AboAbonnieren

„Indiana Jones und das Rad des Schicksals“Wie Harrison Ford Opas Kino mit den Film-Universen von heute verbindet

Lesezeit 4 Minuten
Steven Spielberg & Harrison Ford Characters: Director, Indiana Jones Film: Raiders Of The Lost Ark Indiana Jones USA 1981

Steven Spielberg und Harrison Ford beim Dreh von „Jäger des verlorenen Schatzes“

Am 29. Juni läuft mit „Das Rad des Schicksals“ der fünfte „Indiana Jones“-Film in den Kinos an. Warum die Reihe 100 Jahre Hollywood miteinander verknüpft.

Zum Wesen des Ikonischen gehört die Illusion der Zwangsläufigkeit. Es kann gar nicht anders, als genau so sein, wie es ist. Oder können Sie sich Steve Martin in der Rolle des hartgesottenen Archäologen „Indiana Jones“ vorstellen?

Das ist absurd, nicht wahr? Und doch gehörte der Stand-up-Comedian zur Reihe derjenigen Schauspieler, die sich George Lucas und Steven Spielberg in der Hauptrolle ihres Action-Abenteuers „Raiders of the Lost Ark“ vorstellen konnten, das im Sommer 1981, also vor 40 Jahren, in die Kinos kam. Ebenso wie Bill Murray (im Ernst?), Jeff Bridges und Tom Selleck, der es geworden wäre, hätte er sich nicht zuvor bereits für die Fernsehserie „Magnum“ verpflichtet.

Warum sich George Lucas zuerst gegen Harrison Ford sträubte

Selbstredend war Harrison Ford, der nun, 80-jährig, zum fünften Mal in der Rolle seines Lebens antritt, von Anfang an die einzig richtige Wahl. Doch vor allem Lucas sträubte sich dagegen, den Mann, den er bereits als „Han Solo“ zum Star gemacht hatte, erneut zu besetzen. Zudem Ford sich zu diesem Zeitpunkt noch weigerte, den westentragenden Weltraum-Desperado ein drittes Mal zu spielen, Lucas „Indiana Jones“ jedoch von vorneherein als potenzielles Film-Franchise entworfen hatte.

Schließlich liegen Jones' Ursprünge in den sogenannten Serials, jenen B-Movies - „Flash Gordon“, „Zorro“, „Spy Smasher“ - die ab den 1920er Jahren in knapp halbstündigen Fortsetzungen vor dem Hauptfilm liefen und stets mit einem, oft buchstäblichen, Cliffhanger endeten, auf dass die Kinogänger auch in der darauffolgenden Woche ihre Karten kaufen würden.

Der Siegeszug des Fernsehens Anfang der 1950er Jahre markierte das Ende der Film-Serials und ihrer Agenten-, Western-, Science-Fiction- und Superhelden, doch George Lucas hatte als Kind noch ihre letzten Ausläufer mit großen Augen vom Sperrsitz aus verfolgt. Selbst „Star Wars“ hatte seinen Ursprung in Lucas' Plan, den alten Serial-Helden Flash Gordon wiederzubeleben (was an den Filmrechten scheiterte).

Lass uns den Trottel doch einfach erschießen.
Harrison Ford

Ist „Jäger des verlorenen Schatzes“ also nur der voreilig nostalgische Aufguss - die beiden Filmemacher waren erst in ihren Dreißigern - einer überholten Form? Ein B-Film mit A-Film-Budget inszeniert, mit der Sorgfalt großer Auteurs?

Vor allem eine ikonisch gewordene Szene markiert den Unterschied zwischen altem Kintopp und der zynischeren Blockbuster-Ära. Zu verdanken haben wir sie Harrison Ford: Im ersten Indiana-Jones-Film wird er von einem säbelschwingenden Bösewicht durch Kairo verfolgt. Die Menge teilt sich, erwartet einen epischen Kampf zwischen dem Klischee-Orientalen und dem peitschenschnalzenden Abenteurer. Doch der greift stattdessen zum Revolver - und knallt den Schwertmann nieder.

Tatsächlich hatte ein Stuntdouble wochenlang für das große Duell geübt. Doch Ford litt an Durchfall, wollte schnell mit der Szene fertig werden und schlug seinem Regisseur Steven Spielberg vor: „Lass uns den Trottel doch einfach erschießen.“

Das funktionierte, weil das Publikum verstand, dass Indy hier auf ein Filmklischee schoss. Auf jeden Fall ist „Jäger des verlorenen Schatzes“ ein Film über Filme, über die Leinwand als Traumstoff und Alltagsfluchtpunkt, als verlorenen Schatz - und allein das war nach dem rauen Realismus des Hollywoods der 70er ein Schock.

Auch die Nazi-Schergen hier haben nichts mit ihren geschichtlichen Vorbildern zu tun, sie entstammen dem Reservoir unzähliger amerikanischer Comics und Agenten-Filme. Ebenso verweist die Bundeslade, der Indiana Jones im ersten Teil hinterherjagt, auf Boris Karloffs „Die Mumie“ und Cecil B. DeMilles „Die Zehn Gebote“, aber nicht auf die biblische Überlieferung, und zuletzt findet sich für die grabräuberische „Archäologie“, die Harrison Ford hier betreibt, keine Entsprechung in der Wirklichkeit, dafür aber in alten Comic-Strips wie „Terry and the Pirates“ oder „Tim und Struppi“.

Aber „Jäger des verlorenen Schatzes“ blickte auch weit nach vorne, auf das kommerzielle Kino unserer Gegenwart, in dem fast ausschließlich Helden, die direkt aus alten Serials stammen könnten, die großen Leinwände bevölkern.

In dem, wie im Marvel Cinematic Universe, der Hauptfilm zum Serial geworden ist, weil er - selbst auf drei Stunden Laufzeit und ein dreistelliges Millionenbudget aufgebläht - nur auf die jeweils nächste Episode verweist. Nebenbei: Das Produktionsvolumen von „Jäger des verlorenen Schatzes“ betrug bescheidene 20 Millionen Dollar.

Man könnte den peitschenden Professor Jones also als faszinierendes Gelenkstück bezeichnen, welches das Kino der Attraktionen aus den Säuglingsjahren des Mediums mit den heutigen Erzählwelten verbindet, deren Geschichten sich über Einzel- und Ensemblefilme, Fernsehserien, Streaming-Content und Fahrgeschäfte in Themenparks erstreckt. „Jäger des verlorenen Schatzes“ hat den Film in jenes Kinderparadies zurückgeholt, in dem die Bilder laufen lernten, den Jahrmarkt.