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Im ausverkauften Carlswerk VictoriaDaniel Sloss nimmt Köln durch ein Minenfeld anstößiger Jokes an die Hand

Lesezeit 3 Minuten
Daniel Sloss

Der schottische Comedian Daniel Sloss trat in Köln im ausverkauften Carlswerk Victoria auf. Fotos waren bei der Show nicht erlaubt.

Hat Stand-up-Comedy Grenzen? Nein, sagt Daniel Sloss. Im Carlswerk Victoria zeigt er, wie man dunklen, anstößigen Humor clever gestalten kann.

Daniel Sloss gibt bescheiden zu, dass seine Stand-up-Comedy nicht die herausragendste Art der Unterhaltung ist. Zumindest nicht im Vergleich zum römischen Kolosseum. Im ausverkauften Carlswerk Victoria erklärt der 33-Jährige am Dienstagabend, warum er für das Amphitheater im Römischen Reich vermutlich eine Dauerkarte gekauft hätte.

„Du kannst dabei zusehen, wie eine Gruppe von Menschen von Tieren zerfleischt wird, von denen du noch gar nicht wusstest, dass sie überhaupt existieren!“ Der Schotte, der in Köln mit seinem aktuellen Tour-Programm „Can’t“ Halt macht, könnte sich in diesem Zusammenhang etwa Briten gegen Bären vorstellen.

Alte Römer haben vermutlich gegen die Schließung des Kolosseums protestiert

Doch derartige Todeskämpfe sind illegal – leider. Schuld daran seien laut Sloss vermutlich junge, weiße Nerds, die damals vor dem Kolosseum protestierten und jammerten, dass es dort barbarisch zugehen würde.

Schon damals hätte es sicherlich auch ältere Römer gegeben, die sich wiederum darüber aufgeregt haben: „Sie wollen uns unsere Kultur wegnehmen – das Kolosseum ist doch gar nicht barbarisch!“, spielt Sloss vor. „Was kommt als Nächstes, dass wir keine Juden mehr kreuzigen dürfen?“

Für diese Punchline reagiert das Publikum in Köln, unter dem sich auch größerer Teil englischer Muttersprachler befindet, nur sehr verhalten. Sloss erklärt, dass er kein Antisemit sei, sondern nur die Rolle eines alten Römers gespielt habe.

Daniel Sloss: „Es gab nie eine Zeit, in der alle einem zu einhundert Prozent zustimmten“

Der schottische Comedian zeigt so auf, wie absurd manche Debatten über Cancel Culture oder Wokeness sind. Die Behauptung, man könne heutzutage nichts mehr sagen, stimme nämlich nicht, gerade in der Comedy, sagt Sloss: „Es gab nie eine Zeit, in der alle einem zu einhundert Prozent zustimmten“.

Anstößige Jokes können jedoch trotzdem erzählt werden, meint Sloss, der seit mehreren Jahren eine feste Größe in der internationalen Stand-up-Comedy-Szene ist und unter anderem schon zwei erfolgreiche Netflix-Specials veröffentlichte. Es komme auf das Wie an – denn Comedians müssten auch Verantwortung für ihre eigenen Punchlines tragen und erklären, was der Witz ist. Wenn er auf der Bühne sage „Fuck the Queen, I’m glad she’s dead“, sei das eben keine Comedy, sondern nur Hatespeech.

Sloss befürchtet, dass er irgendwann selbst gecanceled wird. Aber nicht wegen einer Geschmacklosigkeit, sondern eines vermeintlich harmloses Witzes. Er sieht sich als Steve Irwin der Comedy - der australische Dokumentarfilmer, der der Welt unbekümmert gefährliche Tiere wie Krokodile näher brachte, wurde von einem Stachelrochen getötet.

Sein persönlicher Stachelrochen-Moment wird durch neue Eltern ausgelöst, vermutet Sloss. Sie seien wie eine laufende Klitoris, viel zu überempfindlich. Sie könnten keine schlechten Dinge über Kinder hören, ohne sie auf ihre eigenen Sprösslinge zu projizieren. Selbst die unrealistischsten Szenarien.

Daniel Sloss’ Geheimnis lautet Empathie

Der Schotte kann das allerdings inzwischen nachvollziehen. Im Februar wurde er selbst Vater eines Sohnes, von dessen mehrstündiger Geburt, bei der seine Frau lebensbedrohlich viel Blut verlor, er explizit erzählt. Ein traumatisierendes Ereignis, das aber gut ausging. Jedoch stellte er fest, dass er inzwischen nicht mehr über einen seiner Lieblingswitze lachen kann.

So seien alltägliche Dinge im Miniaturformat komisch – etwa Mini-Kühlschränke in Hotelzimmern, gefüllt mit kleinen Alkoholflaschen, die aussehen wie das Original. In Köln fragt Sloss: „Wann hört das eigentlich in der Kinderchirurgie auf?“ Wird im OP-Saal noch gekichert, wenn dem Arzt das Mini-Skalpel, dann nach der Mini-Zange gereicht wird? Vermutlich ist es nicht mehr amüsant, wenn auf der Mini-Lunge ein Mini-Tumor entdeckt wird.

Auch wenn Sloss seinen eigenen Witz nicht mehr lustig findet – das Publikum lacht trotzdem. „Das Geheimnis für düstere, anstößige Comedy ist Empathie“, sagt Daniel Sloss. Mit der könnten Comedians die Menschen an die Hand nehmen und durch das „Minenfeld der kritischen Themen“ zu führen. Das gelingt dem Comedian in knapp zwei Stunden im Carlswerk Victoria eigentlich durchgehend.