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Kengo Kuma in der BundeskunsthalleSo klingt die Architektur der Zukunft

Lesezeit 3 Minuten
Auf runden Stelen sind Architekturmodelle zu sehen. Darüber hängen Fotografien der jeweiligen Gebäude.

In der Bundeskunsthalle Bonn sind noch bis zum 1. September rund 20 Modelle des japanischen Architekten Kengo Kuma zu sehen.

Mit viel Holz und Fingerspitzengefühl entwirft der japanische Architekt Kengo Kuma seine Bauten. Rund 20 Modelle sind derzeit in Bonn zu sehen.

Vor den grünen Hügeln der japanischen Kleinstadt Yusahara scheint ein brückenartiges Gebäude förmlich zu schweben. Ein Gerüst aus Hunderten sich kreuzenden Holzplanken, durch einen einzigen schmalen Pfeiler im Boden verankert, bildet das Rückgrat des Bauwerks. Entworfen hat diese spektakuläre Konstruktion Kengo Kuma. Der japanische Architekt schlägt in seinen Bauten nicht nur im wörtlichen Sinne Brücken zwischen Tradition und Innovation, zwischen Geschichte und Zukunft eines Ortes.

Das „Wooden Bridge Museum“ in Yusahara ist eines von rund 20 seiner bisher wichtigsten Werke, die derzeit in der Bundeskunsthalle Bonn als Modelle zu sehen sind. Gemeinsam mit großformatigen Fotografien und einer Videopräsentation wird hier eine umfassende Retrospektive des Architekten präsentiert – eine Übernahme aus dem Palazzo Cavalli-Franchetti, anlässlich der Architekturbiennale 2023.

Eine Holzbrücke, die auf nur einem schmalen Pfeiler ruht.

Kengo Kumas „Wooden Bridge Museum“ in Yusahara scheinbar schwerelos in der Landschaft

Architektur als Lautmalerei

Der Titel der Schau, „Onomatopoeia Architecture“, bezieht sich auf die japanische Lautmalerei. Kengo Kuma erfindet allerlei klangvolle Doppelsilben, um mit diesen assoziativen Klängen seine Architektur zu kategorisieren. Gleichzeitig dienen sie ihm als Richtungsgeber für die Konzeption seiner Gebäude. Die Laute stehen jeweils für ein Gefühl, aber auch für bestimmte Gestaltungsprinzipien. Was zunächst vielleicht etwas abstrakt oder gar esoterisch erscheinen mag, wird beim Rundgang durch die Ausstellung, wenn nicht bis ins Detail verständlich, so zumindest gut nachvollziehbar. Die Modelle und Fotografien sind jeweils einer von dreizehn Lautmalereien zugeordnet.

„ParaPara“ zum Beispiel bezieht sich auf die Leere und den Zwischenraum in der Architektur. Den erklärt Kuma anhand seines 2020 errichteten Nationalstadions für die Olympischen Spiele in Tokyo: Zwischen den einzelnen Planken der Holzverkleidung lässt er jeweils eine Lücke stehen, sodass Wind und Licht hindurchkommen. Die Baumassen werden aufgebrochen, bis bei ihm am Ende selbst eine riesige Struktur wie das Olympiastadion Leichtigkeit ausstrahlt.

Selbst ein Stadion strahlt bei Kuma Leichtigkeit aus

Mit dem Bau des Stadions schloss sich für Kengo Kuma gewissermaßen ein Kreis. Denn sein Entschluss, Architekt zu werden, fasste er als kleiner Junge - ebenfalls bei den Olympischen Spielen in Tokyo - als er 1964 die Schwimmhalle des renommierten Architekten Kenzo Tange sah. Später studierte Kuma Architektur in Tokyo, unternahm eine Forschungsreise in die Sahara, bevor er 1990 sein eigenes Büro gründete. Heute stehen seine Bauwerke in der ganzen Welt, von Japan über Europa bis hin zu den Vereinigten Staaten und China.

Kengo Kuma stellt Mensch und Architektur auf eine Ebene

Nachhaltigkeit spielt in seinen Bauten eine zentrale Rolle. Das beginnt schon bei der Materialwahl: Holz, Bambus, Glas, gebrannte Erde, Reispapier und Leinen bestimmen seine Entwürfe, während Beton, wenn überhaupt, nur sparsam eingesetzt wird. Seine Gebäude bestehen aus einer Vielzahl von Kleinteilen, die sich zu einem harmonischen Ganzen fügen. Große Bauteile werden fragmentiert und auf menschliches Maß heruntergebrochen. Die Architektur im Einklang und auf einer Ebene mit Natur und Mensch – das ist bei Kuma nicht bloß Idealvorstellung, sondern gebaute Realität. Ein gutes Gebäude, so sagt Kengo Kuma, ist mit dem Ort und seiner Geschichte verbunden.

Ein gutes Gebäude ist mit dem Ort und seiner Geschichte verbunden.
Kengo Kuma

Dieses Architekturverständnis wird beim Besuch der Bonner Ausstellung deutlich. Schon die Modelle seiner Architekturen zeigen: Die umgebende Landschaft ist immer ein wichtiger Bezugspunkt, der Ort beeinflusst die Form und das Material. Wenn Kengo Kuma ein Bürogebäude in der Schweiz baut, verwendet er Schieferplatten, die Form greift die Dächer der umgebenden Berghäuser auf. Ganz anders sein Bau für den Ableger des Victoria and Albert Museums im schottischen Dundee am Fluss Tay. Hier schichten sich, inspiriert von der schottischen Steilküste, Natursteinreihen zu einem felsartigen Gebäude auf, das vom Hafen aus betrachtet an ein großes Schiff erinnert.


„Kengo Kuma. Onomatopoeia Architecture“, Bundeskunsthalle, Helmut-Kohl-Allee 4, Bonn, Di. 10-19 Uhr, Mi. 10-21 Uhr, Do.-So. 10-19 Uhr, bis 1. 9. 2024. Zur Ausstellung erschien eine gleichnamige Publikation von Marco Imperadori bei Dario Cimorelli Editore, 144 Seiten, 25 Euro im Museum, 30 Euro im Handel.