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Italo-SchlagerRoy Bianco und die Abbrunzati Boys im Palladium: Eine Welt von wunderbarem Kitsch

Lesezeit 3 Minuten
04.11.2024
Köln: 
Konzert von Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys im Palladium. 
Foto: Martina Goyert

Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys im Palladium

Roy Bianco und die Abbrunzati Boys spielen zwei Konzerte im Kölner Palladium. Die Menge tobt zu Hits wie „Brennerautobahn“ und „Bella Napoli“.

Von Andrea Berg über Michelle zu Udo Jürgens – sein biederes Image wird der Schlager nicht los, da kann Helene Fischer noch so viele Dance-Pop-Lieder veröffentlichen. Roy Bianco und die Abbrunzati Boys hingegen gelingt es mit einem ganz besonderen Werkzeug, Menschen mit ihrem Italo-Schlager zu gewinnen: Humor. In eine Welt von wunderbarem Quatsch entführten die sechs herrlich schrägen Vögel am Sonntag- und Montagabend ihr Publikum im Palladium.

Roy Bianco und die Abbrunzati Boys, so steht es selbst erfunden in der Band-Vita, wurden 1982 gegründet und spielten bis zu ihrer Auflösung 1997 große Tourneen. Auf ihren Comeback-Konzerten füllen die sechs Musiker, alle um die 30 Jahre, immer noch die großen Hallen. Das Klischee eines schnulzigen Toskana-Tenors reizt die Band bis ins kleinste Detail aus.

Roy Bianco und die Abbrunzati Boys in Köln: Klischee bis ins letzte Detail

Roy Biancos Markenzeichen ist der weiße Anzug, in Köln mit Unterhemd im Leoparden-Muster, dazu das schelmische Zahnpasta-Grinsen als Teil eines leicht schmierigen Erscheinungsbilds. Gitarrist Die Abbrunzati Boys trägt Türkis und zeigt sein Brusthaar. Auch Eisensepp, Bungo Jonas, Ralph Rubin und Blechkofler, die anderen Bandmitglieder, bestechen mit Einfallsreichtum bei ihrer Kostüm-Auswahl.

Das Publikum haben die Sechs direkt zu Beginn auf ihrer Seite: Wer bei „MS Abbrunzatissimia“, dem Opener vom aktuellen Album „Kult“, noch nicht mitsingen kann, tut es spätestens bei „Vino Rosso“ und der wunderschönen Antonella, die Roy Bianco in den Spielhallen von Jesolo traf.

Oasis-Hommage bei „Goodbye, Arrivederci“

In den sozialen Medien hatten die Fans den Entstehungsprozess des Stücks „Goodbye, Arrivederci“ verfolgen können, die Band hatte es in den legendären Abbey Road Studios aufgenommen. Und einmal den Bogen zum Britpop geschlagen, baut sie ob des ähnlich klingenden Schlagzeug-Intros auch gleich eine Strophe von „Supersonic“ von Oasis ein – inklusive typischer Liam-Gallagher-Pose mit den Händen auf dem Rücken.

04.11.2024
Köln: 
Konzert von Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys im Palladium. 
Foto: Martina Goyert

Die Roy-Bianco-Fans im Palladium

Bewusst ungelenk groovt Roy Bianco zu „Rimini Disco“ über die Bühne, marschiert beim nicht minder tanzbaren „Giro“ über ein Laufband, was irgendwann in den 80ern mal ein cooles Show-Element gewesen sein muss. Spätestens hier erklären sich die gepunkteten Rad-Trikots, die einige Zuschauerinnen und Zuschauer tragen.

Fans im Trikot der Squadra Azzurra oder im Rad-Trikot

Die Hommage an Marco Pantani, Doppelsieger von Giro d'Italia und Tour de France 1998, ist genauso beliebt wie Trikots der Fußballnationalmannschaft oder der SSC Neapel. Was bei Rockkonzerten Circle Pits und Wall of Death sind, wird bei Roy Bianco zu „Schlager-Strudeln“ und der „Wand der Bewegung“ – Ekstase in Harmonie.

Mit einem Streitgespräch auf der Urlaubsfahrt, wie es schon tausende Mal auf dem Weg nach Süden vorgekommen sein dürfte, beginnt der Kracher „Brennerautobahn“. Die Menge hüpft mit dem Telepass bergab, Imola liegt rechts, Ravenna liegt links.

Große Gefühle und ganz viel Schmalz in der Zugabe

Den größten Hit der Band, „Bella Napoli“, dirigiert Roy Bianco mit schwungvollen Armbewegungen, das Konzert spielt sich fast von selbst. Es folgen das treibende „Velocità“ (Geschwindigkeit) und die Sehnsucht nach der Nacht mit „Sophia Loren“, kürzlich 90 geworden.

Die schnulzigsten Schmonzetten hebt sich das Sextett bis zur Zugabe auf: „Consenza bei Nacht“ und „Baci“ (Küsse) spielen Sänger und Gitarrist oben auf einer der Emporen im Palladium, für „Capri '82“ zündet Keyboarder Ralph Rubin sein Instrument an. Weiße Papierschnipsel regnen beim Kitsch-Höhepunkt „Weiße Rosen“ – und im Publikum gewinnt man den Eindruck, dass es der Band ernst ist mit ihrer Botschaft, die ganz großen Gefühle zu transportieren.