Seiner deutschen Brachialmusik verdanken wir das Verb „brötzen“. Jetzt ist der weltweit bewunderte Jazzer Peter Brötzmann gestorben.
Zum Tod von Peter BrötzmannWer braucht Musik, wenn man auch lärmen kann
Kafka mag ein Adjektiv sein Eigen nennen, doch Peter Brötzmann hat sogar ein Verb geprägt: Von „brötzen“ sprachen Kollegen, wenn der Wuppertaler Brachialmusiker ins Saxofon stieß und die Grenzen, die ihm Harmonielehre, Jazztradition und bürgerliche Wohlanständigkeit setzten, einfach, na ja, wegbrötzte.
„Machine Gun“ hieß das 1968 veröffentlichte Album, live eingespielt mit seinem Oktett in einer Bremer Keller-Diskothek. Die Tontechniker von Radio Bremen, heißt es, mussten sich damals Decken aus dem Theaterfundus leihen, um die Mikrofone zu verhängen, die einem solchen Lautstärkeansturm technisch nicht gewachsen waren. Schockieren, sagte Brötzmann, wollte er keineswegs. Allerdings provoziere eine brutale Gesellschaft, die Biafra und Vietnam zulasse, eben auch eine brutale Musik.
Brötzmann fand auch in den USA und Japan ergebene Anhänger
Mit „Machine Gun“ setzte sich Brötzmann an die Spitze des deutschen Free Jazz, wahrscheinlich war der Berserker mit dem Bürstenhaarschnitt und dem buschigen Schnauz im Ausland der bekannteste deutsche Jazzmusiker überhaupt, in den USA und Japan fand er ergebene Fans.
Den eleganten Free Jazz Ornette Colemans oder die spirituellen Erkundungen John Coltranes nahmen sich im Vergleich zum Brötzmann’schen Inferno wie höfliche Infragestellungen aus. Wo Brötzmann blies, da blieb nichts stehen, da machten Unterscheidungen zwischen Musik und Geräusch keinen Sinn mehr.
Vielleicht fielen ihm solche Traditionsbrüche leichter, weil er als Kind zwar Klarinette gelernt, aber bereits ein Kunststudium an der Werkkunstschule in Wuppertal absolviert hatte, bevor er als Musiker reüssierte. Er wurde Assistent des koreanischen Fluxus-Künstlers Nam June Paik. Der bildenden Kunst blieb er als Maler, Grafiker, Designer und Objektkünstler bis ans Ende seines Lebens treu. Und auch seine frühen, selbst aufständische Studenten schockierenden Auftritte, hatten etwas von Performance-Kunst.
Tatsächlich beherrschte Peter Brötzmann auch die leisen Töne, konnte nachgerade zärtlich klingen. Später zwang ihn eine chronische obstruktive Lungenerkrankung zur Zurückhaltung, eröffnete freilich auch neue Wege. Free Jazz, das war für ihn sowieso eher eine Geisteshaltung als ein Genre, eine freiheitsbegrenzende Schublade. Am Donnerstag ist Peter Brötzmann an den Folgen seiner Krankheit gestorben, aufgetreten war er fast bis zuletzt. Er wurde 82 Jahre alt.