Christoph Peters kommt mit seinem Roman „Innerstädtischer Tod“ über die Abgründe der Kunstszene nach Köln - der Galerist Johann König klagt gegen das Buch.
Klage gegen Roman über Kunstszene„Übergriffe waren Standard“
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Christoph Peters
Copyright: Luchterhand Literatur Verlag
Wenn ein Buch von einem bekannten Autor wie Christoph Peters erscheint, gibt es Rezensionen in den Feuilletons der Zeitungen, im Radio und bisweilen auch im Fernsehen. Irgendwann startet dann die Lesereise durch die Republik und das öffentliche Interesse plätschert langsam aus. Anders bei „Innerstädtischer Tod“, das schon im September des vergangenen Jahres erschienen ist, aber nun plötzlich für Schlagzeilen sorgt. Der Grund: Der Galerist Johann König will die Verbreitung des Buches gerichtlich verbieten lassen. König - ein Spross der Kölner Kunst-Dynastie – hat eine Galerie in einer Kirche in Berlin Kreuzberg. In der Kunstszene ist er ohnehin ein Star, einer größeren Öffentlichkeit wurde er 2019 bekannt, als er mit nur Ende Dreißig seine Autobiografie „Blinder Galerist“ herausbrachte. Seit einem Unfall mit 11 Jahren ist er schwer sehbehindert.
Nun glaubt er sich in dem Roman von Christoph Peters wiederzuerkennen und klagt gegen den Luchterhand-Verlag, weil er seine Persönlichkeitsrechte verletzt sieht. Die von Peters erdachte Figur eines Berliner Galeristen ist alles andere als sympathisch und steht in dem Ruf, heißt es im Buch, „mit seinen Mitarbeiter*innen rumzumachen“. Im Laufe der Romanhandlung erscheint ein Artikel in der „Hauptstadtzeitung“, Frauen werfen dem Galeristen vor, sie sexuell belästigt zu haben. Ähnliches ist tatsächlich vor ein paar Jahren auch Johann König passiert, der die Vorwürfe seinerseits als falsch und verleumderisch zurückwies.
Reicht das, um einen Roman zu verbieten? Die Rechtsanwalts-Kanzlei des Galeristen führt noch andere Ähnlichkeiten auf. Dass Königs Galerie zum Beispiel in einer Kirche ist – wie die des Roman-Galeristen. Und dass ein dunkelblauer Anzug von Tom Ford sein „Markenzeichen“ sei – so einen trägt auch die Romanfigur. „Für ein Gespräch steht unser Mandant derzeit leider nicht zur Verfügung“, antwortete Königs Kanzlei auf Anfrage dieser Zeitung.
Christoph Peters steht für ein Gespräch zur Verfügung. Und er wundert sich: „In keiner Rezension hatte jemand etwas über Ähnlichkeiten zu Johann König geschrieben. Es wurden allenfalls Ähnlichkeiten zwischen meiner Figur Hermann Carius und einem bekannten AfD-Politiker wahrgenommen – und selbst die sind weit voneinander entfernt.“ Das Alleinstellungsmerkmal von König sei ja, dass er beinahe blind ist. Seine Romanfigur ist das nicht.
Der Kunstbetrieb kommt in diesem Roman ziemlich schlecht weg
Vor allem aber sei es auch gar nicht sein Plan gewesen, einen Schlüsselroman zu schreiben, in dem die Figuren reale Alter Egos hätten. Denn das Projekt „Innerstädtischer Tod“ ist ein ganz anderes: Peters setzt sich darin intensiv mit dem Werk von Wolfgang Koeppen auseinander. Sein Roman ist der Abschluss einer Trilogie, die sich an Koeppens „Trilogie des Scheiterns“ anlehnt, die Anfang der 1950er Jahre spielt.
Wenn sein Buch ein Schlüsselroman ist - dann für Koeppen-Fans, die sich über die Bezüge zu dessen Werk freuen können. Tatsächlich gebe es bei ihm Entsprechungen zu allen wichtigen Figuren aus Koeppens Romanen, so Peters – nur eben in die Gegenwart übersetzt. „Für mich ist das Ganze auch ein Forschungsprojekt gewesen. Zu gucken: Wie sahen die Machtverhältnisse zwischen Kirche, Kunst und Politik zu der Zeit aus und wie hat sich das 70 Jahre später verschoben?“
Dafür hat er an den Tagen, an denen der Roman spielt – der 9. und 10. November 2022 - intensiv recherchiert. „Da ist alles Mögliche mit eingeflossen: Zeitungen, Radio, Fernsehen und natürlich auch das gesamte Klima, die gesamte Debattenlage.“ Der Skandal um Johann König sei zu dem Zeitpunkt übrigens schon einige Monate her gewesen.
Ich habe endlose Aftershowpartys nach Vernissagen gesehen, wo es Übergriffe oder zumindest unvorsichtige Annäherungen unter Alkohol, Koks und anderen Dingen gegeben hat.
Für die Politik steht in seiner Geschichte der schon erwähnte Hermann Carius – alternder Kopf der Neuen Rechten. Dessen Sohn ist als katholischer Priester Vertreter der Kirche. Und der Star-Galerist repräsentiert den Kunstbetrieb. Zu Beginn des Romans legt er gerade letzte Hand an für die Vernissage eines jungen, aufstrebenden Künstlers, dessen gesamte Familie zu diesem Ereignis anrückt. Inklusive rechtem Onkel und Priester-Cousin – siehe oben. „Es ist merkwürdig, wie jetzt mein Roman plötzlich juristisch aufgedröselt wird, den ich eigentlich die ganzen Jahre als vollständiges inneres Fiktionsszenario vor mir gesehen habe.“
Der Kunstbetrieb kommt in diesem Roman ziemlich schlecht weg. Gnadenlos nimmt Christoph Peters dessen angebliche Oberflächlichkeit und den elitären Lifestyle auseinander: „Arschkriecherei ist in der Kunstszene noch weiter verbreitet als Neid und Missgunst.“
Scharfe Gesellschaftssatire
Nicht nur wie der Galerist dem jungen Künstler bretonischen Hummer („Die aus der Bretagne sind besser als die amerikanischen, feiner im Geschmack, zarteres Fleisch“) auftischt, ist scharfe Gesellschaftssatire – aber möglicherweise näher dran an der Realität als man denkt. Schließlich hat der Autor selbst an der Kunstakademie in Karlsruhe studiert. Und kennt daher die Szene von innen: „Ich habe endlose Aftershowpartys nach Vernissagen gesehen, wo es Übergriffe oder zumindest unvorsichtige Annäherungen unter Alkohol, Koks und anderen Dingen gegeben hat. Ich brauche keinen Fall aus den Zeitungen, um solche Szenen vor mir zu sehen. Das ist einfach Standard gewesen.“
Der Literaturbetrieb sei übrigens auch nicht besser: „Wo ältere Autoren sich dann jüngeren Autorinnen nähern, mit dem Versprechen, ihnen Türen zu öffnen. Wo Verleger den Arm um Autorinnen legen und ihnen eine Veröffentlichung in Aussicht stellen: ‚Komm Schätzchen, gehen wir noch was trinken!‘ Und natürlich geht es dann nicht nur darum, Alkohol zu konsumieren. Das ist die Einstiegsdroge für alles andere.“
Vor mehr als 20 Jahren erschien beim Kölner Verlag „Kiepenheuer & Witsch“ ein autobiografischer Liebesroman von Maxim Biller – und wurde kurz darauf verboten. „Seitdem ist man in den Verlagen natürlich sensibilisiert“, sagt Christoph Peters. Der Justiziar des Luchterhand Verlags hat vor der Veröffentlichung also sehr genau mitgelesen.
Ohne es vermutlich zu wollen, hat Johann König mit seiner Klage nun Peters' Roman zu unverhoffter Aufmerksamkeit verholfen: „Plötzlich kommt das Buch noch mal ins Gespräch - wie ich das gar nicht zu hoffen gewagt hätte. Obwohl es mir natürlich lieber wäre, wenn die Menschen sich für den Text selbst interessierten und nicht für die Ähnlichkeiten, die irgendwelche Leute darin zu erkennen meinen.“
Christoph Peters: „Innerstädtischer Tod“, Luchterhand Literaturverlag, 304 Seiten, 24 Euro.
Am Donnerstag, 20. Februar, um 19.30, stellt Christoph Peters seinen Roman „Innerstädtischer Tod“ im Kölner Literaturhaus vor. Tickets kosten 12/10 Euro (für Mitglieder 8 Euro).