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Ethnografische FotosEhrgeizige Pläne im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum

Lesezeit 4 Minuten

Fotografie aus Kader Attias Serie „Rochers Carrés“

  1. Das Rautenstrauch-Joest-Museum am Kölner Neumarkt baut seine Fotografische Sammlung aus.
  2. Das Archiv ist riesig. Nun hat das Museum erläutert, was es mit den historischen Fotos in kommenden Ausstellungen vorhat.

Köln – Der Reiseschriftsteller Hans Helfritz war wohl der erste, der auf Rapa Nui in den 1950er Jahren Farbfotografien von der Osterinsel und ihren Einwohnern aufnahm. Letztere bekamen die Bilder erst zu sehen, als das Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum vor zwei Jahren eine Ausstellung auf Rapa Nui organisierte.

Zuvor hatten Mitarbeiter des RJM Helfritz’ Nachlass von rund 80.000 Fotografien gereinigt, digitalisiert und archiviert. Die Ausstellung, erinnert sich Lucia Halder, Kuratorin für Fotografie am RJM, führte zu unglaublich lebendigen Gesprächen mit den Besuchern, die auf den Bildern Verwandte, Freunde oder Nachbarn erkannten. Während eines Essens saß sie neben einem ehemaligen Bürgermeister, der eine von Helfritz’ Farbfotografien als Bildschirmschoner für sein Handy eingerichtet hatte: Sie zeigte seinen Vater. „Am Ende der Ausstellung hatte jede Person und jeder Ort auf den Bildern einen Namen.“

In der 2010 eröffneten Dauerausstellung des RJM, sagt Museumsdirektorin Nanette Snoep, seien Fotografien noch rein illustrativ verwendet worden. So zeigt ein Bild den Kölner Völkerkundler Wilhelm Joest, auf dessen Sammlung sich das Museum gründet, auf einer Reise durch Melanesien. Wer die zweite Person auf dem Foto ist, erfährt man jedoch nicht.

Das soll nicht so bleiben. Tatsächlich sei die Geschichte der Fotografie nämlich eng mit der Geschichte der Ethnologie und der ethnologischen Museen verknüpft, schließlich entstand sie in etwa zeitgleich mit der großen Expansionsbewegung des Kolonialismus.

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„Ethnographische Fotografie anonymisiert oft die Abgebildeten“, sagt Snoep. „Wir wollen aber herausfinden, wer uns aus diesen Bildern anblickt.“ In der Diskussion um Restitutionen von Objekten aus Sammlungsbeständen, die derzeit alle ethnologischen Museen beschäftigt, spielen Fotografien bislang zwar keine große Rolle, Restitution könne hier aber auch die Rückerstattung von Erinnerungen bedeuten. „Wir schaffen eine Online-Sammlung, um Zugang zu den Bildern zu schaffen.“ Das sei ungemein wichtig, ergänzt Lucia Halder, für die Zusammenarbeit mit sogenannten Herkunftsgesellschaften, zum Beispiel den Nachfahren von Abgebildeten.

Um die Fotosammlung des RJM zu „aktivieren“, soll sie auch um zeitgenössische Werke erweitert werden, vorzugsweise um Produktionen von Künstlern des globalen Südens. Auch hier ist ein erster Schritt bereits getan: Im März (da konnte sie das Museum aus den bekannten Gründen allerdings noch nicht zeigen) hat die Sammlung die aus vier Fotografien bestehende Serie „Rochers Carrés“ des französischen Künstlers Kader Attia hinzugewonnen, als Dauerleihgabe der Peter und Irene Ludwig Stiftung. Attia, Kind algerischer Einwanderer, beschäftigt sich in seinem oft reportageartigen Arbeiten mit Themen wie Identität, Marginalisierung und Kolonialismus, seit 2016 betreibt er im Pariser Gare du Nord eine Galerie namens „La Colonie“.

Die Fotografien aus dem Jahr 2008 zeigen Menschen, die an einem Strand in Algier, nahe dem Armenviertel Bab el Oued, auf großen Wellenbrechern aus Beton sitzen oder stehen – die Einheimischen haben sie „Rochers Carrés“, quadratische Felsen, getauft – und von dort sehnsüchtig über das Mittelmeer auf das scheinbar unerreichbare Europa schauen.

Fotografien werden auch in vielen kommenden Projekten des RJM eine große Rolle spielen. So etwa in der nächsten großen Sonderausstellung „Resist! Die Kunst des Widerstands“ (ab dem 27. November) oder in der neuen Ausstellungsreihe „Gegenbilder/Counter Images“, die ab März 2021 mit Gastkuratoren als Labor für die inhaltliche Überarbeitung der Dauerausstellung genutzt wird und in der kulturelle Stereotype durch das Medium Fotografie dekonstruiert werden sollen.

Dazu kommen noch weitere Projekte, wie die Zusammenarbeit mit der Fotografin Sara-Lena Maierhofer, deren Werke Teil der Ausstellung „Die Schatten der Dinge“ (ab 11. September) sein werden, und eine Kooperation mit dem Fotomagazin „Beyond“, für die zehn Fotografinnen aus Europa und Afrika in einen Dialog eingetreten sind.

Als „Artist in residence“ setzt sich die Künstlerin Yasmine Eid-Sabbagh mit dem Historischen Fotoarchiv des RJM auseinander, ihre Ergebnisse wird sie im Rahmen des nächsten Photoszene-Festivals in Köln kommenden Mai präsentieren.

AUS DEM ARCHIV

Das Historische Fotoarchiv des Rautenstrauch-Joest-Museum umfasst ungefähr 100.000 Fotografien, angefangen mit 104 Aufnahmen aus Ozeanien des Forschungsreisenden Wilhelm Joest.

Eine Publikation mit den Fotografien, die der Komponist und Reiseschriftsteller Hans Helfritz auf Rapa Nui aufgenommen hat, soll noch in diesem Jahr erscheinen.