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In Kölner GalerienWarum Eva Hilds Gestaltwandler so viele Menschen glücklich macht

Lesezeit 3 Minuten
Eine weiße Skulptur mit gewellten Formen.

Die Skulptur „Bear 2“ von Eva Hild ist in der Kölner Galerie Martina Kaiser zu sehen.

In Schweden ein Star, in Deutschland kaum bekannt: Die Kölner Galerie Martina Kaiser zeigt amorphe Skulpturen von Eva Hild.

In ihrer schwedischen Heimat begegnet man den Skulpturen Eva Hilds beinahe in jeder größeren Stadt. Sie sind mit ihren geschwungenen, verschlungenen, surreal-amorphen Hohlformen aber auch wahre Augenschmeichler; nichts, was die Bürger auf die Barrikaden treiben würde. Stattdessen sieht man im Internet lauter glückliche Menschen, die vor (und manchmal auch in) Hilds löchrigen Metallriesen posieren und ihr in der Kunst gefundenes Sekundenglück sogleich online stellten.

Seit einigen Jahren exportiert Hild ihre Arbeiten in alle Welt. Eine „Welle“ ging in die USA, ein „Loop“ nach China, und auch die Vereinigten Arabischen Emirate lieben ihren „Flow“. In Deutschland muss man das bergische Land zu Tony Craggs Wuppertaler Skulpturenpark besteigen, um eines ihrer Werke zu sehen. 2018 feierte Cragg die Kollegin mit einer Soloschau, was schon deswegen passt, weil beide in großen Dimensionen denken und sich der gestalteten Gestaltlosigkeit verschrieben haben.

Eva Hilds Großskulpturen sind Ableger ihres von langwieriger Handarbeit geprägten Werks

Man könnte Eva Hild also für eine Erfolgskünstlerin halten, die ihr Markenzeichen so lange zu industriellen Formen aufbläst, bis sie uns mit ihrer immensen Schönheit schier erschlagen wollen. Dabei kam der Erfolg eher zufällig, Hilds metallische Großskulpturen sind lediglich Ableger ihres eigentlichen, von langwieriger Handarbeit geprägten Werks. Bis zu zwei Jahren arbeitete sie an den kurvigen Keramiken, die jetzt in der Kölner Galerie Martina Kaiser zu sehen sind.

Diese Geduld traut man den scheinbar perfekten Gebilden zunächst gar nicht zu. Auf Abbildungen erinnern Hilds poröse Keramiken eher an futuristische 3D-Drucke als an die biomorphen Skulpturen, mit denen Hans Arp und Henry Moore zu Ahnherren einer der Natur abgeschauten Kunst wurden. Sobald man ihnen näherkommt, sieht man jedoch die rauen Stellen, über die das Schmirgelpapier gegangen ist, und ahnt die weißen Farbpartikel, mit denen Hild ihr Steingut pudert.

Eine Metallskulptur steht auf einem Podest.

Der alternative Nobelpreis, eine von Eva Hild im Jahr 2020 geschaffene Skulptur

Für die Künstlerin sind die Objekte wie abstrakte Selbstporträts: Momentaufnahmen einer langen inneren und äußeren Bewegung, in denen die Auseinandersetzung mit dem formbaren Material eingegangen ist. „Ton ist geduldig“, sagt Hild, „er absorbiert die Energie unmittelbar.“ Bei der Arbeit lasse sich die eigene Körperlichkeit daher „ohne Streuverluste“ übersetzen. Das klingt beinahe nach Töpferromantik. Aber damit haben die technoid wirkenden Gebilde wirklich nichts zu tun.

Der Reiz dieser Kunst liegt in ihren Gegensätzen, sowohl den unsichtbaren wie den sichtbaren

Der Reiz dieser Kunst liegt in ihren Gegensätzen, sowohl den unsichtbaren wie den sichtbaren. All die verschlungenen Bänder, auskragenden Löcher und trompetenförmigen Trichter bilden die Illusion einer erstarrten Bewegung, man fühlt sich entfernt an Unterwasserlebewesen erinnert. Die weißen oder (seltener) schwarzen Skulpturen wechseln mit jedem Blickwinkel die Gestalt, und auch das Spiel von Licht und Schatten findet in ihnen viele Angriffsflächen. So sorgt Hild dafür, dass die feste Form bei ihr weiterhin formbar erscheint.

Vielleicht lässt sich die Popularität dieser Augenschmeichler auch damit erklären, dass sie eigentlich Gestaltwandler sind. Sie geben jedem etwas, an dem man sich mit Blicken festhalten kann. Mit Abstrichen gilt dies auch für die Papierarbeiten, auf denen Eva Hild durchscheinende Formen übereinander legt; es sind eigenständige Versuche, eine körperliche Tiefenwirkung auf der weißen Fläche zu erzielen.

Am einfachsten versteht man das Wandlungsprinzip von Hilds Werk jedoch bei einer Skulptur, die nicht in Köln zu sehen ist, sondern seit mehreren Jahren als Auszeichnung an die Träger des Alternativen Nobelpreises verliehen wird. Für diese schuf Hild aus eingeschmolzenen Schusswaffen, die in Kriegs- und Konfliktgebieten beschlagnahmt wurden, eine handliche Version ihrer Objekte; das Kriegsmetall taufte sie in den fiktiven Werkstoff „Humanium“ um. Das Menschliche sucht Hild in allen Dingen - und scheinen sie noch so formlos.


„Eva Hild: Entity“, Galerie Martina Kaiser, Bismarckstr. 50, Köln, Di.-Fr. 13-18 Uhr, Sa. 12-16 Uhr, bis 26. Oktober