Beim dritten Philharmonie-Konzert in kurzer Folge trat der kanadische Starpianist Jan Lisiecki mit vollendeter Noblesse ins Glied zurück.
Jan Lisiecki in KölnEin Zusammenspiel, wie es besser kaum hätte sein können

Jan Lisiecki gab mit drei Konzerten eine kurze Residency in Köln.
Copyright: Ksawery Zamoyski
Jan Lisiecki zum Dritten. Das letzte Konzert der kleinen Residency des kanadischen Starpianisten und der Academy of St. Martin in the Fields im Rahmen der Kölner philharmonischen Meisterkonzerte bestätigte vollauf das außergewöhnliche Niveau der Beethoven-Interpretation, auf dem sich Lisiecki und seine Partner bewegen. Insofern vor dem fünften Klavierkonzert das Tripelkonzert erklang, hatten diesmal die Partner – eben nicht nur das Begleitorchester, sondern auch Konzertmeister Tomo Keller und der Cellist Daniel Müller-Schott – ein stärkeres Gewicht als an den anderen Abenden.
Lisiecki trat da mit vollendeter Noblesse sozusagen ins Glied zurück, wurde zum Kammermusiker in einem Klaviertrio, das klanglich ein großartig sonores Cello dominierte. Insgesamt war hier ein Zusammenspiel zu erleben, wie es inspirierter, vitaler, besser in der Kunst der Übergänge, spritziger in der Setzung von Humorpointen im Polka-Finale kaum hätte sein können. Und Spaß an ihrem Tun hatten die Künstler ersichtlich auch noch. Herrlich im entspannt strömenden, kantablen Wohllaut gelang ebenfalls die Zugabe der drei Solisten, der Mittelsatz aus Mendelssohns d-Moll-Trio.
Im fünften Klavierkonzert schien sich Lisiecki etwas stärker einzumischen als in den vorangegangenen Auftritten
Viel Anleitung schien die Academy nicht zu benötigen, gleich der Beginn des Tripelkonzerts in den Bässen kam wie von selbst aus dem Keller der Partitur. Im fünften Klavierkonzert schien sich Lisiecki etwas stärker einzumischen als in den vorangegangenen Auftritten. So oder so gerieten die Dialoge zwischen Flügel und Orchesterinstrumenten immer wieder (besonders nachdrücklich etwa in der Durchführung des ersten Satzes) zu Höhepunkten der Interpretation. Man kann diese Stellen ja, ohne dass das grob falsch wäre, so absolvieren, dass erst der eine, dann der oder die andere spielt. Aber kongeniale Anverwandlung ist etwas anderes als Korrektheit: Sie bezeichnet – und genau das war hier zu hören – einen Effekt der Dynamisierung und Verflechtung, der die unterschiedlichen Klangfarben unmittelbar sprechen lässt.
Lisiecki bewies sich auch hier – stets auf der Basis eines schlanken, fokussierten, energisch federnden Zugriffs – als Meister der Übergänge. Wenn er etwa kurz vor der Reprise im ersten Satz seine Oktaven gezielt in einen Erschöpfungszustand führt und dabei auch sehr leise wird; wenn er am Ende des zweiten Satzes das Thema des dritten wie beim Erwachen aus einem Traum auftauchen lässt, dann sind das szenische Vergegenwärtigungen, die den Hörer unmittelbar in das Geschehen hineinziehen. Die Möglichkeiten der Differenzierung und Abschattierung, die Lisiecki zu Gebote stehen, scheinen unbegrenzt zu sein, da gibt es keine einzige belanglos-ungestaltete Phrase.
Die Academy, genauer: ihre formidable Bläserabteilung, durfte sich auch diesmal, gleich zu Beginn, als solche präsentieren: mit dem „Seascape“ der 1999 verstorbenen britischen Komponistin Ruth Gipps, einem klangsinnlich-wohltönenden Stück, das an Meeresimpressionen von Debussy bis Britten erinnert und dank seiner schönen Melodik und tonalen Anmutungen keinerlei Affekte gegen Neutönertum auslöst. So macht auch moderne Musik allgemein Freude.