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Frank Schätzing vermisst den Glamour„Köln endet irgendwie immer beim Motto-Lied“

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Der Kölner Bestseller-Autor Frank Schätzing findet, dass die Stadt aus ihrem großen kreativen Potenzial zu wenig macht.

Der Kölner Bestseller-Autor Frank Schätzing findet, dass die Stadt aus ihrem großen kreativen Potenzial zu wenig macht.

Der Bestseller-Autor im Interview über Kölns verpasste Chancen in Sachen Kultur, Lieblings-Kulturorte und die skurrilste Lesung seines Lebens.

Warum ist Köln für Sie als Kulturschaffender der perfekte Lebensmittelpunkt?

Köln ist entspannt und tolerant, ein 2000 Jahre altes Durcheinander der Kulturen und Geschichten. Gedanken können hier frei treiben. Kulturell nicht unbedingt die Stadt der elektrisierenden Impulse, sieht man vom Literatur-Fest lit.Cologne ab, das in der Weltspitzenliga spielt, aber ein Nährboden für Vielfalt – wichtiger denn je in Zeiten, da uns der Populismus Einfalt lehren will.

Was ist Ihr liebster Kulturort in Köln oder der Region?

Ich freue mich über jedes Konzert im E-Werk! Die Location ist perfekt: erlesener Industrial-Charme, groß genug für Top-Acts und dabei so intim, dass sich auch Taylor Swift gleich unter Freunden fühlen würde. Bei Bowie wars der Fall, er spielte drei Stunden lang und wollte gar nicht mehr von der Bühne. Aber auch das kuschelig-coole Gloria liebe ich. Für alle, die es jenseits des Mainstream mögen, ein Muss.

Was ist Ihre größte Hoffnung für den Kulturstandort Köln?

Ganz sicher nicht die Wiedereröffnung der Oper! Mit einem spektakulären Neubau à la Elphi oder Henning Larsens Kopenhagener Prachtbau hätte man das Interesse der Welt auf sich gezogen. Wenn unser alter Kasten neu eröffnet, wirds niemanden interessieren. Bei aller Wertschätzung für Tradition und tolle Tage hoffe ich, dass Köln sich der Zeiten besinnt, als unsere Künstler- und Galeristen-Szene in einem Atemzug mit New York genannt wurde und man sich Avantgarde und eine Pop-Gruppe wie Can traute. Köln hat das kreative Potenzial Londons, endet aber irgendwie immer beim Motto-Lied. Etwas mehr Weltstadtglamour täte gut.

Ihre schönste oder skurrilste Publikums-Anekdote aus Köln?

Ich hatte in den Neunzigern eine Reihe von „Tod und Teufel“-Lesungen in Kölner Buchhandlungen, alle gut besucht, dann jener Abend in der Peripherie – war es Lövenich, Hürth, Longerich? Ein einzelner Herr erschien, der als freundlicher Farbklecks dreißig Resopal-Stühlen das Eintönige nahm. Der Buchhändler meinte, da kämen wohl noch einige. Kamen nicht, also las ich für meinen einzigen Gast. Der lächelte, ich lächelte zurück, nach zehn Minuten schlug ich vor, zusammen einen trinken zu gehen. Wurde ein schöner Abend.