Introdans verbindet im Staatenhaus die Tanzmoderne mit dem Komponisten
Introdans im StaatenhausBach verträgt sich wunderbar mit Breakdance
„Introdans“ und „Bach“ – zwei Worte, die Gutes verheißen: Die renommierte Kompanie aus Arnheim mit typisch niederländisch-zeitgenössischer Tanz-Expertise und nah am Stil des noch berühmteren, zwölf Jahre älteren Nederlands Danse Theaters – sie zeigt Choreografien zur Musik von Johann Sebastian Bach im Kölner Staatenhaus.
Zum Auftakt „Corpus Bach“ von Sidi Larbi Cherkaoui und Nicolas Vladyslav. Der „Corpus“ – das ist vor allem ein barockes Cello. Das Instrument bekommt mitten auf der Bühne ein kleines Podest. Dort spielt Musiker Detmar Leertouwer live Bachs Cellosuiten, dazu interpretieren vier Tänzer die Hoftänze Menuett, Gigue, Sarabande sehr eigenwillig, mit Urban-Dance-Attitüde: Die Arme räkeln sich galant nach oben, sternförmiges Schreiten und dann: Hip-Hop-Headstand mit angewinkeltem Ellbogen.
Und so wie dem Barockcello der Stachel fehlt, treibt auch das Choreografen-Duo dem Tanz von der Straße die Härte und Kantigkeit aus, zeigt die eigentlich wuchtigen Moves mit der Cherkaoui-typischen Poesie und Zartheit.
Schon vielfach wurde bewiesen, wie gut sich Bach mit Breakdance verträgt, und die pädagogische Mission, die sich damit gewollt oder ungewollt verbinden lässt – jüngeres Publikum für Klassik zu interessieren –, kommt zumindest bei Förderern immer gut. So ist der Urban Dance auch die Stil-Grundlage in Teil zwei des Abends.
Der Mensch als getriebene Business-Kreatur
Der hierzulande noch unbekannte Choreograf Manuel Vignoulle – Extänzer bei Star-Ensembles wie „Lalala Human Steps“ und der „Forsythe Company“ – hat das einzige eigens für Introdans entwickelte Stück des Abends kreiert: „Anima“. Der Mensch als getriebene Business-Kreatur, die als steifbeinig tippelndes Aufziehpüppchen aktionistisch über die Bühne schnurrt und nicht mal spürt, dass sie längst ihre Seele verloren hat. Dazu ein Medley aus dem Bach-Œuvre als ideeller Kontrapunkt.
Nun ja, eine Menschheits-Klage mit etwas zu viel „Show“, wie überhaupt „Introdans“ sein Programm, das zwischen die zeitgenössischen Tanz-Stücke auch zwei Filmeinlagen schiebt, betont niederschwellig anlegt. Immerhin werden so mal die Tänzerinnen und Tänzer einzeln und in Großaufnahme gewürdigt.
Und letztlich kommt die Kunst nicht zu kurz an diesem Abend, denn da gibt es ja noch „Selon Désir“ vom Griechen Andonis Foniadakis. In seinen Seelenwelten tobt ein Sturm, Begehren, Sehnen, Hoffen, Verzweiflung, alles zugleich. Die Tänzerinnen und Tänzer reißen an ihren Gliedmaßen, taumeln, schleudern sich kurz in die Höhe, dort erschlaffen ihre Körper, sodass sie zu fallen scheinen wie in den „Höllensturz“-Gemälden der christlichen Ikonografie. Dazu die Eröffnungschöre von Bachs „Johannes-“ und „Matthäus-Passion“.
Der Mensch als Sünder, doch bei Foniadakis hilft keine Reue mehr, die ewige Verdammnis ist längst über die Spezies gekommen. Eine grandios choreografierte Eschatologie, auch hinreißend getanzt. Foniadakis war noch nie bei Tanz Köln zu sehen – auf mehr vom Newcomer darf man nun hoffen im klug austarierten Programm zwischen wiederkehrenden Erfolgsgaranten und Entdeckungen.
Nächste Vorstellung bei Tanz Köln: 26. bis 28. 5. 2023, „Requiem“ von Kyle Abraham im Depot 1