Interview mit Konrad Beikircher„Die Rheinländer hätten schnell abgewinkt“
Herr Beikircher, als Katholik bringen Sie das Reformationsjubiläum auf die Formel „500 Jahre im falschen Glauben“. Mal mit Giovanni Trapattoni gefragt: Was erlauben Beikircher?
Ich erlaube mir das Spielen mit alten Aversionen und Vorurteilen. Ich persönlich würde keinem Protestanten attestieren, im falschen Glauben zu leben. Und mal ganz im Ernst: Wie zwei Konfessionen vor lauter Kleingeisterei so weit auseinanderdriften können, das ist eigentlich ungeheuer.
Wer weiß, ob insgeheim nicht doch mehr dahintersteckt? Schließlich sind die Protestanten mit ihrer ganzen Liberalität für einen Kabarettisten viel undankbarer als der gerade in moralischen Fragen eher sperrige, widerständige Katholizismus.
Das stimmt. Bei den Evangelischen geht jede Spitze wie durch Butter - da kannst du sagen, was du willst. Andererseits bin ich auf Katholiken getroffen, deren Kantigkeit mir am Ende dann doch zu weit ging.
Für wen gilt das zum Beispiel?
Ich weiß nicht, ob ich das überhaupt erzählen sollte. Es geht nämlich um einen, der inzwischen tot ist: Kardinal Joachim Meisner. Aber vielleicht muss es auch mal gesagt werden, weil es so bezeichnend ist. Und ich habe sogar einen Zeugen dafür, was der damalige Kölner Erzbischof zu mir gesagt hat, als ich 2005 zu einem etwa einstündigen Besuch bei ihm war, der mich sehr bewegt hat. Er war einfach ein toller Mann. Aber im Laufe unseres Gesprächs hat er wörtlich gemeint: „Eines muss ich Ihnen mal sagen, Herr Beikircher. Ich kann die Protestanten auf den Tod nicht leiden.“ Das hat mich dann doch sehr befremdet.
Denken Sie, solche Ressentiments sind noch symptomatisch für das Verhältnis der Kirchen zueinander?
Ich mache bei meinen Auftritten zumindest die Erfahrung, dass sich mancher bei seinen eigenen Vorbehalten gegenüber der jeweils anderen Kirche ertappt fühlt.
Auch was die Person Luthers betrifft? Der war ja nun wohl tatsächlich ein schwieriger Typ.
Er wurde in 500 Jahren Reformationsgeschichte aber auch dazu gemacht. Seine Lebensführung spricht dafür, dass er den leiblichen Genüssen durchaus zugetan war: gutem Essen ebenso wie gutem Sex.
Haben Sie bei den Jubiläumsfeiern zur Reformation dieses Moment unverkrampfter Diesseitigkeit vermisst? Sie monieren, es sei alles eine Spur zu ernst - von den Reden bis zu den vielen gelehrten Büchern. Aber ist nicht der Glaube letztlich eine ernste Angelegenheit, weil er aufs Ganze geht?
Also, da halte ich es doch lieber mit der Leichtigkeit des italienischen Katholizismus, der Gott im Grund angstfrei gegenübertritt, weil er davon ausgeht: Es ist der liebe Gott, der alles verzeiht, spätestens dann, wenn die Muttergottes auf den Plan tritt und Fürsprache für uns Menschenkinder einlegt. Mit diesem Zugang zu den höheren Sphären bin ich in Südtirol aufgewachsen und habe ihn später sehr ähnlich im hiesigen Katholizismus wiedergefunden. Die romanisch-rheinische Weltzugewandtheit fand ich von Jugend an sympathischer, lockerer, leichter und lebensdienlicher als den ständigen bangen Blick nach oben und das Zittern um das ewige Seelenheil. Ich war acht Jahre lang Schüler bei den Franziskanern, von denen viele aus Winzer- oder Bauernfamilien stammten. Wenn wir mit den Brüdern Ausflüge machten und mit ihnen auf die Höfe der Verwandtschaft kamen, dann gehörte dort gutes Essen und Trinken ganz selbstverständlich dazu - das pralle Leben, möchte ich sagen. Demgegenüber so etwas Karges wie das „Abendbrot“, ein von Luther erfundenes Wort! Ich war ganz entrüstet, als ich es das erste Mal gehört habe.
Warum?
Es wollte mir einfach nicht in den Kopf, wie man so etwas Genussvolles wie ein abendliches Mahl - gar in Gemeinschaft - auf den Verzehr von Brot reduzieren könnte.
Spielen Sie doch mal den Gedanken durch, was passiert wäre, wenn Luther seine 95 Thesen zur Kirchenreform im Rheinland veröffentlicht hätte!
Ich denke, die Rheinländer hätten schnell abgewinkt, und die ganze schöne Reformation wäre ins Leere gelaufen. Sie entzündete sich ja am Unwesen des Ablasshandels und der Verlotterung am päpstlichen Hofe. Aber wahrscheinlich hätten die Kölner sich nicht so rechtschaffen darüber empören können wie die Thüringer und Sachsen. In Köln hätten sie über die Korruption des Klerus gelacht und in einer frühen Form des Mottowagens aufgespießt. Aber das wär's dann auch gewesen. Eine Bewegung wie die Reformation brauchte für ihren Erfolg diese Erdenschwere, diesen Ernst, der einem bis heute begegnet, wenn man in Mitteldeutschland unterwegs ist. Nirgendwo anders habe ich so häufig die irritierte Frage gehört: „Warum lachen Sie jetzt?“
Zur Person
Konrad Beikircher, geboren 1945 in Bruneck (Italien), ist einer der bekanntesten Kölner Imis. Der Südtiroler kam 1965 zum Studium der Musikwissenschaften, Psychologie und Philosophie nach Bonn, wo er seither lebt. Seit 1986 ist Beikircher freiberuflich als Kabarettist tätig. In seinen Programmen erklärt er seinen Zuhörern in waschechtem rheinischem Dialekt vorzugsweise und vorzüglich Gott, die Welt und die Rheinländer. (jf)
Die CD „500 Jahre falscher Glaube“, ein Mitschnitt des Westdeutschen-Rundfunks von Beikirchers Auftritt in der Nippeser „Kulturkirche“ am 23. Mai 2017, ist seit September im Handel. Sie kostet 16,99 Euro (als MP3-Album 9,99 Euro). www.wordart.de
Mit seinem Programm gleichen Namens tritt Beikircher am Mittwoch, 8. November, um 19 Uhr im Bonner Ernst-Kalkuhl-Gymnasium, Königswinterer Straße 534, auf.www.beikircher.de/live-programm