Hinter dem Warten auf den neuen Bond verbirgt sich der Kampf zweier Entertainment-Systeme. Ein Immobilienentwickler will die Marke an sich reißen.
James BondÖsterreicher will 007 klauen, aber der wahre Bösewicht heißt Amazon

Daniel Craig hat sich mit „Keine Zeit zu sterben“ von James Bond verabschiedet
Copyright: imago images/ZUMA Press
James Bond ist tot. Zumindest war er das am Ende seines bislang letzten Abenteuers mit dem irreführenden Titel „Keine Zeit zu sterben“. Dass sich 007 in Erfüllung seiner Mission opfert, soll der Wunsch von Bond-Darsteller Daniel Craig gewesen sein, der sich nach 15 Jahren im Geheimdienst ihrer Majestät von der Rolle verabschiedete. Seitdem herrscht Grabesstille bei Eon Productions, dem von Barbara Broccoli und Michael G. Wilson geführten Familienunternehmen, das seit „Dr. No“ aus dem Jahr 1961 insgesamt 25 Bond-Filme produziert hat.
„Unter unserer Aufsicht wird James Bond nicht sterben“, verkündete vergangene Woche der österreichische Immobilienentwickler Josef Kleindienst. Den Ex-Polizisten kennt man in seiner Heimat noch aufgrund seiner Verwicklung im sogenannten „Spitzelskandal“: Im Auftrag der FPÖ soll Kleindienst Daten konkurrierender Politiker aus Polizeidatenbanken abgefragt und zur Denunziation in Boulevardblättern weitergereicht haben.
Ein Luxusressort auf sechs künstlichen Inseln vor Dubai? Klingt nach Bond-Bösewicht
Auf seine kleine, schäbige Art war er also selbst ein Spion. Zwischenzeitlich ist Kleindienst durch Wertpapierspekulationen zu Geld gekommen. Derzeit entwickelt er einen fünf Milliarden Dollar teuren Luxusresort-Komplex namens „Heart of Europe“ auf sechs künstlichen Inseln vor Dubai, was nun wiederum eher nach Bond-Bösewicht klingt.
Wie der „Guardian“ berichtete, will sich Kleindienst die Rechte an der Marke „James Bond“ im Vereinigten Königreich und in der EU sichern. Gemäß Markenrecht, argumentiert er, könne die Inhaberschaft angefochten werden, wenn eine Marke fünf Jahre nicht genutzt wurde. Daniel Craig hatte bereits 2019 seinen Rücktritt bekanntgegeben, die Premiere von „No Time to Die“ wurde wegen der Pandemie um zwei Jahre auf den 28. September 2021 verschoben.
Nach dem Ende der Sowjetunion musste sich der kälteste aller Krieger neu sortieren
Bis heute existiert weder ein Nachfolger für Craig, noch ein Drehbuch, ein Regisseur oder auch nur ein Zeitplan für Film Nummer 26 – es wird wohl die längste Pause in der Geschichte der Reihe. Davor waren die sechs Jahre zwischen dem zweiten Timothy-Dalton-Film „Lizenz zum Töten“ (1989) und „Goldeneye“ (1995), dem ersten mit Pierce Brosnan in der Titelrolle, die längste Zeit, die zwischen zwei Bond-Abenteuern vergangen war: Nach dem Ende der Sowjetunion musste sich der kälteste aller Krieger neu sortieren.
Der wahre Endgegner für den kommenden Bond heißt jedoch nicht Josef Kleindienst. Insider gehen davon, dass er vor Gericht nicht den Hauch einer Chance haben wird. „Sein opportunistischer Versuch, sich an geistigem Eigentum zu bereichern, basiert auf der Annahme, dass an der James-Bond-Reihe nicht weitergearbeitet wird“, sagt der Bond-Experte Ajay Chowdhury, der als Anwalt für geistiges Eigentum in der Filmbranche arbeitet. „Diese Annahme ist mit ziemlicher Sicherheit falsch.“ Aber mit dieser Annahme hat der findige Immobilienentwickler den Finger in die Wunde gelegt. Tatsächlich sieht es nämlich so aus, als halte Barbara Broccoli mit voller Absicht den Fuß auf der Bremse.

Die Bond-Produzenten Barbara Broccoli und Michael G. Wilson
Copyright: dpa
Als der britische Schauspieler David Tennant vor ein paar Tagen die Bafta Film Awards moderierte, verglich er das komplexe Intrigenspiel bei der Suche nach einem eher progressiv-woken oder doch wieder traditionell-machohaften neuen James Bond mit der Papstwahl in Edward Bergers Film „Konklave“.
Der wahre Grund fürs lange Zaudern liegt woanders. Genau wie ihr Agent überlässt Broccoli ihren Gegnern den ersten Schuss. Keinen neuen Film zu produzieren, ist ihre wertvollste Karte im Machtpoker um die Bond-Rechte. Die teilt sich Eon Productions mit Metro-Goldwyn-Mayer. Das 1924 gegründete Hollywood-Studio wurde vor drei Jahren für knapp 8,5 Milliarden Dollar von Amazon aufgekauft, die Bond-Rechte waren ein wichtiger Teil des Deals.
„Diese Leute sind verdammte Idioten“, soll Bond-Produzentin Barbara Broccoli geklagt haben
Die ersten Treffen zwischen Amazon und Eon Productions müssen desaströs ausgefallen sein, wie unter anderem das „Wall Street Journal“ berichtete. „Diese Leute sind verdammte Idioten“, soll Broccoli gegenüber Freunden geklagt haben. Angeblich habe eine Amazon-Angestellte ein Meeting mit den Worten eröffnet: „Ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass James Bond ein Held ist.“ Gefolgt von eisigem Schweigen.
Es sind zwei inkompatible Unternehmenskulturen, die hier aufeinandertreffen: Das klassische Studio-System, in dem man seine Marken sorgsam entwickelt, sich auf persönliche Kontakte und seinen Instinkt verlässt – und die neue Streaming-Industrie, die nach den Gesetzen des Silicon Valley vorgeht, mit großen Datenmengen, Algorithmen und Abonnenten rechnet.
Für Broccoli, so das „Wall Street Journal“, sei James Bond ein wertvolles, mit Vorsicht zu behandelndes Familienerbstück. Für Amazon dagegen bloßer Content mit hohem Wiedererkennungswert. Die Vorschläge von Seiten des Onlineversandhändlers – eine Bond-TV-Serie, ein Spin-off mit Miss Moneypenny oder mit einer weiblichen 007 – prallten bei Broccoli erwartungsgemäß auf eine Mauer. Solche Content-Maximierungen über verschiedene Kanäle hinweg trüben aus ihrer Sicht nur den Kino-Glanz des Agenten. Albert R. „Cubby“ Broccoli, der Vater der heutigen Bond-Chefin, hatte ihr geraten: „Man soll zeitlich befristete Personen keine dauerhaften Entscheidungen fällen lassen.“
Dahinter steckt mehr als nur Snobismus: Disney hat sich für sehr viel Geld George Lucas' „Star Wars“ sowie das Marvel-Universum einverleibt – und beide Marken mit einer schwer zu bewältigenden Fülle an mittelmäßigem Streaming-Serien beschädigt. Und man muss nur Peter Jacksons heiß geliebte „Herr der Ringe“-Trilogie mit Amazons langatmiger Fantasy-Serie „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“ vergleichen, wenn man wissen will, welches System wohl besser dazu geeignet ist, populäre Mythen mit neuem Leben zu füllen. (mit dpa)