„Von Käfern und Menschen“ handelt vom Leben nach dem Tod und von Käfern als Verwaltern des Weltwissens. Klingt düster, macht aber Spaß.
Kölner Theater im BauturmEin philosophischer Leichenschmaus zum Saisonauftakt
Barbara Stölzl (Fiona Metscher) muss sich erstmal zurechtfinden. Gerade noch radelte die Musiklehrerin über die Kreuzung zur Schule, um sich im nächsten Augenblick als Verstorbene unter der Erde wiederzufinden. Hier trifft sie auf zwei zottelige Wesen, die den Neuankömmling unter ihre Fittiche nehmen. Otto (Henning Nierstenhöfer), ein stoischer Bauer, der im 4. Jahrhundert auf der Flucht vor den Hunnen zu Tode kam und Friedrich Wilhelm August Schmitt (Mario Neumann), einst preußischer Gardist zur Zeit der napoleonischen Kriege, wissen um die Geheimnisse im Reich der Toten.
Regisseurin Kathrin Mayr schickt das Schauspiel-Trio, mit dem sie bereits erfolgreich „Die Orestie“ inszenierte, im Kölner Theater im Bauturm diesmal auf eine Bühne, die zwischen Theaternebel und schiefen Holzsärgen wunderbar als Kulisse für eine Halloween-Party herhalten könnte. Autor Clemens Mädge hat in „Von Käfern und Menschen“ dieses originelle Totenreichszenario entworfen, das weder Himmel noch Hölle ist, also keinem moralischen Wertekodex unterliegt, sondern ein Ort, an dem um Wissen und Erinnerungen gerungen wird.
Henning Nierstenhöfer, Mitglied der Band Erdmöbel, steuert die Live-Musik bei
Wissen ist auch unter der Erde Macht, und die beiden gespenstigen Gestalten haben es im selektiven Ansammeln davon zu wahrer Meisterschaft gebracht. Knabbern sie doch die Käfer an, die sich zuvor unter der Erde das Wissen großer Geister beim Vertilgen der Toten angeeignet haben. Warum ausgerechnet diese beiden Gestalten Hüter einer Kiste voller „Käfer-Wissen“ sind, bleibt, wie so manches andere ein blinder Fleck, in einem Stück, das mehr durch seine interessanten Fragestellungen überzeugt, als durch die mitunter nebulöse Handlung.
Die Fragen, wer oder was darüber entscheidet, welche Erinnerungen und welches Wissen den Diskurs der Gesellschaft bestimmt, bekommen in Zeiten der scheinbar grenzenlosen digitalen Speicherung und von KI, eine neue Dynamik. Bleibt es dabei, dass (nur) die Sieger die Geschichte schreiben? Und was bedeutet es dann, wenn es hier die Käfer und Insekten sind, die als Datenträger den Diskurs bestimmen? Kurze Interviewsequenzen (Video: Frederik Werth), in denen sich Wissenschaftler über die unterschiedlichsten Fragestellungen zum Thema Geschichte und Erinnerung auslassen, unterbrechen die Handlung.
Ob die zerstückelte Interviewflut das Stück überfrachtet oder den Diskurs befeuert, bleibt wohl dem Rezeptionsverhalten jedes einzelnen Zuschauers überlassen. Fiona Metscher, die sich mit Mario Neumann furiose Dialogduelle liefert und Henning Nierstenhöfer, der als Mitglied der Band Erdmöbel auch die stimmungsvolle Live-Musik beisteuert, unternehmen jedenfalls alles, um das Publikum bei diesem philosophischen Leichenschmaus bei bester Laune zu halten. Ein langer Premierenapplaus deutet darauf hin, dass es ihnen gelungen ist.
„Von Käfern und Menschen“, Theater im Bauturm, Köln. Termine: 14., 15. und 27., 28. Oktober