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John Lennons 40. TodestagDie makabre No. 9 soll versteigert werden

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Das letzte Bild: Lennon gibt seinem Mörder ein Autogramm.

Köln – Das Los mit der magischen Nummer 9 ist ein abgegriffenes Exemplar des „Double Fantasy“-Albums von John Lennon und Yoko Ono. Das schwarz-weiße Coverfoto zeigt den Sänger und seine Frau, die Fluxus-Künstlerin. Sie haben die Augen geschlossen und küssen sich innig.

Auf den Hals von Ono hat Lennon mit blauem Kuli seinen Namen geschrieben und die Jahreszahl, 1980, hinzugefügt. Darüber hat ein New Yorker Polizist die Platte mit dickem schwarzen Strich als Beweismittel inventarisiert: „WJT-2“.

Gekauft hat das Album Mark David Chapman. Der 25-Jährige kündigt 1980 seinen Job als Nachtwächter in Honolulu, um auf den Spuren von J.D. Salingers jugendlichem Antihelden Holden Caulfield nach New York zu reisen. Und John Lennon zu erschießen.

Unzertrennlich: Mit Yoko Ono

Jetzt, zum 40. Jahrestag der Ermordung Lennons, soll das makabre Erinnerungsstück versteigert werden. Ein unbekannter Passant hatte es hinter einem großen Übertopf vor dem Eingang des Dakota-Buildings in unmittelbarer Nähe des Tatorts gefunden und der Polizei übergeben.

Dem Auktionshaus zufolge erhielt er es kurz darauf zurück, deponierte es 18 Jahre lang unter seinem Bett und verkaufte es 1998 für 150.000 Dollar. Heute ist das Startgebot bei 400.000 Dollar angesetzt, erwartet wird ein Erlös von mehr als einer Million Dollar.

Jeder weiß, wo John Lennon wohnt

Am Vormittag des 8. Dezember 1980, es ist ein Montag, erwirbt Chapman ein Exemplar von „Der Fänger im Roggen“, er hatte vergessen, eines auf seine Wallfahrt mitzubringen. Er kauft sich auch einen Kugelschreiber und schreibt eine Widmung in das Buch: „Das ist meine Aussage“. Er zeichnet mit „Holden Caulfield“.

Dann wartet er mit der „Double Fantasy“-Platte im Gepäck, dem „Fänger im Roggen“ und einem Revolver Kaliber .38 vor dem Dakota. Ecke 72nd Street/Central Park West: Jeder weiß, dass hier John Lennon wohnt. Stets warten Fans vor dem Eingang. Lennon erfüllt geduldig jeden Autogrammwunsch.

Statue im Zentrum von Lennons Geburtsstadt Liverpool

Chapman unterhält sich mit dem Portier, liest im Salinger-Roman und verpasst Lennon, der aus einem Taxi steigt und im Haus verschwindet. Andere berühmte Dakota-Bewohner kommen und gehen: Lauren Bacall, Paul Simon, Mia Farrow. Doch die interessieren Chapman nicht.

Warum will er gerade John Lennon töten? Später wird er behaupten, auch andere Prominente ins Auge gefasst zu haben: Elizabeth Taylor und den Talkshow-Moderator Johnny Carson, den neuen US-Präsidenten Ronald Reagan, der wenige Monate später von einem anderen „Fänger im Roggen“-Fan angeschossen wird. David Bowie, der damals am Broadway die Titelrolle in „Der Elefantenmensch“ spielt, erzählt, Chapman hätte sich für den nächsten Tag ein Erste-Reihe-Ticket gekauft; er wäre der nächste gewesen.

Paul Goresh fotografiert den Mörder

Als sich Lennon am Nachmittag wieder zeigt, ist Chapman zur Stelle. Stumm hält er ihm das „Double Fantasy“-Album entgegen. Paul Goresh, ein anderer Fan, fotografiert den Moment, in dem John Lennon seinem Mörder ein Autogramm gibt. Es sind die letzten Bilder, die ihn lebend zeigen.

Warum nur Lennon? Holden Caulfield wettert gegen die verlogene Spießerwelt. Alles ist Lüge, die Menschen Heuchler. Caulfield ist 16, Chapman eigentlich viel zu alt, um sich mit ihm zu identifizieren. Aber nachts, in seinem Zimmer, hört er kleine Männer, die in den Wänden leben.

Lennon als Beatle 1967

Lennon ist sein Held. Und ein Verräter. Er hat Jesus verraten und die Beatles. Fordert seine Fans auf, sich eine Welt ohne Besitz vorzustellen und lebt im Luxus. Er hat den reinen Traum der 1960er verkörpert, jetzt lebt er dessen Ernüchterung. Er droht ein „phony“ zu werden, wie alle anderen. Dass Lennon der ehrlichste, weil verletzbarste aller Rockstars ist, versteht Mark Chapman nicht. Vielleicht hält er sich für einen Rebell. Aber er ist nur ein Reinheitsfanatiker.

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Als der Sänger weggefahren ist, legt der zukünftige Attentäter das signierte Album hinter dem Übertopf ab, weist den Portier und Paul Goresh darauf hin: „Ich zeige es euch nur, weil ihr später sicher wissen wollt, wo es ist.“ Sechs Stunden später hat Chapman John Lennon – und mit ihm die 60er – ermordet. Während er auf die Polizei wartet, liest er im „Fänger im Roggen“ . Eine neue, zynischere Zeit ist abgebrochen. Das signierte Album, das Mörder und Opfer verbindet, ist ihre Reliquie.