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Karoline Schuch im Interview„Ich spüre eine große Wut“

Lesezeit 5 Minuten

Auch nach Feierabend gehen die Ermittlungen weiter: Anne Bach (Karoline Schuch) und Jan Gerke (August Wittgenstein).

  1. Karoline Schuch (39) arbeitete schon als Kind als Schauspielerin. Bekannt wurde sie unter anderem in der Titelrolle des Fernsehfilm „Katharina Luther“ und dem Kinofilm „Ballon“.
  2. Im ARD-Dreiteiler „Das Geheimnis des Totenwaldes“, der auf einem realen Kriminalfall basiert, spielt sie eine der Hauptrollen. Er ist im Ersten am 2., 5. und 9.12., jeweils um 20.15 Uhr, zu sehen.
  3. Im Interview spricht Schuch über ihren neuen Film, falschen Perfektionismus und Corona.

Frau Schuch, der ARD-Dreiteiler »Das Geheimnis des Totenwaldes«, in dem Sie eine Hauptrolle spielen, basiert auf der Geschichte von Wolfgang Sielaff. Er war Hamburger LKA-Chef und hat nach vielen Jahren den Mord an seiner Schwester selbst aufgeklärt. Spürt man bei einer solchen Rolle, die sich an einem realen Fall orientiert, eine andere Verantwortung als bei einer rein fiktiven Geschichte?Ja, deshalb waren alle Beteiligten von Anfang an mit im Boot, schon seit der Idee für den Stoff. Und während sie in der Bucharbeit waren, hat Herr Sielaff seine Schwester ja erst gefunden. Ich habe mich auch regelmäßig mit der Psychologin getroffen, an die meine Figur angelehnt ist. Ich wollte sie kennenlernen. Die Rolle zu spielen war eine große Verantwortung, die ich aber sehr gerne angenommen habe.

Das Leid der Hinterbliebenen steht in diesen Filmen sehr im Mittelpunkt. Ist in Krimis der Fokus sonst zu sehr auf die Täter gerichtet?

Ich habe nicht alle Krimis der letzten Jahre studiert, wenn man aber mal einen guckt, folgt man ja in der Tat meistens dem Ermittlerteam. Es wird wenig darauf geachtet, wie es den Hinterbliebenen geht. Und die Hinterbliebenen sind ja nicht nur die direkten Angehörigen, sondern ein viel größerer Kreis an Menschen ist davon betroffen. In diesem Film bietet sich eine andere Perspektive an, weil die Hauptfigur Hinterbliebener und Ermittler zugleich ist. Gerade das Zähe und Zermürbende, das ganze Familienstrukturen auf die Probe stellt, hat der Film sehr gut herausgearbeitet.

Dieser Dreiteiler ist kein klassischer Krimi, auch wenn es um einen Kriminalfall geht. Aber haben Sie eine Erklärung, warum das Genre so erfolgreich ist in Deutschland?

Es ist immer eine Form des Eskapismus. Es geht nicht mal nur darum, sich berieseln zu lassen. Man will sein Hirn anders anstrengen. Die große Knobelaufgabe am Abend. Es macht Spaß. Ich persönlich bin nicht so sehr im Krimi-Rausch.

Sie spielen eine junge Polizistin, die im ersten Teil am Anfang ihrer Kariere steht. Sie ist schlau, zieht die richtigen Schlüsse, ist aber immer sehr leise und vorsichtig. Manche Zuschauer hätten sie manchmal gewiss am liebsten angeschrien, auf dass Sie selbstbewusster im Film auftreten. Ging es Ihnen ähnlich?

Mir ist das selbst schwer gefallen. Ich habe öfter angeregt, dass die Figur schon früher aufbegehrt. Aber man muss das im Kontext der Zeit sehen, da hat der Autor Recht. Es sind die 80er Jahre, in denen die Rolle der Frau noch mal eine andere war und auch nicht so diskutiert wurde wie jetzt. Und Frauen waren generell unterrepräsentiert in diesen eher männlich besetzten Berufen. Es ist aber auch so, dass die Fehlerkultur, die heute propagiert wird, zu dieser Zeit noch kein Thema war. Man muss erst lernen, dass es auch rühmlich sein kann, zu sagen: Mist, hab ich verbockt. Lasst es uns anders machen. Aber als Frau muss man sich das heute immer noch ganz anders erarbeiten.

Warum?

Es geht um dieses männliche Narrativ, irgendetwas liefern zu müssen. Frauen werfen sich nicht so in die Bresche. Sie sagen eher, das ist noch nicht perfekt, das biete ich noch nicht an. Männern trauen sich häufiger, einfach mal frei Schnauze zu reden. Deshalb verkaufen sie ihre Ideen als die geilsten der Welt, obwohl sie manchmal vielleicht noch gar nicht fertig gedacht sind. Und Frauen sind da anders. Ich kritisiere das nicht, ich habe es aber häufig so erlebt. Ich denke oft darüber nach, wie man es Kindern vermittelt, sich locker zu machen, nicht immer zu meinen, alles perfekt machen zu müssen.

Kennen Sie das denn von sich selbst auch?

Ja, durchaus. Der hohe Anspruch an sich selbst kann anstrengend sein. Aber natürlich hat das auch eine große Triebkraft. Ich bin meinem Ehrgeiz auch dankbar.

Wie hat sich die Zusammenarbeit von Männern und Frauen verändert in den vergangenen Jahren? Ist es da eigentlich besser um die Gleichberechtigung bestellt?

Wir sind da noch nicht am Ende. Im Gespräch auch mit engeren Freunden habe ich das Gefühl, viele haben noch gar nicht verstanden, worum es geht. Da kommt dann oft das Totschlagargument, man wisse ja gar nicht mehr, was man noch machen und sagen darf. Einfach zuhören wäre doch mal ein erster Schritt. Verstehen wollen.

Führt die Konkurrenz durch Streaming-Anbieter dazu, dass auch das lineare Fernsehen in Zukunft risikofreudiger wird?

Ich bin sehr optimistisch, dass auch die Öffentlich-Rechtlichen sich neuen Erzählstrukturen öffnen und nicht so sehr am älteren Publikum orientiert bleiben, das gerne linear Fernsehfilme guckt. Da passiert gerade viel. Das ist eine gute Entwicklung, denn wenn sie nicht stattfindet, wird das klassische Fernsehen sterben. Und das fände ich sehr schade, weil es doch auch schön ist, vor dem Fernseher zusammenzukommen. Unser Medienverhalten führt ja sowieso immer mehr zu Vereinzelung.

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2020 ist fast vorbei, die Corona-Pandemie war das beherrschende Thema. Wie haben Sie die vergangenen Monate erlebt?

Die Zeit war unsicher, aufregend und sehr stressig. Ich habe dem Lockdown phasenweise auch etwas Romantisches abgewinnen können, aber jetzt gerade macht es keinen Spaß mehr. Ich spüre in meiner Branche eine sehr große Verunsicherung und auch Wut.

Jetzt wird uns ja auch durchaus schmerzlich bewusst, wie sehr ein reichhaltiges kulturelles Angebot zu einem guten und adäquaten Lebensgefühl beiträgt.

Absolut. Ich war fünfmal im Kino, als sie wieder geöffnet hatten und habe das sehr genossen. Ich wünsche mir, dass es bald wieder möglich ist. Es fehlt doch allen so sehr.