Premiere vor 65 JahrenEs ist nicht peinlich, „Sissi“ zu gucken!
Köln – Romy Schneider war nicht glücklich mit der Rolle, die sie berühmt gemacht hat – sie pappe an ihr „wie Grießbrei“. Auch der männliche Hauptdarsteller der „Sissi“-Saga, Karlheinz Böhm, bemühte eine Süßspeise für seine klebrige Metapher, mit der er Ernst Marischkas Darstellung der Schicksalsjahre einer Kaiserin abfällig verwarf: Die Inszenierung entführe die Zuschauer in eine „rosarote Marzipanschweinchen-Welt“.
Eben diese Zuschauer lassen sich das seit 65 Jahren gerne gefallen. Am 21. Dezember 1955 feierte „Sissi“ in Wien Premiere auf der Kinoleinwand; seither ist der Film aus den Fernsehkanälen nicht mehr wegzudenken, zumal an hohen Feiertagen heben Elisabeth und Franz Joseph die Festtagsstimmung – auch in diesem Jahr zu Weihnachten steht das Monarchenpaar auf dem Programm, am 25. Dezember um 14.55 Uhr in der ARD.
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So rauschend der Erfolg beim Publikum ist, so gnadenlos drischt die Kritik auf Marischkas Filmtrilogie ein, deren Fortsetzung in erster Linie daran scheiterte, dass Romy Schneider die Lust an der Rolle verloren hatte. Es sind vor allem drei Argumente, die „Sissi“ vorgehalten werden: die Verfälschung der historischen Wirklichkeit, in der die Liebesbeziehung zwischen Elisabeth und Franz-Joseph nicht einmal Stoff für einen Kurzfilm hergegeben hätte. Zudem wird Marischka vorgeworfen, er habe nur zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wie kaum ein anderer zum Eskapismus beigetragen, dem die Nachkriegsgesellschaften vor allem im Kino, und dort vor allem durch den Heimat- und romantisierenden Historienfilm nachhing. Und als sei das nicht genug, folgt zuverlässig das absolute Totschlagargument, dass es sich nämlich bei den „Sissi“-Filmen um Kitsch und nichts als puren Kitsch handele.
Kein Abbild der Monarchie
Das alles mag zutreffen, und doch verkennen die „Sissi“-Verächter, dass es sich bei diesen Filmen nicht um bloße Seifenopern handelt, die man als sentimentales Herumgeschnulze abtun könnte. Natürlich hat Marischka kein naturalistisch getreues der Abbild der k.u.k-Doppelmonarchie abgeliefert – er hat einen Kinofilm gedreht, und zwar einen Film, der sich nach nichts weniger als dem großen Hollywood-Vorbild streckte. Dies beginnt schon mit der Schiffsfahrt der Herzogin von Bayern die Donau hinab zu ihrer neuen Heimat Wien, die Marischka als glänzenden Triumphzug und gleichzeitig als Auszug aus der behüteten, idyllischen Kindheit in ein prachtvolles Gefängnis aus Gold inszeniert. Ein kleines Meisterstück, was Farbkomposition, Rhythmus und vor allem emotionale Dichte betrifft.
Was die „Sissi“-Filme aber vor allem besonders macht, was zumal den ersten Teil zu einem herausragenden Kapitel der Kinogeschichte werden lässt, ist der Auftritt der Hauptdarstellerin selbst. Romy Schneider mag sich zurecht darüber beklagt haben, dass die Rolle ihr zeitlebens anhing – und doch dokumentiert sie, um was für eine besondere Schauspielerin es sich bereits bei der jungen, 1938 geborenen Wienerin handelte. Die Tragik, die Brüche, die nicht allein ihre späteren Filme, sondern leider auch ihr Leben bis in den frühen Tod prägten – sie lassen sich bei genauem Hinsehen jederzeit schon im Gesicht dieser Sissi ablesen, der wir deswegen auch in diesem Jahr wieder zusehen.