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Textilkunst in der Rehbein-GalerieWas will uns Thomas Renwart mit all diesen Schmetterlingen sagen?

Lesezeit 4 Minuten
Thomas Renwart

Die Textilgemälde des belgischen Künstlers Thomas Renwart sind noch bis zum 9. März in der Kölner Galerie Thomas Rehbein zu sehen.

Der belgische Künstler Thomas Renwart sucht nicht nur für sich selbst, sondern gleich für eine ganze Generation nach einem tieferen Sinn.

Seine Referenzen sind so vielseitig wie sein Werk: bei dem Textilkünstler Thomas Renwart (*1995) treffen Blumen und Schmetterlinge auf Sternkarten aus dem 18. Jahrhundert, japanische Blumenkunst auf Tarotkarten und Madonna-Zitate.

Dass Renwart sich dem textilen Medium verschrieben hat, liegt nahe: Er stammt aus einer belgischen Weberfamilie, das Sticken lernte er bei seiner Großmutter. Er greift das Genre der Wandtapisserien, das in Belgien auf eine lange Tradition zurückgeht, ebenso wie seine Familiengeschichte auf und verbindet sie mit seiner eigenen Ästhetik.

Renwart greift eine lange Tradition und seine Familiengeschichte auf

Seine Formsprache ist reduziert, aber nicht abstrakt. Viele seiner Arbeiten sind handgewebt und -gestickt, manche großformatigen Werke maschinengewebt. Grundlage sind immer Zeichnungen, die er anschließend in das Textile überträgt. Das Ergebnis ist ein Spiel mit verschiedenen Materialien und damit verbundenen Traditionen. Rund 20 seiner Textilgemälde sind jetzt in der Kölner Galerie Thomas Rehbein zu sehen.

Ein zentrales Motiv dieser Arbeiten ist der Schmetterling. Für eine großformatige Serie setzte Renwart die filigranen Wesen in Übergröße auf Sternkarten und erweckt damit den Eindruck, als würden sie mühelos neben den Planeten durch das Universum schweben. Die Himmelskarten, die der Künstler in der digitalen Zeichnung manipulierte, stammen aus dem 18. Jahrhundert. Die Szene wird jeweils von zwei griechischen Säulen gesäumt, ein roter Vorhang verleiht ihr etwas Theatrales. In einem anderen handgewebten Ensemble lässt er die Schmetterlinge als weiße Silhouetten – wie Motten, die ins Licht fliegen und daran verenden – gefährlich nah an der Flamme um eine Kerze herumtanzen und in der dreiteiligen Serie „Nothing really matters“ strahlen sie vor einem leuchtend roten Grund. Darin verbindet er die Schmetterlinge, die unter Baumpilzen Schutz vor dem Regen suchen, mit Zitaten aus dem titelgebenden Song von Madonna.

Mit großer Selbstverständlichkeit mischt er Gegensätzliches

Mit größter Selbstverständlichkeit, aber nie willkürlich mischt Renwart Popkulturelles mit Wissenschaftlichem, Altes mit Neuem und scheinbar Banales mit Symbolträchtigem.

Egal zu welchem der in seinen Arbeiten verwebten Symbole man den Künstler befragt, er hat zu jedem Detail mindestens eine Geschichte parat. „Nothing really matters“ hörte er etwa zum ersten Mal auf Madonnas Welttournee im vergangenen Jahr – und fand sich, wie er erzählte, sofort darin wieder. Auf einem der drei textilen Bilder liest man deshalb: „You’re shelter from the storm, give me comfort in your arms“. Für Renwart ist dieser metaphorische Unterschlupf im Sturm – so der Ausstellungstitel („Shelter from the Storm“) – übrigens seine eigene Erinnerung. Egal wie schmerzhaft sie sei, irgendwie schenke sie einem doch Geborgenheit.

Was der Schmetterling für Thomas Renwart bedeutet

Man könnte dem kleinen Insekt nun unendlich viele Assoziationen zuschreiben. Beispielsweise, dass die Metamorphose der Raupe zum Schmetterling, genau wie der zitierte Song auf Veränderungsprozesse und Zäsuren im Leben anspielen, etwa den Verlust der kindlichen Naivität – in seinen Werken verstecken sich oft scheinbar kontextlos kleine Spielzeug-Enten. Die fragile Natur des Schmetterlings könnte ebenso gut als ein stiller Aufruf für eine Rückkehr der verletztlichen Momente im Leben gedeutet werden.

Thomas Renwarts künstlerische Suche nach einem tieferen Sinn und einem moralischen Kompass in der heutigen Zeit spiegelt nicht nur sein eigenes Streben wider. Es ist nicht zuletzt auch die Frage einer jüngeren Generation, die sich mit vielen Krisen und Ängsten konfrontiert sieht und händeringend nach Halt sucht.

Am Ende ist es deshalb vielleicht auch gar nicht so entscheidend, wie wir jedes einzelne Zeichen seiner Kunst verstehen, denn der Künstler schreibt uns keine eindeutigen Antworten vor, bietet vielmehr eine bunte Menge an Anhaltspunkten. Zweifelsohne ist seine Kunst – ganz im Sinne des Ausstellungstitels – eine Einladung, sich den eigenen Emotionen zu stellen, zum Innehalten in einer sich immer schneller drehenden Welt. Und zumindest ein vorübergehender Unterschlupf im Sturm der aktuellen Zeit.


Thomas Renwart: Shelter from the storm, Thomas Rehbein Galerie, Di bis Fr 11 – 13 Uhr/14 – 18 Uhr, Sa 11 – 16 Uhr, bis 9. März.