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Kultur kostenlosIm Kölner Blücherpark behält der Besucher die Kontrolle

Lesezeit 6 Minuten

Blick auf den Weiher im Blücherpark

Köln – Im Blücherpark im Kölner Westen kann man nicht entfliehen. Man bleibt mitten drin im Großstadtgetöse, in einer irren Lärmkulisse, verweilt in den Belastungen des Alltags, in der Spannung zwischen Außen- und Innenwelt, zwischen Anforderung und Selbstbehauptung, Annahme, Ablehnung oder Verdrängung. Denn der Blücherpark, vor etwas mehr als 100 Jahren geplant und angelegt, wird von zwei Verkehrsadern flankiert, der Autobahn im Südwesten und dem Parkgürtel im Südosten.

Die stärkste Waffe des Parks gegen alle Trübung ist seine Gepflegtheit sowie seine leicht zu erfassende Übersichtlichkeit. Doch ein wahrer Rückzugsort ist er nicht, ohne deswegen zu veröden, vergammeln oder vergessen zu werden. Im Gegenteil: Das Amt für Landschaftspflege und Grünflächen kümmert sich beständig um die Anlage, und die Menschen nutzen sie zum Joggen, Walken, Grillen, Spazierengehen, Fahrradfahren, Fußballspielen, Lesen, Kind ausfahren, Hund ausführen, als Ziel oder Passage zwischen Neuehrenfeld und Bilderstöckchen, zwischen Süd und Nord. Nur in der Mittagsstunde vielleicht spaziert man allein auf einem der parallelen, rechtwinkligen Wege, auf einer der Alleen mit Sicht aufs Wasser, auf eine Wiese oder in die Ferne. Der Anblick des Parks erfreut, was man dabei hört, zerstört den freundlichen Sinneseindruck wieder, und im Staunen über die hochfrequente Akzeptanz des Publikums liegen ein paar Vermutungen über diese merkwürdige Allianz.

Heute steckt der Blücherpark in einer Zwangsjacke aus Straßen

Als Fritz Encke, zu Beginn des vorigen Jahrhunderts Gartendirektor der Stadt Köln, den Park plante, dachte man an die Begrünung und Belüftung der Stadt, an Erholungsmöglichkeiten für die rasant wachsende Bevölkerung, die, eingebunden in die industriellen und infrastrukturellen Entwicklungen, in wenigen Jahrzehnten aus Dörfern kleine Städte gemacht hatte. Auch für die Menschen in Ehrenfeld und Nippes wollte man einen Park, und die Stadtverordneten entschieden sich mit dem Areal im Südwesten zugleich für einen Verkauf an den Park grenzender Grundstücke für eine Wohnsiedlung, deren Parzellenpreise in solch einer Nachbarschaft steigen würden.

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Encke, bei Baubeginn im Jahr 1911 50 Jahre alt, hatte in verschiedenen Städten Deutschlands und in Großbritannien gearbeitet. Die Menschen nutzten Straßenbahnen zur Fortbewegung, gingen zu Fuß, niemand ahnte in dieser Zeit die Karriere des Automobils, dessen massenhafter Gebrauch schleichend begann und bis heute noch nicht an seinen Höhepunkt gekommen zu sein scheint. Auf Fotos aus den 60er Jahren ist die ästhetische Leere, das ausgedehnte Raumangebot der Städte nur zu bewundern, wozu die Vereinfachung auf Schwarz und Weiß sicherlich beiträgt. Der Eindruck von Ruhe stellt sich ein, von Gelassenheit, weil nichts drängt, sondern Abstand existiert. Der Einzelne scheint Entfaltungsraum zu haben.

Aber den Blücherpark umgibt in unserer Zeit eine Zwangsjacke. Sieben Spuren der Autobahn, sechs Spuren des Parkgürtels und zwei Straßenbahngleise grenzen die südlichen Seiten des Parks ein, deren ununterbrochene Geräuschproduktion bis in die Schrebergärten dringt, die im Norden an den Park schließen.

Nähert man sich ihm über eine der drei Brücken, die elegant oder bucklig von der Arnim- und Ossendorfstraße über die A 57 gespannt sind, erklimmt man auch einen audiovisuellen Höhepunkt, nur von Hubschraubern, Düsenjägern, Panzern übertroffen, und hat die Wahl zwischen Rausch oder Flucht. Rausch, wenn man eine Dröhnung, Stärkeres als 75 Dezibel, braucht, was neben Autobahnen gemessen wird. Flucht, wenn man ins Grüne will, das auf der anderen Seite schon mit mächtigen Kronen von Kastanien lockt.

Unbewusst beruhigt uns das Einfache des Parkquadrats

Eine Straße gab es an dieser Stelle schon immer. Aus einem beschaulichen Weg zu Enckes Zeit wurde Ende der 20er Jahre die Flughafenstraße, die 30 Jahre später in Butzweilerstraße umbenannt wurde und mit dem Bau der Autobahn ab 1961 allmählich verschwand und seit 1975 diese beeindruckende Schneise zwischen den Stadtteilen Ehrenfeld und Nippes bildet. Der immerwährende Verkehr, das Beständige aus der Stadt heraus, in die Stadt hinein, als würden Fahrzeuge von einer Schleuder abgeschossen, gräbt sich buchstäblich in das Bild des Parks ein.

Abschottung ist geboten. Der Blücherpark bietet sich mit seiner Symmetrie und Proportionalität ideal dafür an. Das Grün der Bäume, Büsche, Hecken und Wiesen besänftigt schon. Das Hochgewachsene einhundert Jahre alter Platanen, Linden, Ahorne, Buchen und Kastanien sowie das Flächige der Wiesen und des Teichbeckens weiten und begrenzen den Raum zugleich. Eine ruhige Wasseroberfläche, berührt nur von Enten und Schwänen, eine hoch aufschießende Fontäne und schattige Baumalleen ringsum vertiefen den Eindruck.

Aber der Clou des Parks ist die Variation eines Rechteckes, seine durchweg rechtwinkelige Anlage, die sofort Übersichtlichkeit und Orientierung verschafft. Etwas mehr als 14 Hektar, schmale 200 Meter auf 700 Meter Länge hatte Fritz Encke zur Verfügung und gliederte sie in mehrere Rechtecke, teilte diese nochmals in kleinere, legte parallele Pfade an und an der Südspitze ein halbes Oktogon als ornamentale Abrundung.

Leicht erkennt man drei übergeordnete Parkabschnitte, die große Wiese, das große Wasser sowie eine kleinere Rasenfläche mit Springbrunnen. Wiese und Wasser trennte Encke mit einem breiten Weg und säumte ihn an vier Ecken mit einem Plateau dicht stehender Kastanien. Riesenhaft überragen diese markanten Bäume alles. Wie Wächter erscheinen sie dem Spaziergänger, der sich von der mittleren Brücke dem Park nähert. Im Herbst, wenn die Sonne das bräunlich-gelbe Laub anstrahlt, funkelt es wie in Gold getaucht.

Die strenge Ordnung des Blücherparks hilft, sich von Überflüssigem, Belastendem zu lösen. Ein Rechteck rückt die Welt mit Seiten- und Querlinien gerade, wie Tisch oder Bett die Grundform eines Zimmers, eines Zuhauses variieren. In der Symmetrie wiederum existieren eine Mitte und eine Peripherie, womit sogar Bewegungen klar definiert sind, zur Mitte hin, zum Rand hin und zurück. Unbewusst beruhigt dieses Einfache, vermittelt Vertrautheit, die Gewissheit, in dieser Struktur nicht verloren gehen zu können. Und dabei ist der Park an keiner Stelle langweilig. Niveauunterschiede, schmale Durchgänge, doppelt parallele Wege, Treppen, ein Senkgarten, Halbkugeln als Kreuzungsmarkierungen im Erdboden – es dauert lange, bis alle Wege abgelaufen, das Dahinter entdeckt und als Bekanntes abgespeichert ist. Oft hat sich dann schon wieder etwas verändert. Der Spielplatz wurde neu gestaltet, ein Trinkwasserhahn installiert oder Bänke ausgetauscht.

Das ist das Geheimnis des Parks. Der Besucher behält stets die Kontrolle über seine Position in diesem schmalen rechteckigen Feld, alles bleibt überschaubar, und er wird doch auch abgelenkt und verlockt, Neues und Altes immer wieder zu sehen, ohne große Wagnisse einzugehen. Sogar der Lärm ist noch da, verrät, dass es nicht weit bis zum Alltäglichen, Bekannten ist.

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