Neue Ausstellung in DüsseldorfIntensive Werke von Charlotte Posenenske
- Charlotte Posenenske hat mit 38 Jahren aufgehört, Kunst zu machen. Jetzt kann man ihr außergewöhnliches und intensives Werk in Düsseldorf wiederentdecken.
- Wir haben die Ausstellung „Work in Progress“ vorab besucht.
Düsseldorf – Schon im Eingangsbereich des Museums, bevor man in die Ausstellungsräume kommt, kann man ihnen begegnen, den großen Vierkantrohren aus Metall oder Pappe, die sich in die Ecken unter der Decke drücken oder, aufrecht stehend, Außen- und Innenraum des Museums miteinander verbinden. Monumental und doch unscheinbar kann es aber durchaus auch passieren, dass man sie für Teile der Architektur hält und übersieht. Und genau das ist auch das erklärte Anliegen der Künstlerin gewesen.
Mit dem modularen System ihrer minimalistischen Skulpturen, die aussehen wie gigantische Lüftungsrohre, wollte sie Autorschaft und künstlerische Handschrift und damit die großen pathosgeladenen Gesten entmachten. Der Machismo ist, wenn man überhaupt so weit gehen will, den kantigen Objekten und ihrem Material eingeschrieben und keine Signatur des Künstlergenies.
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Charlotte Posenenske (1930 – 1985) arbeitete, nachdem sie ab 1951 bei Willi Baumeister in Stuttgart Malerei studiert hatte, mehrere Jahre als Bühnen- und Kostümbildnerin für verschiedene Theater. In dieser Zeit entstehen erste freie Werke, sie wendet sich bald wieder der Malerei zu, beginnt skulptural zu arbeiten, nimmt an Gruppenausstellungen teil. 1961 folgt ihre erste Einzelausstellung in der Galerie Dorothea Loehr. In der lebendigen Kunstszene in Frankfurt und Umgebung findet sie bald Mitstreiter und ein Publikum, sie stellt im Flugzeughangar und mit den amerikanischen Concept und Minimal Art-Kollegen aus, 1967 auch zusammen mit Hanne Darboven. Dennoch bleibt ihr Werk dann lange Zeit weitgehend unbeachtet.
Große Überblicksschau
Jetzt hat, mit kleiner Verspätung, die große Überblicksschau „Charlotte Posenenske: Work in Progress“ in Düsseldorf eröffnet. Hier nun kann eine bis zum Äußersten radikale Künstlerin wieder entdeckt werden, deren hoher Anspruch an die Kunst schließlich dazu führen musste, diese gänzlich aufzugeben. Strenge geometrische Formen, harte, industrielle Materialien, genormte Industriefarben; die Form- und Materialsprache ihrer Metallskulpturen aus den Jahren 1965 bis 1968 zeigt, dass Produktionsprozesse und Materialbearbeitung eine zunehmend wichtige Rolle spielen.
Dem Kunstmarkt und seiner Verwertungslogik entzieht sie sich, indem sie das Publikum zum Mittun einlädt und gleichzeitig ihre Arbeiten zum Selbstkostenpreis abgibt. Die Verweigerung als genial kreative Autorin formuliert sie 1968: „Der Künstler der Zukunft müsste mit einem Team von Spezialisten in einem Entwicklungslaboratorium arbeiten“. Gerry Schums Filmdokumente zeigen sie im Overall bei der Arbeit, mit Staubmaske, beim Aufbau von Ausstellungen, beim Montieren. In der Ausstellungshalle sind die Objekte mit viel Luft und Raum großzügig platziert, Blickachsen eröffnen immer wieder neue Varianten. An den Außenwänden hängen frühe „Spachtelarbeiten“ und Skizzen für Wandgemälde, Raster, Spritz- und Streifenbilder, Faltungen und farbige Metallbilder, geknickt und gebogen, paarweise angeordnet die Serien A, B und C. Die großen Vierkantrohre der Serien D und DW aus galvanisiertem Stahlblech oder Pappe besitzen, wie auch die Drehflügel Serie E, trotz ihrer industriellen Anmutung, eine erstaunlich sinnliche Ausstrahlung. Teils sind sie beweglich und dürfen nach Belieben variiert werden. Kuratorin Isabell Malz berichtet von den 140 Einzelteilen, die sie für die Präsentation selbst kombinieren und zusammenbauen musste. Weisungen für die Anordnungen gibt es nicht und so sieht jede der Stationen dieser Wanderausstellung anders aus. „Work in Progress“ ist da wohl ein sehr passender Titel...
Pressematerialien, Manuskripte und Dokumente in den Vitrinen beleuchten neben den künstlerischen Projekten auch die soziopolitischen Interessen der Künstlerin. 1968 beginnt Charlotte Posenenske ein Studium der Soziologie. „Es fällt mir schwer“, schreibt sie damals, „mich damit abzufinden, dass Kunst nicht zur Lösung drängender gesellschaftlicher Probleme beitragen kann.“
Charlotte Posenenske: „Work in Progress“ – Düsseldorf K 20, bis 2. August