Jack Nicholson zum 85. GeburtstagDie beste Fehlbesetzung der Filmgeschichte
Köln – Stephen King soll ziemlich unglücklich darüber gewesen sein, dass ausgerechnet Jack Nicholson die Hauptrolle in der Verfilmung seines Romans „Shining“ übernahm. King hatte sich einen Schriftsteller ausgedacht, der den eigenen Ansprüchen nicht genügt und während einer langen Schreibblockade den schleichenden Ausweg in den Wahnsinn nimmt. Diesen armen, gefährlichen Tropf sollte nun der Mann spielen, in dem nicht nur King den leibhaftigen Springteufel von Hollywood sah.
Tatsächlich entpuppte sich Nicholson als die beste Fehlbesetzung der Filmgeschichte – ein kaputter, vom schäbigen Leben gekränkter Typ, der den axtschwingenden Irren im aufgeräumten Familienvater von Anfang an nur schwer zu bändigen weiß. Mit psychologischer Einfühlung hatte das wenig zu tun und war wohl auch nicht das, was „Shining“-Regisseur Stanley Kubrick von seinem Star erwartete. Stattdessen lieferte Nicholson, den Blick gesenkt, die Pupillen in Richtung Schädeldecke verdreht, schauspielerische Postermomente, komisch und verstörend zugleich und unvergesslich in ihrer grotesken Überzeichnung.
Jack Nichsolson war herrische, unergründliche Männlichkeit
Mit dem tiefgefrorenen Jack Torrance war Nicholson früh an einem Schlusspunkt seiner Karriere angelangt, die ihn, nach Lehrjahren in der Roger-Corman-Schule des gehobenen Schundfilms, zu einem der großen Stars des neuen Hollywood werden ließ. Mit seinem schütteren Haar, dem nach Belieben an- und ausschaltbaren Haifischgrinsen und seiner Neigung zu gebrochenen Charakteren entsprach er dem in den 1970er Jahren (wieder-)geborenen Ideal einer herrischen, tragisch umwölkten und in ihren Widersprüchen unergründlicher Männlichkeit.
Nicholson war das Gegenteil eines strahlenden Helden und schien seine Erfüllung, wie in „Einer flog über das Kuckucksnest“, im absehbaren Scheitern zu finden. Er war es den schlechten Verhältnissen schuldig, sich gegen sie aufzulehnen. Aber um sie zu ändern, fehlte ihm die Ernsthaftigkeit. Seine Ausflucht war die Komik, die vorgetäuschte Lobotomie, aus der er feixend über die Gefoppten erwacht.
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Diese intelligente Lust an der Täuschung machte Nicholson zum geborenen Schauspieler und zur Hollywood-Legende – mit allem, was an privaten Skandalgeschichten anscheinend dazugehörte. Er war zwölf Mal für den Oscar nominiert, drei Mal erhielt er die Auszeichnung (für das „Kuckucksnest“, „Zeit der Zärtlichkeit“ und „Besser geht’s nicht“) und wenigstens für seinen Humphrey-Bogart-Wiedergänger in „Chinatown“ hätte er eine weitere verdient gehabt.
Allerdings wurde sich Nicholson seiner überlegenen Mittel nach „Shining“ zu sehr gewiss, immer häufiger spielte er seine eigene Legende, den über allen thronenden Star, nicht immer, aber oft auch zum Nutzen seiner Filme. In „Die Hexen von Eastwick“ ist er ein herrlich lächerlicher Teufel, in „Eine Frage der Ehre“ die an sich selbst scheiternde virile Arroganz und in „Wolf“ ein alterndes Alphamännchen.
Später Triumph mit „Besser geht’s nicht“
Ein später Triumph war sein Schriftsteller in „Besser geht’s nicht“, ein Scheusal, das seine Unsicherheit hinter einer Fassade aus Bösartigkeiten und krankhaften Ticks versteckt. Auch hier lässt uns Nicholson früh den wahren Kern im Mann, den verhinderten Romantiker, erahnen, wie man überhaupt sagen muss, dass Nicholson mit fortschreitendem Alter einen ganz brauchbaren Liebespartner abgab. Beinahe schon willfährig lässt er sich in „Was das Herz begehrt“ von Diane Keaton nach Screwball-Comedy-Manier bezähmen.
Selbst Wahnsinn ermattet irgendwann, und es muss kein Schaden sein. Am Freitag wird Jack Nicholson, der Schauspieler und die Legende, 85 Jahre alt.