Käthe Kollwitz MuseumEine Kölner Erfolgsgeschichte gegen alle Wahrscheinlichkeit
Köln – Im Idealfall ist ein Museumsdirektor Jäger und Sammler zugleich, und ein langer Atem kann auch nicht schaden. Hannelore Fischer ließ sich jedenfalls nicht entmutigen, so oft ihr auch eine von Käthe Kollwitz geschaffene Zeichnung oder Grafik vor der Nase weggekauft wurde.
Sie bot dann bei nächster Gelegenheit wieder mit, und wenn es dann abermals nicht klappte, dann vielleicht beim nächsten Mal. „Sie sind doch die Frau, die dieses Blatt nie bekommt“, so etwas musste sich Fischer wohl nicht nur einmal anhören. Aber am Ende bekam sie das Blatt dann eben doch.
Die Idee eines Kölner Kollwitz Museums mutet immer noch verwegen an
Ohne Fischers Jagdtrieb wäre das 1985 gegründete Kölner Käthe Kollwitz Museum vielleicht immer noch eine bescheidene Unterabteilung der örtlichen Kreissparkasse.
Letztere sprang vor bald 40 Jahren als Mäzenin ein, als das städtische Wallraf-Richartz-Museum das Geld für eine private Kollwitz-Sammlung nicht zusammenbrachte und deren 60 Zeichnungen in alle Winde zerstreut zu werden drohten. Ein Anfang war damit gemacht, doch die Idee, darauf ein Käthe Kollwitz gewidmetes Museum zu gründen, mutet bis heute verwegen an.
Gut möglich, dass die Kreissparkasse damals nicht ahnte, worauf sie sich mit Fischer eingelassen hatte. Billig kann es nicht gewesen sein, die Kölner Kollwitz-Sammlung mit über 900 Werken zur größten der Welt zu machen und das Museum zu einem Kompetenzzentrum auszubauen.
Sollte das Geldhaus sein Engagement jemals bereut haben, lässt sich dies Rolf Tegtmeier nicht anmerken. Bei der Verabschiedung von Hannelore Fischer, die Ende März in den Ruhestand geht, versichert er, dass die Kreissparkasse ihre Unterstützung unvermindert beibehält.
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Während ihre Nachfolge noch nicht verkündet, aber hoffentlich geregelt ist, ging Fischer, wie sie sagt, zum Ausstand „an alle Schubladen“. Statt die Wände mit den reichlich vorhandenen Ikonen der Kollwitz-Moderne vollzuhängen und sich ein blendendes Arbeitszeugnis auszustellen, zeigt sie lieber „das Werk hinter den Meisterwerken“.
Also Skizzen und Studien, auf denen Kollwitz übte, etwas ausprobierte, verwarf und neu versuchte, verschiedene Varianten des gleichen Drucks, Randmotive, die sonst hinter der Rahmung verschwinden, und sogar einige Faksimiles, also keine Originale, sondern originalgetreue Stellvertreter für die lichtempfindlichen Kollwitz-Blätter.
Man sieht auf rund 180 Exponaten den Kontext eines grandiosen Werks und zugleich sehr vieles, für das sich allenfalls Experten (und oft genug nicht einmal diese) interessieren.
In der Museumswelt ähnelt ein solches Ausstellungskonzept einem Trapezakt ohne Seil und Netz. Offenbar traut Hannelore Fischer dem Kölner Publikum einiges zu, aber sie kann eben auch darauf vertrauen, dass Kollwitz selbst dann noch eine einzigartige Künstlerin bleibt, wenn sie sucht und irrt und ein misslungenes Motiv mit kräftigen Strichen durchstreicht.
Schließlich gründet sich ihr Rang nicht allein darauf, dass sie Armut, Hunger und Leid (aber auch Liebe und Mut) so ergreifend eingefangen hat wie niemand sonst. Sie war zugleich eine handwerklich Ausnahmebegabung, ebenso virtuos mit der aufwändigen Drucktechnik wie mit dem locker geführten Zeichenstift.
Zum Museum und zur Ausstellung
Das Kölner Kollwitz Museum wurde 1985 von der Kreissparkasse Köln gegründet und von Beginn an von Hannelore Fischer geführt. Unter ihrer Leitung wuchs die Sammlung auf mehr als 300 Zeichnungen, 550 druckgrafischen Blätter sowie zahlreiche Plakate und Plastiken an; es ist die größte und renommierteste Kollwitz-Sammlung weltweit. Das Museum hat mittlerweile zwei Werkverzeichnisse zu Kollwitz vorgelegt, ein drittes ist in Arbeit.
In über 80 Sonderausstellungen hat das Museum immer wieder mit Kollwitz Verwandtes gezeigt: Grafikausstellungen zu Pablo Picasso, Toulouse-Lautrec oder Horst Janssen etwa. Ein zweiter Ausstellungsschwerpunkt liegt auf der Fotografie. Mehr als 1 Millionen Besucher waren im Laufe der Jahre im Haus.
„Kollwitz Kontext. Das Werk hinter den Meisterwerken“, Kollwitz Museum, Neumarkt 18-24, Köln, Di.-So. 11-18 Uhr, bis 19. Juni. Katalog: 39,90 Euro.
Allerdings fiel auch diese Meisterin nicht einfach so vom Himmel – das ist die eine Lehre dieser Ausstellung. An einer Wand hängen lauter Skizzen, auf denen Kollwitz ihren eigenen Arm zeichnete, vermutlich, weil dieser immer da war, wenn ihr danach war, und Übung nicht nach Originalität verlangt.
Die zweite Lehre ist eine kunsthistorische: Man weiß über eine Künstlerin und ihr Werk niemals genug. Mit jedem neuen Ankauf lernt man etwas dazu. Über die Entstehungszeit einer bestimmten Arbeit, die Wiederverwendung und Entwicklung von Motiven oder auch mal darüber, ob ein sitzendendes Pärchen nicht besser liegen sollte.
Solche kunsthistorischen Finessen werden in „Bubbles“ an der Wand erklärt, andere Sprechblasen enthalten werkbiografische, technische oder anekdotische Details. Mitunter ist das schon sehr speziell, und insgesamt gibt es in dieser Ausstellung vielleicht einen Tick zu viel zu lesen. Andererseits wird niemand dazu gezwungen, und die meisten „Bubbles“ sind auf angenehme Weise lehrreich.
Zum Abschied wollte Hannelore Fischer Geschichten erzählen
Sie habe einmal Geschichten erzählen wollen, so Fischer, was auch im Museum nie verkehrt ist, sofern man sich nicht in Plaudereien verliert. Das eine oder andere Erlebnis aus ihrer Jagdzeit ist auch darunter, und man spürt jeweils, wie nahe sich Fischer „ihrer“ Käthe fühlt – und diese Nähe überträgt sich auch auf die Besucher, die nicht annähernd so vertraut mit Kollwitz sind.
Ganz hat Fischer zum Abschied nicht auf Meisterwerke verzichtet – sie finden sich in einer druckfrischen Kollwitz-Monografie mit den vielen Höhepunkten der hauseigenen Sammlung. Die Kataloge liegen überall in der Ausstellung aus. Als Ergänzung, Vertiefung und als Beweis dafür, dass die scheidende Direktorin auch etwas vom Verkaufen versteht.