen, in einen Bienenstock und ließ die Arbeitsbienen ihr Werk vollbringen. Als der Sommer vorüber war, zog Ulrichs den mit Honigwaben gefüllten Rahmen heraus, montierte ihn hinter Acrylglas – und fertig war das gemeinschaftlich entstandene Kunstwerk zum kleinen Preis.

Auf der anderen Seite der Kollaboration hätten sie möglicherweise „Haltet den Dieb“ gerufen. Aber dass der Mensch der gefährlichste Honigräuber ist, hat sich bei den betroffenen Bienenvölkern auch nach Jahrhunderten der Imkerei noch nicht herumgesprochen. Stattdessen stürzen sich ihre evolutionär geprägten Kriegerinnen auf braunschwarzes Bärenfell.

Seit der Mensch gelernt hat, wie man Bienenvölker für sich anschaffen lässt, zieht er seinen Nutzen auch aus dem Arbeits- und Sozialleben dieser rätselhaften Superorganismen. In der Antike glaubte man noch, dass Bienen aus Stierkadavern geboren werden und den vom Himmel tropfenden Honig fertig portioniert aus den Blüten holen; Philosophen und Dichtern rühmten sie dafür als Götterboten.

In der modernen Kunst wird das Bienen-Wissen aus guten Gründen ignoriert

Heute wissen wir es besser: Die lebenspendenden Bienen kämpfen auch nur ums Überleben. In der modernen Kunst wird dieses Wissen aus guten Gründen ignoriert, denn der Honig des sozialromantischen Missverstehens schmeckt einfach zu süß. Am besten sieht man das bei Joseph Beuys, um dessen Honigwerke der Sammler Hartmut Kraft eine schöne Kabinettausstellung im Kunstmuseum Villa Zanders eingerichtet hat. Auf die „Honigpumpe“, die 1977 auf der Documenta für Aufsehen sorgte, muss man in Bergisch Gladbach zwar verzichten. Aber die Auflagenwerke und Happening-Andenken, die Kraft stattdessen präsentiert, sind nicht weniger aufschlussreich.

Bei Beuys war die Gleichung einfach: Der Mensch produziert Gedanken, so wie die Bienen ihren Honig. Und diese Gedanken sollten am besten wie Honig sein: nahrhaft, wärmend und Ausdruck eines intelligenten Gemeinschaftssinns. Alles, was man am Bienenvolk grausam, antidemokratisch oder sogar genozidal finden könnte, bleibt dabei ausgespart. Würde auch nur stören, während man, mit Honig und Blattgold im Gesicht, dem toten Hasen die Bilder erklärt.

„Honig für Kunst und Gesellschaft“ heißt die Ausstellung, deren Umfang Kraft durch eine pragmatische Klausel eingrenzte: Alle Künstler sollten mit Beuys zu tun gehabt haben. Allerdings heißt das nicht, dass sie auch seiner mythologisch aufgeladenen Materialästhetik folgen. Bei ihren halb abstrakten „Wabenköpfen“ nimmt Hede Bühl vielmehr konkrete Anleihen bei der Natur, um ihren Porträtbüsten die schon in der Antike bewunderte Harmonie der Bienenwaben zu verleihen. Rolf Iseli wiederum entdeckt in seinen schattenhaften „Wabenfrauen“ moderne Fruchtbarkeitssymbole. Sie tragen die Sechsecke im Schoss, in denen die Bienenkönigin ihre Larven legt.

Rolf Iselis Grafiken gehören zu den schönen Nebensächlichkeiten der Ausstellung

Iselis Grafiken gehören zu den schönen Nebensächlichkeiten der Ausstellung. Zu diesen zählen auch eine alte Ausgabe von Johann Swammerdams „Bibel der Natur“, in der erstmals nachgewiesen wurde, dass Bienenvölker von Königinnen regiert (und gezeugt) werden, und anatomische Modelle des Bienenkopfs und Bienenhirns. Eine kunsthistorische Kuriosität ist die letzte Ausgabe der „Rheinischen Bienenzeitung“, die 1975 nach 126 Jahrgängen mit einer Edition begraben wurde. An dieser Sonderauflage beteiligten sich neben Joseph Beuys eine Auswahl stadtbekannter Kölner Künstler, angefangen bei Bernhard Blume bis zum Ehepaar Bernard Schultze und Ursula Schultze-Bluhm.

Anders als heute spielte in diesem künstlerischen Bienen-ABC weder der Klimawandel noch das Artensterben eine Rolle. Jede Zeit hat eben ihre eigene Honig-Metaphorik: Ulrike Rosenbach beklagte das Leid der ausgebeuteten und unfruchtbaren Arbeitsbiene, und auch Jürgen Klauke bezog das Bienenfleißige auf die sich aufopfernde Hausfrau. Mit dem Arbeitsalltag im Bienenstock hatte beides wenig zu tun, denn im Gegensatz zur männlichen Drohne durchläuft die weibliche Biene eine abwechslungsreiche Berufskarriere von der Putze bis zur Kriegerin.

Zeitlos wirken die Arbeiten von Rune Mields und Heinz Günter Prager, die sich an der mathematischen Schönheit der Wabe berauschen oder abarbeiten. Michael Buthe macht aus seinem „Bienenkönig“ einen Clown mit roter Nase und Johannes Brus bastelt Bienen aus Erdnussschalen. Auch wenn es den beraubten Bienenvölkern kaum ein Trost ist: Im Museum bedanken sich die Menschen für ihren Fleiß mit einem Überschuss an Fantasie.


„Honig für Kunst und Gesellschaft. Bienen und ihre Produkte in Werken von Joseph Beuys, Hede Bühl, Felix Droese u.a.“, Kunstmuseum Villa Zanders, Konrad-Adenauer-Platz 8, Bergisch Gladbach, Mi., Sa. 10-18 Uhr, Di. 14-18 Uhr, Do. 14-20 Uhr, So. 11-18 Uhr, bis 27. Oktober 2024. Der Katalog zur Ausstellung kostet 29 Euro.