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Zum Tod von Gottfried BöhmKölner Architekt erster Deutscher mit Pritzker-Preis

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Böhm Titelbild

Gottfried Böhm (Archivbild)

Köln – Er kam aus einer anderen Zeit: Ein Architekt, so hoch dekoriert wie kein anderer in Deutschland, dem aber Marketing- und PR-Strategien stets herzlich egal waren. Dessen Büro bis zuletzt in einem schlichten Bau im Stadtteil Marienburg untergebracht war, einst vom Dominikus Böhm als Wohnhaus erbaut.

Ein Architekt, hinter dessen Entwürfen keine kühnen architekturtheoretischen Gebilde stecken, sondern allein der Grundsatz, „möglichst gut und schön zu bauen“.

In einer Branche, in der sich viele mühen, Zugang zum exklusiven Zirkel der weltweit tätigen Spitzenarchitekten zu erhalten, wirkt Gottfried Böhm tatsächlich wie ein Außenseiter. Doch mit seinem Werk hat der 1986 als erster Deutscher mit dem renommierten Pritzker-Preis ausgezeichnete Kölner, der noch im Januar dieses Jahres 101 Jahre alt geworden ist, die deutsche Architektur des 20. Jahrhunderts bereichert wie kaum ein anderer.

Ausstellung „Väter und Söhne“ über Architektenfamilie Böhm

Das lässt sich gerade in und um Köln bestens überprüfen – hier stehen die meisten von Böhms Bauten, hier ist die Familie ansässig, seit Gottfrieds Vater Dominikus, aus dem schwäbischen Jettingen stammend, 1926 das Architekturbüro eröffnete, in das der Sohn bald nach dem Studium (das neben der Architektur auch die Bildhauerei umfasste) eintrat. Und in das wiederum drei seiner vier Söhne ebenfalls eintraten - „Väter und Söhne“ hieß denn auch eine der ersten Ausstellungen über die Böhms, eine der wenigen echten Architekturdynastien in Deutschland, inzwischen in dritter Generation tätig. Und generationenübergreifend: So entwarf Gottfried Böhm den großen Bühnenbau des Hans-Otto-Theaters in Potsdam zusammen mit seinem Sohn Paul, auch an dessen Plänen für die Moschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld wirkte er noch mit.

Genauso hatte Gottfried Böhm begonnen: mit Entwürfen, die er zusammen mit seinem Vater Dominikus – selbst ein bedeutender Kirchenbauer – zu Papier brachte und umsetzte. Der erste eigene Bau war gleich ein wichtiges Stück Reparatur am zerstörten Herz der Kölner Innenstadt: Die Kapelle der Madonna in den Trümmern der zerstörten Kirche St. Kolumba (1950) war über Jahrzehnte wichtiger baulicher wie emotionaler Bezugspunkt in der Stadt des Wiederaufbaus. Die Integration seines Erstlings in Peter Zumthors Diözesanmuseum „Kolumba“, eigentlich ein gelungenes Miteinander der beiden zumindest in ihrer Wertschätzung der Körperlichkeit, des Skulpturalen, nicht unähnlichen Architekten, stellte Böhm jedoch bis zum Schluss nicht zufrieden.

Gottfried Böhm entwirft auf eigene Faust und Rechnung

Und auch den Umgang mit dem benachbarten Opernhaus hat sich Gottfried Böhm anders gewünscht. Zum Wettbewerb für die Umgestaltung des Opernquartiers hatte die Stadt ihren prominentesten Architekten nicht mehr zugelassen, weil er die Voraussetzungen nicht erfüllte. Dennoch entwarf Böhm auf eigene Faust und Rechnung einen Bühnenbau für das Schauspiel, der den (dann verkleinerten, intimeren) Offenbachplatz von der Nord-Süd-Fahrt abgeschirmt und gleichzeitig der Fassade des Opernhauses einen echten Rahmen gegeben hätte.

Denn dass sich Böhm auf die Wirkung von Räumen, ob innen oder außen, meisterlich versteht, hat er immer wieder unter Beweis gestellt. Manchmal gerieten die Übergänge dabei fließend – so beginnt sein Hauptwerk, die 1968 geweihte Wallfahrtskirche im bergischen Neviges eben nicht erst an der Außenwand der Kirche, sondern schon lange vorher im „Heiligen Bezirk“, dem vom einfachen Gebäuderiegel eines Schwesternwohnheims sorgfältig inszenierten Pilgerweg, der schließlich im Mariendom endet. Jenem „Felsen aus Beton“, der sich trotz des rohen Baumaterials ideal in das enge bergische Tal, aber auch in die umliegende Bebauung einpasst.

Im Innern der Kirche ist dann jene Mystik zu spüren, die Böhms Kirchen nicht selten auszeichnet: Nur langsam entdeckt das Auge eine Struktur im Düsteren der willkürlich scheinenden, vielfach gefalteten Betonstrukturen – was von außen so massiv aussieht, wirkt innen fast schwerelos.

Das Böhm’sche Raumgefühl

Ähnliches lässt sich in der schon 1965 fertig gestellten Kirche St. Gertrud in Köln erleben, deren Außenfront sich so spannungsreich in die städtische Bebauung der Krefelder Straße einfügt. Genauso intensiv erleben lässt sich das Böhm’sche Raumgefühl im Kirchenraum von Christi Auferstehung im Stadtteil Lindenthal. Der 1970 entstandene Kirche ist eigentlich eine begehbare Skulptur, gleichzeitig aber eines der zugänglichsten Werke des Architekten Böhm, der eben auch ein großer Menschenfreund war.

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Dazu muss man nur einmal im Sonnenschein auf der rot geziegelten Platzfläche vor der Kirche stehen – ihr hat Böhm durch Seitenbauten in wohnlicher Größe wie so oft bei seinen Großbauten den Charakter eines Dorfplatzes verliehen – und auf den von Kastanien gesäumten Kanal blicken: Viel besser kann die Einbindung eines Baus in das Umfeld nicht gelingen.

Den 100. Geburtstag im vergangenen Jahr hatten Familie und Freunde noch im kleinen Kreis gefeiert, auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker hatte dem Jubilar persönlich gratuliert. Schon vorher hatte sich Böhm aus gesundheitlichen Gründen aus der Öffentlichkeit weitgehend zurückgezogen. Dennoch: „Das Leben macht mir schon noch ein bisschen Spaß“, bekannte er in einem Interview anlässlich seines 100. Geburtstags. Am Mittwoch ist der große Kölner Baumeister gestorben.