Kölner Fotoagentur laifDank Polizeiprügel zum Welterfolg und ins Museum
Köln – Wenn Polizisten ihre Knüppel auf Demonstranten schwingen, ist das selten ein guter Tag für die Demokratie, aber oft eine gute Fotogelegenheit. Am 28. Februar 1981 waren die Bedingungen besonders günstig: Zehntausende Menschen waren ins schleswig-holsteinische Brokdorf gereist, um gegen den Bau eines Atomkraftwerks zu protestieren, ein Landrat hatte dies untersagt, und einige Tausend Polizisten sollten das verfassungswidrige Verbot (wie später höchstrichterlich geurteilt wurde) durchsetzen. Am Ende gab es Hunderte Verletzte auf beiden Seiten.
laif wurde in einer Kölner Südstadt-WG gegründet
Auch aus Köln waren einige Fotografen nach Brokdorf gereist, nicht gerade überparteiliche, eher engagierte, eingebettet in die deutsche Anti-Atomkraft-Bewegung. Heimgekehrt beschlossen sie in einer Südstadt-Wohngemeinschaft, ihre Bilderernte zusammenzulegen und als Brokdorf-Volksblatt herauszugeben. Es war politische Aufklärung über den „Atomstaat“, gedruckt auf billigem Papier, zu kaufen für eine billige Mark – und zugleich die Geburtsstunde der Fotoagentur laif.
41 Jahre später gibt es laif immer noch, und die Zentrale steht immer noch in Köln (wenn auch nicht mehr in der Südstadt). Geändert hat sich der Zuschnitt der Agentur: Aus dem linken Kollektiv ist ein weltweit vernetztes Unternehmen geworden, das über 400 Fotografen vertritt, darunter Pulitzer-Preisträger und bekannte Fotobuchautoren. Ohne laif wäre die große Zeit des deutschen Magazin-Journalismus deutlich kleiner ausgefallen, was im Umkehrschluss allerdings auch bedeutet, dass der finanzielle Niedergang der Magazine auch bei laif deutliche Spuren hinterlassen hat. Die Gründungsmitglieder haben ihre Anteile längst verkauft, und viele Fotografen lassen sich ihre Reportagen mittlerweile von Stiftungen, Museen oder Galerien finanzieren.
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Gerade weil die Grenzen zwischen Fotojournalismus und Kunst zusehends verschwimmen, hätte man sich die Jubiläumsausstellung zu „40 Jahre laif“ (mit einem pandemischen Jahr Verspätung) auch in einem Kölner Kunstmuseum vorstellen können. Jetzt steigt die Geburtstagsfeier im Museum für Angewandte Kunst, wohin sie einerseits ganz wunderbar passt – anderseits hat das MAKK weder eine fotografische Sammlung noch ausgewiesene Expertise im eigenen Haus. Die Auswahl der Exponate übernahm dann praktischerweise der Jubilar gleich selbst; Chefkurator Peter Bialobrzeski ist zwar kein aktives laif-Mitglied mehr, der Agentur aber weiterhin eng verbunden.
Vielleicht wäre ein Außenseiter auch schlichtweg damit überfordert gewesen, eine sinnvolle Auswahl aus den in Millionen zählenden Fotografien des laif-Archivs zu treffen. Bialobrzeski entschloss sich, kein vermeintliches Best-of und keine Preisträger-Parade zu präsentieren, sondern dem Selbstverständnis der Südstadt-Wohngemeinschaft zu entsprechen: Als laif-Fotograf sucht man sich seine Themen selbst und erst danach Abnehmer für sein Werk. Es sind also keine Auftragsarbeiten zu sehen, sondern aus eigenem Antrieb entstandene Reportagen.
Am Anfang der Jubiläumsschau steht selbstredend Brokdorf, doch der Antrieb der laif-Fotografen muss nicht politisch oder zumindest nicht offensichtlich politisch sein. Wobei etwa der Blick auf die industrielle Landwirtschaft (Hendrik Spohler) oder hinter die Türen von Altersheimen und Hospizen (Stephan Elleringmann) nun auch wieder alles andere als harmlos ist. Beide Serien könnte man überästhetisiert finden, zumal wenn man die klassische Dokumentarfotografie als Maßstab nimmt. Aber an 40 Jahren laif zeigt sich eben auch, wie sich die Positionen mit der Zeit in Richtung künstlerische Autorenfotografie verschieben.
Manche Serie lebt von ihrem Wiedererkennungswert, etwa Axel Krauses eindringliche Reportage aus dem kolumbianischen Drogenkrieg oder Peter Gransers surreale Eindrücke aus dem Rentnerparadies Sun City. Anderes ist noch zu frisch fürs kollektive Bildgedächtnis (Ingmar Björn Noltings Corona-Bilder), zu düster (Sandra Hoyns Aufnahmen aus dem Bordellbezirk von Bangladesch) oder für den Kunstbuchmarkt produziert (Bialobrzeskis Städtebilder aus Fernost).
Eigenwillig ist die Präsentation auf Zeitungspapier
Ein Ganzes wird daraus schon deswegen nicht, weil die Kuratoren für jedes Jahr des laif-Bestehens eine Reportage auswählten. Andererseits wollte Bialobrzeski auch keinen Querschnitt durchs laif-Archiv legen, sondern dessen Vielfalt zeigen.
Am eigenwilligsten ist die Präsentation der Fotografien. Die meisten sind auf billigem, gefalteten Zeitungspapier gedruckt, obwohl die ausgewählten Reportagen gerade nicht für Tageszeitungen, sondern für Hochglanz-Magazine oder Buchprojekte konzipiert wurden. Allerdings macht sich diese Hommage ans Brokdorf-Volksblatt an den Museumswänden erstaunlich gut, und weil auch der Katalog aus gefalteten Papierseiten besteht, kann man die Ausstellung buchstäblich mit nach Hause nehmen.
„40 Jahre laif – 40 Positionen dokumentarischer Fotografie“, Museum für Angewandte Kunst, An der Rechtschule 7, Di.-So. 10-18 Uhr, 12. März bis 25. September. Katalog: ab 14,90 Euro.