Kölner Design-AusstellungIm MAKK wird der Kreis demoliert und neu erfunden
Köln – In der Natur ist der Kreis in seiner perfekten Gestalt, als geschlossene Linie konstanter Krümmung, eher eine Ausnahmeerscheinung – und war lange so schwer zu fassen wie Wasserkreise auf einem Teich. Dafür stand die Sonne tagtäglich am Himmel, unerreichbar und immergleich, ein strahlendes Symbol überirdischer Vollkommenheit. Wer den Kreis auf die Erde holte, kam den Göttern nahe, das glaubten nicht nur die frühen Kulturen, das sahen auch noch die Architekten und Maler der beginnenden Neuzeit so. Und selbst heute, wo jedes Kind lernt, wie man einen Kreis zieht und berechnet, ist er die Grundform der gestalteten Welt.
Den Kreis kann man nicht verbessern und schon gar nicht neu erfinden. Aber immerhin bis ins Unendliche variieren, ausschmücken und kunstvoll demolieren. Genau an diese Aufgabe haben sich auf Einladung des Kölner Museums für Angewandte Kunst nun 20 Designer gemacht, die überwiegend eher jung sind, in Deutschland und den Niederlanden ausgebildet wurden und der Gastkuratorin Wendy Plomp, Direktorin des Designstudios Dutch Invertuals, aufgefallen sind. „The Circle“ lautet der angemessen schlichte Ausstellungstitel: „The most iconic shape redesigned“.
Eigentlich sollte „The Circle“ die Kölner Möbelmesse ergänzen
Eigentlich sollte die Ausstellung die wegen Corona abgesagte internationale Möbelmesse in Köln begleiten und ergänzen – was sowohl Englisch als „Amtssprache“ der Schau erklärt als auch den gelegentlich legeren Umgang mit der vom Museum besungenen „Mutter aller Formen“. Gleich das erste Ausstellungsstück, ein Wasserbecken des US-Designers Carlo Lorenzetti, wartet zwar mit fließenden Rundungen auf und soll einem das in Pandemie-Zeiten endemisch gewordene Händewaschen freundlicher gestalten. Aber kreisförmig ist bestenfalls der Fuß.
Eher einem Schneckenhaus gleicht die „Circle Bench“, ein gemeinsames Projekt des lettischen Gestalters Germans Ermics mit The New Raw. Am Beginn ihrer spiralförmigen Bank sitzt man außen, am Ende innen, eine Verwandlung, die auch in der Farbgebung sichtbar wird. Einen Kreislauf im strengeren Sinne bildet hier vor allem der Umgang mit dem Material, das zur Gänze aus wiederverwertetem Kunststoff besteht.
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Auf den Recycling-Gedanke können sich auch diejenigen Designer einigen, die sich größere künstlerische Freiheiten vom Kreisprinzip nehmen. So hat Elena Blazquez eine Art Kuschellandschaft aus Stoffkissen entworfen, eine warme Decke für einsame Corona-Tage, deren einzelne Teile durch Schlaufen miteinander verbunden sind; Wendy Andreu folgt hingegen den Schleifen des Möbiusbandes, in denen, wie sie schreibt, die Kreisform implodiert und sich in diesem Fall als gebogener Wandschmuck mit einem Spiegel im Zentrum materialisiert. Bei Elly Feldstein finden Kreisform und Materialkreislauf schließlich auf beinahe natürliche Weise zusammen: Sie montiert aus gefundenen Holzstücken runde Tische, die sich wieder auseinander nehmen und neu arrangieren lassen.
Zu den kulturellen Ursprüngen des Kreis- und Sonnenkultes gehen Bram Vanderbeke und Laura Kluge zurück. Vanderbeke gestaltete kurvenförmige Betonsteine, die sich um Feuerstellen schichten lassen, Kluge inszeniert eine künstliche Sonnenfinsternis, indem sie eine starke Lichtquelle hinter einer zerbeulten runden Metallscheibe verschwinden lässt. Das Licht wird dabei als flirrender Lichthof an die Wand geworfen und aus einem überirdischen Ideal ein Symbol für die Schönheit des Unvollkommenen.
„The Circle“, Museum für Angewandte Kunst, An der Rechtschule, Köln, Di.-So. 10-18 Uhr, bis 24. April 2022. Eröffnung: 17. Januar, 19 Uhr. Sonderöffnungszeiten bis 23. Januar: Mo.-So. 10-21 Uhr, Eintritt frei.