AboAbonnieren

Kölner GalerieJulian Sander startet in der Südstadt noch einmal neu

Lesezeit 4 Minuten

Julian Sander packt aus

Köln – Verschiedener könnten die beiden Geschäfte eigentlich kaum sein: Bis vor wenigen Monaten befand sich in dem Ladenlokal an der Bonner Straße 82 noch eine Spielhalle – am Freitag eröffnet dort der neue Ausstellungsraum des Kölner Galeristen Julian Sander. Doch trotz aller Unterschiedlichkeiten haben sie doch eines gemeinsam. Sowohl eine Spielhalle als auch eine Kunstgalerie lockt in der Regel nur eine kleine Klientel an, und selten verirren sich Menschen außerhalb dieser Communities in die entsprechenden Räumlichkeiten – aus Scheu oder Zurückhaltung, aus einer grundsätzlichen Abneigung oder schlichtweg aus Desinteresse. Und manch einer mag den Kunstmarkt vielleicht für genauso intransparent wie einen Glücksspielautomaten halten.

Doch genau damit möchte Julian Sander brechen. Der 51-Jährige ist ein Urenkel von August Sander, einem der bedeutendsten Fotografen des 20. Jahrhunderts, und führt seit 2009 seine eigene Galerie, in der er neben den Arbeiten seines berühmten Urgroßvaters auch zahlreiche andere, meist zeitgenössische Fotografen ausstellt. 2016 zog er von Bonn nach Köln in Räumlichkeiten des Kunstauktionshauses Lempertz am Neumarkt, doch sein Mietvertrag wurde im Sommer vergangenen Jahres unerwartet gekündigt. Neue Räume mussten her und da fiel sein Blick auf die gerade leer gewordene Spielhalle in der Kölner Südstadt. Die war nicht nur sehr gut gelegen, sondern bot Sander mit rund 250 Quadratmetern auch viel mehr Platz und Möglichkeiten, um sich neu aufzustellen – als Galerist, vor allem aber auch als Vermittler.

Der alte Mietvertrag im Kunsthaus Lempertz wurde gekündigt

Denn gerade letzteres sieht er als seine besondere Aufgabe an und möchte Menschen auch jenseits der Kunstblase in seiner Galerie begrüßen. „Es gibt noch immer diese Hemmschwelle, in eine Galerie zu gehen“, bedauert Sander und ermuntert zugleich jeden, einfach mal herein zu kommen, sich umzuschauen und das Gespräch zu suchen, ohne Furcht haben zu müssen, dass ihnen jemand etwas verkaufen wolle oder dass man die Leute von ihrer eigentlichen Arbeit ablenke: „Wissen zu erlangen hat nichts mit stören zu tun und das Vermitteln von Kultur ist unser Job.“

Alles zum Thema Bonner Straße (Köln)

Um seinen Worten Taten Folgen zu lassen, hat er seine Galerie möglichst transparent eingerichtet – und die umfangreiche Bibliothek seines im letzten Jahr verstorbenen Vaters Gerd, das Büro und das Lager, die Werkstatt und das Fotostudio direkt integriert. Die Ausstellungsfläche befindet sich am Eingang und die weiteren Bereiche schließen sich quasi nahtlos an, wobei es eine schmale Sichtachse von den Schaufenstern zur Bonner Straße bis ganz nach hinten in das Fotostudio gibt, wo der Galerist oder seine Mitarbeiter selbst zur Kamera greifen, um beispielsweise Kunstwerke zu fotografieren.

Das könnte Sie auch interessieren:

Apropos Schaufenster: Auch hierfür hat sich Sander etwas besonderes einfallen lassen und in die Fenster opake Folien integriert, auf die zusätzlich per Beamer Bilder und Videos projiziert werden. Der Clou: Näherungssensoren sorgen dafür, dass die vier hochformatigen Schaufenster transparent werden, wenn man sich ihnen nähert – und der Passant für seine Neugierde mit einem Blick in die Galerie belohnt wird. Sogar interaktive Inhalte seien geplant. Unabhängig davon will Julian Sander, der in Bonn geboren wurde, aber in Washington DC aufwuchs, auch mit Veranstaltungen jenseits des üblichen Galerienprogramms Menschen anlocken und begeistern. So soll im Ausstellungsraum ein Flügel stehen und entsprechend sind Events mit Live-Musik vorgesehen. Kann gut sein, dass Julian Sander dann auch selbst mal zur Klampfe greift, denn das Gitarrespielen ist eine seiner Leidenschaften, für die er aber zu wenig Zeit habe, wie er sagt. Außerdem stehe die Bibliothek allen offen, die darin recherchieren und forschen wollen.

Auftakt mit Fotografien seines Urgoßvaters August Sander

Den Ausstellungsauftakt am Freitag macht Julian Sander übrigens – wenig überraschend – mit Fotografien seines berühmten Vorfahren: „Menschen ohne Maske“ ist eine Zusammenstellung von August Sander-Porträts, die als außergewöhnlich große Abzüge von 60 mal 80 Zentimetern erstmals 1973 im Mannheimer Kunstverein gezeigt wurden. Die Bilder wurden alle kurz vor und während der Weimarer Republik aufgenommen und bilden den Rahmen für Sanders bis heute einflussreiches Werk „Menschen des 20. Jahrhunderts“: In einer – zumal für damalige Verhältnisse – ungewohnt offenen Herangehensweise porträtierte er darin die gesamte deutsche Gesellschaft – von den Bauern bis zu den Akademikern, von den Künstlern bis zu den Hilfsarbeitern und von den Nazis bis zu den Juden. Ein Werk, das Fotografen-Generationen auf der ganzen Welt weiterhin beeinflusst.

„Menschen ohne Maske“ von August Sander wird am 21. Januar zwischen 12 und 22 Uhr eröffnet und ist bis zum 9. April zu sehen. Coronabedingt wird um eine Terminvereinbarung über die Website gebeten.

Galerie Julian Sander, Bonner Straße 82, Öffnungszeiten nach Vereinbarung, galeriejuliansander.de