Suzie Kerstgens von der Indiepop-Band Klee erklärt im Interview, was sie an der Kulturstadt Köln liebt und was ihr Sorgen macht.
Sängerin der Kölner Band Klee„Ich hoffe sehr, dass nicht noch mehr Kreativflächen weg-gentrifiziert werden“
Warum ist Köln für Sie als Kulturschaffende der perfekte Lebensmittelpunkt?
Als ich mich vor circa 25 Jahren entschieden habe, nach Köln zu ziehen, dachte ich noch, dass Köln der perfekte Lebensmittelpunkt für mich als Kulturschaffende sei. Damals gab es noch die Popkomm, und die c/o Pop formierte sich erst gerade zu einem der wichtigsten popkulturellen Events Deutschlands. Köln explodierte quasi vor lauter Klangvielfalt, nicht nur musikalisch, sondern auch, was das Angebot der Spielstätten in Köln betrifft. Es war eine spannende Zeit, in der die Stadt auch international eine große Attraktivität hatte.
Die Klangvielfalt ist seitdem fast noch größer geworden, doch ungeachtet von Leuchtturmprojekten wie der Klubkomm, der c/o Pop und dem Holger-Czukay-Preis mangelt es immer mehr an den nötigen Plattformen und Orten, um diese auch auszuleben und sichtbar zu machen. Ich habe den Eindruck, in Köln verlässt man sich zusehends darauf, dass sich die Subkultur schon irgendwie selbst verwaltet. Natürlich findet man in Köln immer noch in allen Winkeln und Mauselöchern Menschen, die sich leidenschaftlich dafür einsetzen, den Spirit dieser Stadt als bunten und kulturell vielschichtigen Ort aufrechtzuerhalten. Deshalb bin ich hier. Um dabei zu helfen, Köln aus diesem Dornröschenschlaf wach zu küssen.
Was ist Ihr liebster Kulturort in Köln oder Region?
Ich bin ein großer Fan vom neuen Kulturort Ebertplatz. Ich finde es stark, wie die Stadt Köln sich dort einbringt und den Kulturverein Unser Ebertplatz dabei unterstützt, im Herzen der Stadt, einen offenen Kulturraum für alle erlebbar zu gestalten. Inzwischen ist er „the place to be“, wo Live-Konzerte stattfinden, man sich unter freien Himmel trifft, austauscht, die dort ansässigen Galerien besucht und die abwechslungsreichen Kunst-Installationen genießt, die den Platz beleben. Besonders liebevoll ist auch das kuratierte Pänz-Programm vom Ebertplatz. Das Beste daran ist, dass das komplette musikalische Angebot am Ebertplatz „for free“ ist und Kultur so für alle im Alltag wahrnehmbar wird. Ich finde, das ist ein super Beispiel für einen mutigen und zukunftsweisenden Weg, in Köln neue Kulturorte zu schaffen.
Was ist Ihre größte Hoffnung für den Kulturstandort Köln?
Ich hoffe sehr, dass nicht noch mehr Kreativflächen weg-gentrifiziert werden und unwiderruflich verschwinden und dass sich die Kulturpolitik noch dringlicher einsetzt, mehr kreative Räume zu schaffen, damit es überhaupt eine Zukunft für den (Sub-)Kulturstandort Köln geben kann. Eine kulturelle Zukunft, die sich aus der Stadt selbst generiert. Wie sollen denn neue Impulse entstehen, wenn es dafür gar keinen Platz mehr gibt? Da beißt sich doch die Katze in den Schwanz.
Es gibt immer mehr Beispiele, auch namhafter Kölner Kulturschaffender, die ihren Kreativstandort verloren haben, und es ist leider unmöglich, in dieser Stadt bezahlbare Räumlichkeiten zu finden, die ein kreatives Arbeiten erlauben, in denen es auch mal laut sein darf, die mit den ÖPNVs erreichbar sind und somit auch Musikerinnen und Künstlerinnen einen sicheren Weg zu ihrer Arbeitsstelle ermöglichen.
Ihr schönste oder skurrilste Publikums-Anekdote aus Köln?
Als meine Band KLEE im letzten Jahr als Hauptpreisträger des Holger Czukay Preis für Popmusik der Stadt Köln ausgezeichnet wurde, durften wir im Rahmen der feierlichen Preisverleihung live spielen. Es war einer der schönsten und intensivsten Gänsehaut Momente unserer Karriere. Das Besondere daran war der Augenblick unmittelbar vor dem Konzert, sich mit zitternder Hand einzutragen ins goldene Buch der Stadt Köln, das überhaupt nicht gold-, sondern bordeauxfarbig ist, um anschließend vor einem hochkarätigen Publikum aus geschätzten Kollegen und zahlreichen Vertretern von Kölns Sub- und Hochkultur auftreten zu dürfen. Den Support zu spüren, umarmt und ernst genommen zu werden für unsere Arbeit, und zwar von den Menschen, die dafür verantwortlich sind, dass Köln seine Relevanz als Musikstadt und Kulturstandort behält.
Suzie Kerstgens ist Sängerin der Kölner Band Klee, die unter diesem Namen seit 2002 existiert. Weiteres Mitglied ist Sten Servaes. Im Jahr 2023 erhielt die Band den Hauptpreis des Holger-Czukay-Preises für Popmusik der Stadt Köln.